Proteste gegen AktionRussland macht vor der WM Jagd auf streunende Hunde

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Straßenhunde in Murmansk

Moskau – Das Plansoll ist grausam: 4500 streunende Hunde sollen in Jekatinenburg in diesem Jahr eingefangen werden, 4050 von ihnen sterben. „Laut Plan werden die Hunde zehn Tage in Quarantäne gehalten, zehn Prozent gesunder und gutmütiger Tiere ausgesondert, die übrigen 90 Prozent eingeschläfert“, berichtet Anna Waiman, Leiterin der Tierschutzstiftung „Soosaschtschita“.

„Die zehn Prozent werden sterilisiert und gegen Tollwut geimpft, bekommen noch 20 Tage Gnadenfrist, wenn sie danach niemand aufgenommen hat, tötet man sie auch“, beklagt sie.     Die Stadtverwaltung reagiert ungerührt: „Unsere Priorität ist die Sicherheit und Gesundheit der Bürger“, sagte der Jekaterinburger Rathaussprecher Anatoli Karmanow der BBC: „Weil auch sterilisierte Hunde keine Streichelhündchen werden.“

In Russland herrscht Hundekrieg – und das scheint mit der Fußball-WM, die im Juni beginnt, zusammenzuhängen. Offenbar wird sie von vielen als Vorwand benutzt, um die streunenden Tiere endlich loszuwerden. Denn die Meldungen über  die Jagd auf  Hunde häufen sich.  „Der Fußball wird gegen Hunde geschützt“, titelt die Zeitung „Kommersant“. Streunende Hunde gehören vor allem in der russischen Provinz zum Stadtbild. Sie leben meist in Rudeln in Parks, in der Umgebung von Bahnhöfen oder Märkten, ernähren sich von Abfällen und Futteralmosen. Ihre genaue Zahl ist unbekannt, Zoologen schätzen, es gäbe im Land etwa 400.000 Streuner.

Die Tiere sind fast ausschließlich Promenadenmischungen, erreichen oft die Größe von Schäferhunden, sind in der Regel friedfertig, können Menschen aber gefährlich werden, etwa Joggern oder Skilangläufern.   Nach Angaben des Zentrums für Tierschutz kamen in Russland in den vergangenen elf Jahren 391 Menschen  durch Hunde zu Tode, allein 2017 zwölf durch wilde Hunde.

Sterilisieren und Impfen ist zu teuer

Aber auch in Russland stellen Haushunde eine größere Gefahr als wildlebende dar, laut der Zeitung „Versija“ fallen in Moskau jährlich 30 000 Hunde Menschen an, drei Viertel davon ihre eigenen Halter oder deren Familienmitglieder.

Eigentlich ist die Tötung von Hunden auch in Russland inzwischen verpönt. In Sankt Petersburg, in Kaliningrad, Nischni Nowgorod oder Rostow am Don behandeln die Kommunalverwaltungen streunende Hunde nach dem Prinzip: „Fangen, sterilisieren, impfen, freilassen“. Aber tatsächlich scheint Massentötung viel häufiger praktiziert zu werden, als die viel kostspieligere medizinische Versorgung der Hunde.  Die Fußball-WM ist  da ein willkommener Anlass – auch in Städten, in denen die WM gar nicht stattfindet. 

Das Sportministerium hat die WM-Austragungsstädte inzwischen angewiesen, milde gegen die Streuner vorzugehen – möglicherweise, um  bei den internationalen Gästen einen guten Eindruck zu machen. 

Dazu sollen eigens neue Tierheime eingerichtet werden, ein Auftrag, bei dem sich auch wieder viel Geld verdienen lässt. Vizepremier Witali Mutko, nicht erst seit dem Dopingskandal von Sotschi als Schlitzohr bekannt, hat schon vorgerechnet,  dass in den WM-Städten insgesamt zwei Millionen Streuner zu versorgen seien. Das sind drei- bis viermal soviel herrenlose Hunde, wie nach Schätzung von Experten in ganz Russland unterwegs sind.

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