Sträter zu Verschwörungstheorien„Dass Naidoo in eine Kamera weint, berührt mich“

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Der Kabarettist Torsten Sträter erzählt von Verschwörungstheoretikern unserer Zeit.

Der Kabarettist Torsten Sträter erzählt von Verschwörungstheoretikern unserer Zeit.

  • Mit absurden Verschwörungstheorien kennt Torsten Sträter sich aus.
  • Seine Rolle als Erich Honecker, der gar nicht tot ist sondern nach Jahren in einer Dortmunder Tiefgarage die Corona-Pandemie im DDR-Style ausgelöst hat, nahmen viele ihm ab.
  • Im Interview erzählt Sträter, warum Xavier Naidoos Irrglaube an unterirdische Bunker ihm nahe geht, warum Verschwörungstheorien so gut ankommen – und wie er auf Kritik an seinem Freund Dieter Nuhr reagiert.

Herr Sträter, die Kollegen des RND haben zu einem Artikel über Verschwörungstheorien versehentlich ein Foto von Ihnen herausgesucht. Wie können Sie es wagen, einen Verschwörungstheoretiker zu spielen und dabei nicht Ihre markante Mütze zu tragen? Torsten Sträter: Ich trage bei meinen Auftritten in der Satiresendung „Extra3“ nie meine Mütze. Das hat sich da so eingebürgert.

Viele haben Ihnen die Rolle abgenommen und tatsächlich geglaubt, Erich Honecker sei nicht tot und habe nach Jahren in einer Dortmunder Tiefgarage die Corona-Pandemie im DDR-Style ausgelöst – mit leeren Regalen und fehlendem Klopapier.

Man hat mir auch die Rolle als Pressesprecher von Annegret Kramp-Karrenbauer abgenommen und mich anschließend angerufen und gefragt, ob ich nicht ein Interview mit AKK vermitteln könnte. Eigentlich gebe ich mir große Mühe, totale Scheiße mit Ansage zu machen. Die Menschen lieben eben Verschwörungstheorien.

Wie sind Sie auf die Nummer mit Erich Honecker gekommen?

Ich wollte unbedingt etwas zu Verschwörungstheorien machen, habe mir dieses Sakko im James-Bond-Look genäht, meinen ohnehin kahlen Schädel noch kahler rasiert und die absurdeste Verschwörungstheorie gemacht, die man sich denken kann, Honecker sei Schuld und wir marschieren mit Opel Vectras in die Schweiz ein. Das war offensichtlich immer noch nicht krude genug, als dass es nicht immer noch Leute gab, die dachten, das würde stimmen. Noch weiter herholen kann ich's nicht.

Wo holen Sie sich Ihre Ideen her?

Ich habe viele schwachsinnige Ideen. Ich überlege, was hat sich wieder verändert. Ich mache gerade etwas zur Maskenpflicht. Niemand hat uns gesagt, wo wir die Masken herkriegen. Dann bindest du dir einen Schal um die Birne. Das wird noch sehr interessant, wenn wir 28 Grad kriegen. Die einen sagen ja, die anderen sagen nein, Xavier Naidoo sagt ganz was anderes.

Xavier Naidoo und der Glaube an unterirdische Bunker

Wie kommen Sie jetzt auf Xavier Naidoo?

Ich verfolge mit Interesse, was der so macht. Ich bin einigermaßen erschüttert. Der Kern einer Verschwörungstheorie besteht ja eigentlich darin, dass man an irgendeinem Punkt überprüfbare Fakten haben müsste, mit denen du eine absurde Geschichte aufbauen kannst. Bill Gates hat zum Beispiel Labore in China. Dann sag ich, okay, Bill Gates hat Labore in China. Jetzt könnte man darauf eine gute Story aufbauen.

Und bei Naidoo?

Da ist einfach bizarr zu behaupten, dass die sogenannten Eliten dieser Welt in unterirdischen Höhlen und Katakomben Kinder hinrichten, um ein spezielles Lebenselexier zu brauen. Ich habe mich da echt eingelesen. Es gibt wahnsinnig viel Literatur dazu. Und das alles unwidersprochen. Da findet man dann auch ein Bild von einem schlecht gealterten Ex-Präsidenten Clinton mit dem Hinweis, dass man eben nicht gut altert, wenn man dieses Gebräu nicht trinkt. Aber jetzt sei endlich ein Schiff im Hafen von New York, dass die Kinder gerettet habe, und Donald Trump sei der Held. Er habe eine pinkfarbene Krawatte auf einer Pressekonferenz im Januar getragen. Und das sei für alle Eingeweihten das Zeichen gewesen. Und dann sehe ich Xavier Naidoo. Und der weint in eine Kamera hinein, weil er sich freut, dass die Kinder befreit werden. Das berührt mich dann doch. Da kann ich gar nichts gegen machen. Leider bilden Verschwörungstheorien auch den Hintergrund für Attentate wie das in Halle. Das ist überhaupt nicht lustig. Im Internet finden diese Leute immer wieder eine Gruppe, die ihnen den Mist bestätigt. Die sagen dann, wow, du hast es geblickt und die anderen Schafe nicht.

Warum haben Verschwörungstheorien in diesen Zeiten so einen wahnsinnigen Zulauf?

Erstens ist es interessant. Zweitens fühlt man sich den Leuten gegenüber, die angeblich nicht informiert sind, überlegen. Zum dritten ist das exzellent, um innerhalb seiner Blase Freunde zu finden. Es gibt ein ganzes Hörbuch darüber, dass 9/11 gar nicht stattgefunden hat und vom Militär inszeniert war. Das Ding war pseudoschlüssig aufgebaut. Du hast keine Beweise, aber wenn du glaubst, dass es stimmt, war das eine kausale Kette. So kann man dann auch behaupten, dass es Fukushima nicht gab, sondern dass es Godzilla war, weil es ja eine mondlose Nacht war. Also hast du eine Vermutung, in der dich andere so lange bestärken, bis du irgendwann in deiner Weltsicht recht hast.

Gleichzeitig sehen wir einen US-Präsidenten, der empfiehlt, Desinfektionsmittel auf ihren Nutzen gegen Corona zu überprüfen. Ist Trump ein Irrer? Ein Verschwörungstheoretiker? Der Godfather of Fake News?

Man muss immer aufpassen, dass die Rednecks im mittleren Westen die Tipps von Trump nicht für bare Münze nehmen. Manche machen das dann. Hat nicht so gut funktioniert dieser Tage. Ich habe alle Bücher über Trump gelesen. Es gibt auch die, die er autorisiert hat. Meiner Auffassung nach, ich bin kein Psychologe, ist Trump vor allem ein Narzisst, der große Probleme damit hat, Unrecht zu haben. Das macht es ihm unmöglich zu sagen: Oh, da habe ich aber Kacke geredet. Seine Experten haben inzwischen die Segel gestrichen.

In Ihren Programmen spinnen Sie eine Assoziation an die nächste. Das könnte man auch als Verbreitung alternativer Fakten betrachten.

Ja, es sind halt die absurden Grundannahmen. Es ist der Verschwörungstheorie nicht unähnlich, wenn ich mal davon ausgehe, dass ein Hütehund dafür verantwortlich ist, auf Hüte aufzupassen und nicht etwas zu hüten. Wenn ich dieser Grundannahme konsequent folge, kommt dann Unsinn dabei raus. Man muss sich nur eben irgendwann wieder aus dieser Grundannahme lösen.

Sie treten regelmäßig bei Dieter Nuhr auf, dem man nach seiner Kritik an Greta vorwirft, in die rechte Ecke abgedriftet zu sein. Wie gehen Sie damit um?

Natürlich werde ich da dann auch mit reingeworfen. Viele schreiben dann: Wie kannst du nur in einer Sendung von Dieter Nuhr auftreten! Distanziere dich! Ich distanziere mich von Kim Jong-un, falls einer fragt. Mit Dieter Nuhr bin ich gut befreundet. Die Leute mögen das bitte mir überlassen.

Wir sind nicht immer einer Meinung, aber es ist absurd, ihn in eine neurechte Ecke zu stellen. Ich stehe da kopfschüttelnd davor. Der Dieter ist so ein bisschen wie ein Bollwerk der absoluten Sachlichkeit. Natürlich spottet er primär, ist aber auch selbstkritisch. Das passt einigen Leuten nicht. Er zeigt immer eine Seite mehr von der Medaille. Und auch das haben manche Leute nicht gern.

Welche Kritik tut Ihnen persönlich weh?

Ich würde gern sagen: Kritik macht mir nichts aus. Das ist aber Quatsch. Ich möchte gerne gemocht werden für das, was ich tue. Man muss aber aufpassen, dass ich nicht immer nur das mache, weil ich weiß, dass ich dafür gemocht werde. Ich mache das, was mich interessiert und nicht das, was die Kanzlerin mir vorgibt. Das ist ja auch so eine Verschwörungstheorie, dass uns Merkel ein Briefing schickt, was wir bitte zu sagen haben als Kabarettisten. Das gilt ja auch für die sogenannte gleichgeschaltete Systempresse. Ich glaube aber trotzdem, dass Xavier Naidoo es schwer hätte, jetzt noch einen Daily Talk zu bekommen. Uns schreibt niemand etwas vor. Wir sagen, was wir wollen. Und fertig.

Was regt Sie zurzeit besonders auf?

Gerade eben habe ich wieder mit Menschen auf YouTube diskutiert, weil ich dagegen bin, die Schulen zu öffnen. Die Leute können ihre Kinder ja gerne schicken, so experimentell, um mal zu gucken, ob sie die Maul- und Klauenseuche zu Oma nach Hause bringen, oder wie guter Unterricht funktioniert, wenn alle vermummt sind. Ohne Mimik. Schön mit Abstand. Lange vor der Pandemie hätten sich verantwortungsvolle Lehrer und Behörden Gedanken darüber machen müssen, wie man guten digitalen Unterricht gestaltet. Stattdessen habe ich auch schon mal eine Lehrerin gehört, die zu ihren Schülern gesagt hat: Guck doch mal Netflix, die Serie ist gut. Die Regierung gibt armen Familien einmalig 150 Euro, um sich digital anzuschließen. Das ist mit das Lächerlichste, was ich je gehört habe.

Wie reagieren Sie darauf, wenn die Leute nicht merken, dass Ihre Geschichten nett gemeinter Blödsinn sind? Wenn man Sie wirklich für einen Verschwörungstheoretiker hält und mit Ihrem Foto versehentlich Artikel über Verschwörungstheorien garniert?

Ich trage das mit Humor. Mir ist nur wichtig, dass man mich nicht wirklich für einen Verschwörungstheoretiker hält. Und wenn von mir eine Verschwörungstheorie kommt, soll bitte erkannt werden, dass es Satire ist. Mir macht das Angst, wenn die Leute zu mir kommen und sagen: Ja, ich glaube auch, dass der Honecker dafür verantwortlich ist. Das ist schwierig für mich. Beim Deutschen Comedy-Preis hat man schon mal unter ein Foto des Komikers Dave Davis den Namen Torsten Sträter gesetzt. So was mag ich. Aber bitte drucken Sie jetzt nicht unter ein Bild von mir zu diesem Artikel den Namen Erich Honecker.

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