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Isolierte Familie in Ruinerwold67-Jähriger Vater wollte vermutlich Sekte errichten

Lesezeit 4 Minuten
Bauernhof Ruinerwold

Eine Drohnenaufnahme zeigt den abgelegenen Hof im niederländischen Ruinerwold.

Amsterdam – Im mysteriösen Fall um die isolierte Familie auf einem Bauernhof in den Niederlanden konzentrieren sich die Ermittlungen nun auf das Motiv. Vieles weist daraufhin, dass der festgenommene 67-Jährige Vater eine sektenähnliche Gemeinschaft errichten wollte. Fünf seiner nun erwachsenen Kinder waren nach Aussagen der Polizei bei der Verhaftung dabei und hätten „sehr heftig reagiert.“ Sie sollen den Vater nach einem Schlaganfall vor einigen Jahren versorgt haben. 

Er werde der Freiheitsberaubung, Misshandlung und Geldwäsche verdächtigt, teilte die Polizei am Donnerstagabend in Assen in der ost-niederländischen Provinz Drenthe mit. Der 58-Jährige Josef B. aus Österreich ist ebenfalls in Haft. 

Sohn hatte in einer Dorfkneipe um Hilfe gebeten

Er ist der Mieter des Bauernhofes in dem Dorf Ruinerwold, in dem Anfang der Woche der Vater und sechs jetzt erwachsene Kinder entdeckt worden waren. Sie sollen dort neun Jahre lang isoliert von der Außenwelt in einem abschließbaren Raum gehaust haben. Josef B. hatte den Hof gemietet, wohnte aber dort wahrscheinlich nicht. Er hatte die Familie versorgt. 

Am Donnerstag hatte es deutliche Hinweise gegeben, dass zumindest der jetzt festgenommene Vater der Familie Mitglied einer Sekte gewesen war. Ein Sprecher der sogenannten Vereinigungskirche des Koreaners Moon hatte bestätigt, dass der Mann einige Zeit Mitglied gewesen sei. Ein Sohn, ein 25 Jahre alter junger Mann, hatte Anfang der Woche in der Dorfkneipe um Hilfe gebeten und dadurch die Sache ins Rollen gebracht.

Gruppe soll „auf das Ende der Zeit“ gewartet haben

Bisher gibt es nur wenige Informationen über das Leben auf dem Hof. Die Familie hat neun Jahre lang in einem „abschließbaren Raum“ gewohnt, der in kleine Kämmerchen aufgeteilt war. Der Raum war hinter einem Schrank verborgen. „Der abgeschlossene Raum war deutlich gedacht, um die Außenwelt draußen zu halten“, sagte die stellvertretende Polizeichefin in Drenthe, Janny Knol, im niederländischen Fernsehen. Die Polizei geht davon aus, dass die Mutter der Familie schon 2004 gestorben ist.

Warum die Menschen dort so isoliert wohnten, ist unbekannt. Sie sollen auf „das Ende der Zeiten“ gewartet haben, berichten niederländische Medien. Die Ermittler wollten diese Darstellung zunächst nicht bestätigen. Es gebe noch sehr viele offene Fragen, sagte der Bürgermeister. Es ist nicht bekannt, in welchem Verhältnis der Mann zu den Kindern steht. 

Die vier Mädchen und zwei Jungen waren zwar ab und zu im Garten, aber haben nie das Gelände verlassen. Auch wenn sie nie zur Schule gegangen sind, können sie lesen und schreiben und sprechen Niederländisch. Der Kontakt zu ihnen sei aber nicht einfach, sagte die Polizeichefin. „Dass sie nicht unbedingt dasselbe Verhalten zeigen wie wir ist deutlich.“ 

Vater war in den 80er Jahren Mitglied einer Sekte

Der Bauernhof im 4000-Seelen-Dorf Ruinerwold liegt versteckt hinter Hecken und hohen Bäumen. Auf Drohnen-Fotos ist ein Garten mit Gemüsebeeten und bunten Blumen zu sehen. Es gibt ein Gewächshaus und Tiere. Das isolierte Leben in der Natur und die Selbstversorgung mit eigenem Gemüse passt zu Ideen, die Vater Gerrit Jan van D. schon vor Jahren geäußert haben soll.

Er gehörte in den 80er Jahren der Vereinigungskirche des Koreaners Moon an. Die Sekte habe er dann verlassen, sagte der Generalsekretär der Vereinigungskirche, Wim Koetsier. „Gerrit verließ die Bewegung 1987 und begann, soweit wir wissen, seine eigene Gruppe.“ 

Wirt hatte die Polizei alarmiert

Der Wirt der Dorfkneipe hatte die Polizei am Montag alarmiert. Bei ihm war ein fremder junger Mann in der Wirtsstube aufgetaucht. Er war total verwirrt, wie der Wirt dem TV-Sender RTV Drenthe sagte. „Er sagte, dass er weggelaufen war und Hilfe brauchte.“ Der 25-Jährige habe auch geschildert, dass er neun Jahre lang nicht draußen gewesen sei. Daraufhin hatte der Gastwirt die Polizei eingeschaltet.

Drei weitere Kinder sollen geflohen sein

Über die genauen Lebensumstände und den Gesundheitszustand der Gruppe wollte die Polizei vorerst keine Angaben machen. Die Untersuchungen seien noch in vollem Gange. „Alle Szenarien sind noch offen“, sagte eine Sprecherin. Der 58-Jährige sei festgenommen worden, „weil er nicht an unserer Untersuchung mitarbeitete“.

Niederländische Medien berichten, dass die Polizei hinter einem Schrank im Wohnzimmer eine Treppe entdeckt hatte, die in den Keller führte. Dort hätten der Mann und die jungen Leute gehaust.

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Dorfbewohner sind geschockt. Sie sagten Reportern, dass sie bei dem Hof immer nur einen Mann gesehen hatten. Von einer Gruppe hätten sie nichts gewusst. Der Hof liegt versteckt hinter Bäumen und etwa 200 Meter vom Rande des Dorfes entfernt.

Und es gibt noch drei weitere ältere Kinder, die bereits vor einigen Jahren geflohen sein sollen. Das sagen andere Verwandte, und das bestätigt auch die Polizei. Doch bislang haben die sich noch nicht zu Wort gemeldet. (dpa) 

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