Nach Gottschalk-Trennung: „Für ältere Paare ist es hart, auseinanderzugehen“

Köln – Keine Skandale in mehr als 40 Ehejahren: Die Trennung von Thea und Thomas Gottschalk kam überraschend. Andererseits ist es nicht ungewöhnlich, dass auch Langzeit-Paare irgendwann getrennte Wege gehen, wie Paartherapeut Hans Jellouschek zu berichten weiß.

Hans-Jellouschek: Eine Trennung nach vier Jahrzehnten Ehe, das ist mir in meiner langjährigen Praxis als Paartherapeut tatsächlich noch nicht untergekommen. Aber ich kenne einige 50- bis 60-Jährige, die nach vielen gemeinsamen Jahren getrennte Wege gehen.

Wurden in Deutschland 1991 noch 12500 Ehen nach 26 und mehr Jahren geschieden, waren es 2017 fast doppelt so viele. Was sind die häufigsten Gründe für späte Trennungen?

Wenn beide Partner berufstätig sind, sich um die Kinder kümmern, dann geht es lange Zeit in erster Linie darum, den Alltag zu bewältigen. Die Paarbeziehung tritt in den Hintergrund. Wenn dann die Kinder eigene Wege gehen und man beruflich nicht mehr so eingespannt ist, stellt man plötzlich fest, wie weit man sich auseinandergelebt hat. Zumal, wenn sich einer der Partner in jemand anderen verliebt. Da spürt man plötzlich, aha, so könnte die Liebe auch aussehen. In der alten Beziehung war die Sexualität vielleicht eingeschlafen, und plötzlich werden erotische Bedürfnisse wieder lebendig.

Sie ist der häufigste Trennungsgrund – selbst in fortgeschrittenem Alter. Auch wenn die Haltbarkeit einer Beziehung vielen wichtig ist, trennen sich Paare heute schneller.

Nicht so sehr wie früher. Vor 30, 40 Jahren noch spielten andere Dinge eine Rolle, nicht so sehr die lebendige Liebe. Da waren die gemeinsamen Kinder und der gemeinsame Besitz, bei einer Trennung ist einer von beiden immer deutlich schlechter weggekommen – besonders im Westen Deutschlands. Die Unauflöslichkeit der Ehe hatte einen viel höheren Stellenwert. Solche Schranken sind gefallen. Es ist leichter geworden, sich zu trennen. Frauen verdienen auch Geld, sind eigenständig.

Ehe-Aus nach 40 Jahren

Thomas Gottschalk und Ehefrau Thea trennen sich

Für ältere Menschen ist es schon schwerer auseinanderzugehen. Es hängt viel dran an so einer Ehe, nicht zuletzt gibt es eine lange gemeinsame Geschichte, Dinge, die man zusammen erlebt hat, materielle Werte, die geschaffen wurden. Das alles auseinanderzudividieren, ist hart.

Gibt es Unterschiede zwischen Männern und Frauen? Wer trennt sich häufiger und warum?

Heute nicht mehr so sehr, die Frauen haben da stark aufgeholt. Früher war es klar, wenn sich ein Paar im vorgerückten Alter trennt, dann geht die Initiative vom Mann aus. Heute ist der gesundheitliche Status bei Männern und Frauen wesentlich besser, da ist auch im Alter noch sexuelle Lust vorhanden, was früher tabuisiert wurde. Und wenn ich zu Hause nichts mehr erwarten kann, schaue ich mich eben woanders um – auch als Frau.

Das Klischee vom älteren Mann, der seine Frau für eine Jüngere verlässt, gilt nicht mehr?

Oh doch. Eine ältere Frau kann für einen Mann schnell unattraktiv werden, umgekehrt gelten ältere Männer nicht so schnell als unattraktiv.

… fünf Jahre Unterschied mögen im jungen und mittleren Alter nicht viel sein, aber später im Leben kann es viel ausmachen, was den Verlust von Attraktivität angeht. Ich möchte das aber nicht auf die Gottschalks bezogen wissen, keine Ahnung, was bei den beiden schiefgelaufen ist.

Man könnte sagen, nach 40 Jahren muss man sich nicht mehr trennen. Ist ein Neuanfang nicht viel schwieriger?

Wenn man sich auf das Alter einstellt, ist es schon schön, eine vertraute Person an seiner Seite zu haben. Klar steht bei einer neuen Partnerschaft am Anfang die Verliebtheit, aber jeder hat seine eigene Geschichte, mit der der andere nichts zu tun hat. Dabei ist Vertrautheit gerade in höherem Alter sehr hilfreich – für emotionalen Halt, aber auch ganz brutal körperlich, wenn einer von beiden krank wird.

Das ist unwahrscheinlich. Wenn man sich nach so langer Zeit offiziell und ernsthaft trennt, dann wird man kaum wieder zusammenkommen.

In sozialen Medien erlebt man nach der Trennung der Gottschalks neben den üblichen Witzen auch Traurigkeit, dass eine Ehe, die immer als glücklich galt, zu Ende geht. Warum ist das so?

Weil es zwei Sehnsüchte gibt, die die Menschen ein Leben lang begleiten: die Sehnsucht nach Autonomie und Freiheit – und die Sehnsucht nach einer festen, klaren, liebevollen Bindung, die von Dauer ist. Kein Mensch will allein und einsam sein. Daher können wir uns da gut einfühlen. Wir möchten nicht, dass lange währende Beziehungen zerbrechen.

Ich werde immer wieder danach gefragt und habe dazu auch das Buch „Liebe auf Dauer“ geschrieben. Damit eine Beziehung dauerhaft befriedigend ist, muss die Liebe lebendig bleiben. Das heißt nicht unbedingt viel Sex. Es geht darum, dass Mann und Frau sich austauschen, schöne Sachen unternehmen und sich nicht von den Kindern auffressen lassen.

Zur Person: Hans Jellouschek

Hans Jellouschek, Jahrgang 1939, ist Theologe, Psychotherapeut und Paarberater. Mit seiner Frau hat er eine eigene Praxis in der Nähe von Stuttgart. Er ist Autor zahlreicher Ratgeber zum Thema Liebe und Partnerschaft.

… ist es nicht. Oft ist im Alltag so viel zu tun, dass man das vergisst. Man muss sich ausdrücklich Zeit füreinander nehmen. Ich rede immer von Paarinseln im Strom des Alltags der Beziehung: ein Mal pro Woche zu zweit ausgehen und sich hin und wieder Zeit und Raum nehmen für ungestörte Intimität – eventuell auch auswärts in einem Hotelzimmer.