Sportprofessor im InterviewIngo Froböse erklärt Götzes Stoffwechselstörung

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Bei Mario Götze wird eine Stoffwechselstörung vermutet.

Köln – Prof. Froböse,bei Mario Götze, Ausnahme-Fußballer beim BVB Dortmund, wird vermutet, er leide unter einer Stoffwechselstörung. Was genau ist das?

Fangen wir beim Stoffwechsel an. Er sorgt dafür, dass alle Zellen mit Energie, Nähr- und Vitalstoffen versorgt werden, und dass die Reststoffe und das, was die Zellen nicht brauchen, auch wieder entsorgt wird.

Wie läuft das ab?

Das System muss auf unterschiedlichen Ebenen funktionieren und folglich sprechen wir bei den drei bekanntesten Phänomenen von einer Stoffwechselstörungen.

Die erste der drei Ursachen?

Das Verbrennungssystem in den Zellen. Wenn es da hapert, sprechen wir von einer Stoffwechselstörung, die gemeinhin Diabetes Typ 2 heißt. Das heißt, der Zucker wird nicht richtig verarbeitet, die Zellen haben eine Resistenz gegen das Hormon Insulin entwickelt.

Ursache zwei?

Die Fettstoffwechselstörung, also all das, was wir unter zu hohen Cholesterinwerten verstehen. Diese Störung ist gefährlich, weil sie Ablagerungen an den Blutgefäßen produziert, die ein Blutgefäß verschließen und somit einen Herzinfarkt oder Schlaganfall verursachen können.

Ursache drei?

Schilddrüsenerkrankungen. Die Schilddrüse ist das Gaspedal des Stoffwechsels. Dort werden Hormone ausgeschüttet, die den Stoffwechsel aktivieren – oder eben nicht. Zum Beispiel Hashimoto, eine chronische Erkrankung der Schilddrüse, die letztlich zur Schilddrüsenunterfunktion führt, also einem Mangel an Schilddrüsen-Hormonen. Bei einer Unterfunktion können wir unter anderem keine Leistung mehr bringen.

Schüttet die Schilddrüse zu viele Hormone aus, also eine Überfunktion, ist man hibbelig und überaktiv.

Stoffwechselschwäche oder Stoffwechselstörung – was ist schlimmer?

Von Schwäche spricht man, wenn man sich noch nicht im Klaren ist über die Ursachen, wenn man erste Symptome meint zu erkennen, aber noch keine nachhaltigen Probleme festmachen kann.

Wie verhält es sich bei Mario Götze?

Er hat wohl Leistungseinschränkungen, scheinbar Gewichtsprobleme und damit Probleme im Reparatursystem des Stoffwechsels. Eventuell also auch eine Schilddrüsenunterfunktion, wenn alle zentralen Prozesse nicht mehr optimal laufen.

Bringen Stoffwechselstörungen auch Muskelschwäche mit sich?

Tagsüber sorgt der Stoffwechsel dafür, dass wir genügend Energie bekommen, um leistungsfähig zu sein. Der Stoffwechsel in der Nacht repariert. Wenn dieser nächtliche Stoffwechsel nicht klappt, kann ich beispielsweise als Sportler tagsüber keine Muskeln aufbauen, auch wenn ich noch so ausgiebig trainiere.

Wie lässt sich der Stoffwechsel optimieren?

Zuerst einmal, indem ich untersuchen lasse, ob die Schilddrüse gut arbeitet und die Hormonausschüttung stimmt. Zusätzlich unterstütze ich den Stoffwechsel noch mit meinem Lebensstil, also Bewegung und Ernährung.

Warum bewegen?

Weil Muskeln der wichtigste und größte Motor für unseren Stoffwechsel sind. Wer nicht genügend Muskeln hat, dem fehlt dieser Motor.

Was bewirkt der Muskelmotor?

Dass ich zum Beispiel der Schilddrüse bei Unterfunktion das Signal geben kann, aktiv zu sein. Der Stoffwechsel kann bei einer nicht optimal funktionierenden Schilddrüse einen sehr positiven Einfluss haben und Defizite kompensieren.

Was kann ein Stoffwechsel noch, wenn der Muskelmotor ihn aktiviert?

Dass die Myokine (hormonähnliche Botenstoffe, Anm. d. Red.) die kleinen Kraftwerke in unseren Zellen stimulieren und alle inneren Organe aktivieren – Myokine sind Überredungskünstler!

Mario Götze soll auch an Muskelschwäche leiden. Ihm kann man aber zu wenig Bewegung nicht nachsagen.

Bei Mario Götze fällt schon auf, dass er etwas moppelig geworden ist, nicht mehr so athletisch, wie er einmal war. Und auch antriebsarm. Er brennt nicht mehr, wie ein Fußballer brennen muss. Man hat den Eindruck, dass er in eine Lethargie verfallen ist, da spielt natürlich auch die Psyche eine große Rolle. All das zeigt, dass der Stoffwechsel nicht mehr so lodert wie früher, aber es scheint auch, dass hier psychische Probleme vorliegen könnten.

Kann das auch uns ganz normalen Menschen passieren?

Ja, mit eben diesen Anzeichen wie Lethargie und schwabbeligen Konturen. Das weist meist darauf hin, dass Stoffwechsel und Verarbeitung nicht mehr einwandfrei funktionieren.

Stoffwechselstörungen können in jedem Alter auftreten

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Ingo Froböse ist Stoffwechsel-Experte und erklärt Götzes Fall.

Kann mich eine Stoffwechselstörung in egal welchem Alter erwischen?

Ja - vor allem Frauen. Auch Umwelt- und Nahrungsgifte spielen eine Rolle, beispielsweise wenn ich in der Kindheit zu viel Zucker bekommen habe. Durch solche Einflüsse verändert sich der Stoffwechsel schon frühzeitig.

Kann ich meinen defekten Stoffwechsel wieder in Ordnung bringen?

Schwierig, aber ich kann ihn zumindest auf den richtigen Weg bringen. Das dauert aber acht bis zwölf Monate, indem ich unter anderem mit Ausdauertraining meinen Zellen mehr Kraftwerke, Mitochondrien, einverleibe. Dieser Zeitaufwand lohnt sich. Das sage ich auch immer Übergewichtigen, dass es absolut etwas bringt, wenn sie durchhalten.

Welche Möglichkeiten habe ich sonst noch?

Erst mal zu einem Endokrinologen, als einem Hormon-Experten gehen, und die Schilddrüse untersuchen lassen. Dann Muskelmasse aufbauen mit Ausdauer und Krafttraining – und zwar moderat. Und mich natürlich gesund ernähren.

Was lässt unseren Stoffwechsel erlahmen?

Unser Alltag. Das Grundproblem ist, dass der Stoffwechsel im Alltag deaktiviert wird, und zwar acht bis zehn Stunden lang. Ich muss aber immer mal wieder die Herz- und Atemfrequenz hoch bringen, damit die Zellen besser versorgt werden.

Kann ich den Stoffwechsel auch überreizen?

Eher nicht. Der Stoffwechsel kann sich wunderbar anpassen.

Bringt Stress meinen Stoffwechsel aus dem Takt?

Ja, weil dadurch die hormonelle Versorgung gestört wird. Weil durch Stress viel Zucker ausgeschüttet wird, den wir in Stress-Situationen brauchen, weil uns das die nötige Energie verschafft, um zu reagieren. Stress regiert also negativ in unseren Stoffwechsel rein.

Wie lange dauert es, bis ich meinen Stoffwechsel nachhaltig ruiniert habe?

Das ist ein schleichender Prozess und dauert schon ein paar Jährchen.

Hat dieser schleichende Prozess Merkmale?

Haarausfall, Nagelbrüche, Leistungseinbußen, Müdigkeit und auch Pigmentveränderungen auf der Haut. Wenn keine gute Entsorgung im Organismus stattfindet, müssen die Stoffe ja irgendwo im Gewebe abgelagert werden. Das kennt man als Altersflecken. Die haben aber relativ wenig mit dem Alter zu tun, sondern viel mehr mit dem nicht mehr optimalen Verarbeitungsprozess des Stoffwechsels.

Prof. Dr. Ingo Froböse ist Leiter des „Zentrum für Gesundheit“ an der Deutschen Sporthochschule Köln und unter anderem Autor des Buchs „Das Turbo-Stoffwechsel-Prinzip“

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