PortraitSafeta Obhodjas

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Safeta Obhodjas, 63, floh 1993 vor dem Krieg in Bosnien nach Deutschland. Sie ist Schriftstellerin und lebt in Wuppertal.

Safeta Obhodjas, 63, floh 1993 vor dem Krieg in Bosnien nach Deutschland. Sie ist Schriftstellerin und lebt in Wuppertal.

Es ist schon merkwürdig, wie immer ein anderer Blick auf Einwanderer Konjunktur hat. Vor ein paar Jahren wollte man von mir lesen, warum die Integration vor allem von Muslimen häufig scheitert. Heute sucht man positive Beispiele. Aber damit tue ich mich schwer. Als Schriftstellerin befasse ich mich zwar mit Problemen, über die man lieber schweigt. Meine Werke aber passen in keine politische Schublade.

In Bosnien war mein Thema der Feminismus. Offiziell waren Frauen gleichberechtigt, aber die Realität sah anders aus, gerade in muslimischen Familien. Dann kam der Nationalismus. Und plötzlich war meine Familie Freiwild, weil auch wir Muslime waren. 1993 flohen wir nach Wuppertal. Kurz darauf starben beim Brandanschlag in Solingen fünf türkische Frauen. Ich dachte: Schon wieder dieser Hass! Wie können wir hier bleiben? Damals war ich 40 Jahre alt, ich sprach Englisch, aber kein Deutsch. Ich habe Volkshochschulkurse belegt und viel selbst gelernt. Nach fünf Jahren habe ich den ersten Text auf Deutsch veröffentlicht. Möglich war das durch die Hilfe meiner deutschen Freunde – Menschen, die ich durch ihr Engagement für Flüchtlinge kennengelernt habe und die mich bis heute unterstützen. Ohne sie hätte ich es nicht geschafft, hier vom Schreiben zu leben. Und ich darf nur bleiben, weil ich Autorin bin. Meine Tochter, die hier als Maschinenbauingenieurin gearbeitet hat, wurde 2000 ausgewiesen. Sie ist dann in die USA ausgewandert.

Ich arbeite auch an Schulen. Gerade inszeniere ich eines meiner Theaterstücke an der Gesamtschule Barmen – über die Frage, warum Integration in manchen Familien so schwierig ist. Denn das macht mich verrückt: Ich sehe in muslimischen Familien hier die gleichen Muster, gegen die ich schon in Bosnien angeschrieben habe. Dabei sind gerade die Frauen wichtig für die Integration, weil sie die Kultur in den Familien prägen. Der Schlüssel ist aber die Sprache. Flüchtlinge sind meist jung – man sollte sie zwingen, Deutsch zu lernen. Sonst finden sie nie Zugang zur Kultur dieses Landes.

Aufgezeichnet von Silke Offergeld

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