Streit ums KiffenSollte Cannabis legalisiert werden?

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Kiffen

Sollte der Konsum von Cannabis erlaubt werden?

Zunächst einmal, egal wie man zu Cannabis stehen mag: Das Rauschmittel ist laut Forschungen nicht gesundheitsschädigender als Alkohol oder Nikotin. Aber natürlich birgt eine Freigabe auch Risiken. Es ist schlimm, nahezu unerträglich, wenn einige wenige junge Menschen durch den Genuss sogar in eine Psychose getrieben werden. Aber das werden sie leider auch schon jetzt. Vor allem wohl durch gepanschte und hochgezüchtete Haschisch-Sorten, mit denen die kriminellen Banden die Konzentrationen von berauschendem THC oder anderen Cannabinoiden in abenteuerliche Höhen treiben. Gefährliches Zeugs, das oft auch noch mit Blei und diversen Chemikalien gestreckt wird. Und es ist doch nur noch eine Frage der Zeit, bis der Stoff wie in anderen Ländern mit Heroin vermengt wird.

Da ist ein staatlich kontrollierter Verkauf mit verträglichen Qualitäten eine erfolgsversprechende Gegenstrategie. Ob das Haschisch dann in der Apotheke angeboten wird, wie die FDP vorschlägt, oder in lizensierten Läden, wie es im Programm der Grünen steht, ist letztlich egal. Wichtig ist, dass diese Drogen zumindest sauber sind. Und eine professionelle Beratung bis hin zur Vermittlung in Präventivprojekte wäre in den Abgabestellen auch noch gesichert. 

Alternative: Dreiste Dealer

Die Alternative jedenfalls ist gruselig. Am Kölner Neumarkt beispielsweise benehmen sich die Dealer, als ob sie hier zuhause wären. Abenteuerlich verschnittenes Zeugs wird mit einer Dreistigkeit verkauft, die selbst die Polizei frustriert.  Es ist doch längst traurige Gewissheit, dass die zwangsläufig überforderten Ermittler das Problem nicht lösen können. 

Alles zum Thema Karl Lauterbach

Ein Weiter-so in der Drogenpolitik ist naiv. Wir müssen uns endlich bewegen. Müssen anerkennen, dass wir der Eskalation sonst hilflos gegenüber stehen. Ohne ganzheitliche Konzepte wird es nicht gehen. Und die werden über kurz oder lang bei der Cannabis-Freigabe noch lange nicht enden. An etwa zwei Dutzend Abgabestellen werden Drogensüchtige in Deutschland in speziellen Programmen staatlich kontrolliert mit reinem Heroin versorgt und psychosozial betreut. Zahlreiche der Betreuten haben dadurch zurück ins Leben gefunden. Denn längst ist klar: Wer reines Heroin konsumiert, kann uralt werden, nicht aber derjenige, der an gepanschten Straßenstoff gerät.

In Portugal hat man auch Kokain entkriminalisiert

In Portugal jedenfalls wurden Drogen schon vor zwanzig Jahren entkriminalisiert, selbst harte wie Heroin und Kokain. Bis zu einer bestimmten Menge ist der Besitz und Konsum eine Ordnungswidrigkeit, keine Straftat. Abhängige bekommen Hilfe statt Gefängnisstrafen. Der liberale Weg war ein Erfolg, melden Experten: Weniger Rauschmittel-Konsum, weniger Drogentote und weniger HIV-Infektionen. Gleichzeitig spare das System Geld ein, das etwa in Beratungszentren oder eine ausgedehnte Präventionsarbeit in Schulen investiert wurde.

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Wenn dann die unzähligen kleinen Ermittlungen wegfallen, hätte auch die überlastete deutsche Polizei und Justiz mehr Zeit, den großen Drogendeals nachzugehen – was dringend nötig wäre.

Beispiel Niederlande sollte nicht frustrieren

Auch das Beispiel der Niederlande, wo eine liberale Drogenpolitik in ein krachendes Desaster mit einem boomenden Schwarzmarkt und wild um sich schießenden Drogendealern und Auftragsmördern geschliddert ist, muss nicht frustrieren. Es sollte als eindrückliche Mahnung dienen, die kriminellen Banden parallel zur Liberalisierung nicht aus den Augen zu verlieren. Die Hoffnung, die Verbrecher würden klein beigeben, nur weil man ihnen einen Teil des Absatzmarktes nimmt, ist weltfremd. Und eine Unbedarftheit, die es in Deutschland niemals geben darf.

Detlef Schmalenberg ist Chefreporter und 59 Jahre alt. Vor Jahrzehnten hat er in Amsterdam ein paar Spacekekse probiert – mit mäßigem Vergnügen, soweit er sich erinnert.  Als Nichtraucher hat er nie gekifft.   

Wer die massiven psychischen Folgen erlebe, die durch den Konsum von Cannabis entstünden, sehe eine Legalisierung nicht so locker, hat der Kölner Psychiater Manfred Lütz vor wenigen Tagen im „Kölner Stadt-Anzeiger“ gesagt. Vier Jahrzehnte lang hat er viele junge Menschen mit Psychosen behandelt. Ich möchte ihm uneingeschränkt zustimmen – ebenfalls aus eigener Erfahrung.  Eine befreundete Familie ist vor rund 15 Jahren mit ihren minderjährigen Söhnen in die Niederlande gezogen, wo Kiffen bekanntlich legal ist.

Ein  Referenzland also für das, was in  Deutschland derzeit debattiert wird. Die Eltern stellten schnell und mit Entsetzen fest, dass schon die Schulkameraden ihrer erst elf und 13 Jahre alten Söhne kifften. Nach kurzer Zeit konsumierten beide Jungs ebenfalls. 

Familie zahlte hohen Preis

Diese Jungs sind heute erwachsen. Einer hat paranoide Schizophrenie, eine Krankheit, die häufig erst durch Cannabis-Konsum ausgelöst wird. Er wird sein Leben lang nicht arbeiten, lebt von Hartz-IV, führt den ganzen Tag Selbstgespräche und hat schwerste Wahnvorstellungen. Der zweite Sohn war als junger Erwachsener  über mehrere Jahre psychisch auffällig, hatte erhebliche Probleme, sein Leben auf die Reihe zu bekommen? Abitur? Studium? Reisen? Viel zu anstrengend. Die typische Kiffer-Mentalität. Diese Familie hat für Cannabis, das an jeder Ecke legalerhältlich ist, einen sehr hohen Preis bezahlt.

Ich weiß auch, dass es viele Menschen gibt, die ihr Leben lang nur ab und zu einen Joint auf einer Party rauchen und keine gesundheitlichen Folgen in Kauf nehmen müssen. Ich kenne aber auch etliche   – und zu viele   – Beispiele im Bekanntenkreis, in denen Cannabis zu vielen Problemen im Leben geführt hat. Ja, diese Menschen sind trotz des Verbots  abhängig geworden. Aber eine Legalisierung führt  fast unweigerlich dazu, dass vor allem Teenager potenziell früher und deutlich leichter in Kontakt mit Cannabis kommen als bisher. Einer Droge, die  in noch nicht ausgereiften Köpfen  besonders schwere psychische Schäden hervorrufen kann.

Alkohol ist das beste Beispiel: Auch was erlaubt ist, kann zum Problem werden

Die Annahme, dass eine Legalisierung den Reiz des Verbotenen schon abmildern wird, ist bestenfalls naiv:  Wir sehen ja, wie wunderbar das beim Alkohol klappt.  Cannabis deshalb zu legalisieren, weil man es nicht schafft, den kriminellen Verkäufern, die ihre Ware strecken, das Handwerk zu legen, ist  eher eine  Kapitulation als ein  Argument für die Freigabe.  

Karl Lauterbachs jüngste Erklärung, er sei nun doch für eine Freigabe, weil  Cannabis immer häufiger  mit Heroin gestreckt werde, fällt in diese Kategorie.  Das Bundeskriminalamt hatte  laut Recherchen der Tagesschau zu dieser Aussage übrigens keine Erkenntnisse vorliegen. 

Die Niederlande sind bestenfalls abschreckendes Beispiel

Unser Nachbarland kämpft seit Jahren mit immer enthemmter agierenden mafiösen, brutalen Drogenbanden, die auch vor der Ermordung von  Journalisten nicht zurückschrecken, wie der entsetzliche Fall von  Peter R. de Vries zeigt. Er wurde im Juli erschossen,  weil er im Drogen-Milieu recherchierte. Die Niederlande sind deshalb in Sachen Drogenpolitik vor allem eins: abschreckend.

Sarah Brasack (42), stellvertretende Chefredakteurin, hat auf  Partys  unterschiedliche Auswirkungen des  Cannabis- Konsums  bei anderen Gästen miterlebt: von Lachanfällen bis hin zu paranoiden Episoden, die im Krankenwagen endeten. 

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