TV-KlassikerDie ganze Wahrheit über die österreichische Kaiserin Sisi

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Sisi Bild

Sisi-Porträt von 1865

  • Vor mehr als 120 Jahren wurde die österreichische Kaiserin von einem Attentäter in Genf ermordet.
  • Die Faszination ist ungebrochen, nicht zuletzt wegen der Filme mit Romy Schneider.
  • Es gibt aber auch viele Gerüchte um ihre Person: Sie soll magersüchtig, eine schlechte Mutter und selbstverliebt gewesen sein.
  • Was davon stimmt?

Eigentlich hieß sie Sisi – mit nur einem S. Doch seit den Filmen mit Romy Schneider ist sie Sissi. Das Bild der österreichischen Kaiserin Elisabeth (1837-1898) ist von den Zuckerbäcker-Verfilmungen der 50er Jahre geprägt.

Die letzte Szene der Trilogie zeigt die Kaiserin, die in Venedig die Herzen der politische abgeneigten Einwohner gewinnt, als sie nach langer Trennung unter Tränen ihre kleine Tochter in die Arme schließt.

Sissi Filmbild

Szene aus den „Sissi“-Filmen der 50er Jahre

Was nach dem Abspann mit der Kaiserin passierte, ist weniger bekannt. Viele Legenden und Gerüchte ranken sich um Sisi – auch viele negative, die so gar nicht mit dem süßen Film-Bild zusammenpassen wollen: Sie sei eine schlechte Mutter gewesen, habe sich nur um ihre Schönheit gekümmert. Andererseits sei sie sehr gebildet und der erste adelige Superstar gewesen.

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Halbwahres und Falsches ist auch noch zu ihrem Todestag im Umlauf. Am 10. September 1898 wurde sie am Genfer See von einem Anarchisten ermordet.

Wie war das Leben von Sissi wirklich?

Die Ehe: Der Anfang war wohl tatsächlich so märchenhaft wie im Film. Die 15-jährige Herzogin in Bayern und der damals 22-jährige Kaiser Franz Joseph I. begegneten sich in Bad Ischl.

„Es war wirklich der große Knall“, ist sich die Kuratorin des Sisi-Museums in Wien, Olivia Lichtscheidl, sicher. Doch nach der Geburt von vier Kindern, Sisis Abneigung gegen die strenge Disziplin am Wiener Hof und der wenigen Zeit, die der extrem pflichtbewusste Kaiser für seine Frau hatte, trennten sich die Wege zusehends. Bis zuletzt behandelten sich beide aber mit Respekt.

SPORT: Sisi hatte überall, wo sie wohnte, Turngeräte aufstellen lassen. In Wien konnte sie sogar eine an einen heutigen Fitness-Club erinnernde Turnhalle nutzen. Am Reck machte sie Klimmzüge, an den Ringen einen Felgaufschwung.

Sie saß bis zu acht Stunden täglich im Sattel. Als sie zu sehr vom Rheuma geplagt wurde, machte sie stattdessen stundenlange Gewaltmärsche fast im Jogging-Tempo. Sie lernte das Fechten und schwamm gerne.

Sisi Kleid

Ein Kleid der Kaiserin, die stets eine Wespentaille hatte.

SCHÖNHEIT: Sie galt über drei Jahrzehnte als schönste Monarchin Europas. Die 1,72 Meter große und 50 Kilogramm leichte Elisabeth ließ sich ihr bis zum Boden reichendes Haar aufwendig pflegen. Das dauerte täglich zwei Stunden.

Ihre private Friseuse zauberte täglich die kunstvollsten Frisuren und kreierte auch in späteren Jahren die berühmte Zopfkrone. Alle 14 Tage ließ Sisi ihre Haarpracht mit einer Mixtur aus Eigelb und Cognac waschen.

Schminke und Parfüm lehnte sie ab. Sie liebte Olivenölbäder und ließ sich über Nacht verschiedenste Umschläge zur Straffung der Haut auflegen. Bis ins Alter hatte sie eine Wespen-Taille von 50 Zentimeter Umfang.

Sisi Polterabendkleid

Ballkleider der Kaiserin

Aus Eitelkeit ließ sie sich zuletzt mit Anfang 30 fotografieren, ein letztes Gemälde entstand mit 42 Jahren. Ihr Gesicht verbarg sie hinter Fächern.

ERNÄHRUNG: Die Behauptung, die Kaiserin sei magersüchtig gewesen, weist Museumschefin Lichtscheidl entschieden zurück. „Keine Magersüchtige hat so ein Haar.“

Vielmehr habe sich Sisi für ihre Zeit ungewöhnlich bewusst ernährt. Wichtig war ihr Milch. Strikte Regel: Nach 18 Uhr wurde nichts mehr gegessen.

WESEN: „Alles, was sie gern gemacht hat, war immer extrem“, meint Lichtscheidl. Dazu gehört der Sport, aber auch ihr Ehrgeiz zum Erlernen von Sprachen. Aus Begeisterung für die Antike lernte sie Alt- und Neu-Griechisch.

Aus Liebe zu Ungarn lernte sie die höchst schwierige Sprache so gut, dass sie jederzeit mit ihren dortigen Untertanen in deren Landessprache reden konnte.

FAMILIE: Sisi hatte drei Töchter – Sophie, Gisela und Marie Valerie – und einen Sohn – Kronprinz Rudolf. Die von ihren Eltern abgöttisch geliebte Sophie starb zweijährig auf einer Reise nach Ungarn.

Für Elisabeth war der Tod ihrer ältesten Tochter ein so großer Schock, dass sie die Kinder zur Erziehung ihrer Schwiegermutter übergab.

Kaiserappartements

Der große Salon der Kaiserin in der Wiener Hofburg

Trauer und Depression trieben sie zu ausgedehnten Reisen, die sie von ihren Kindern entfremdete. Der kleine Sohn Rudolf konnte sich kaum noch an seine Mutter erinnern, als er sie wiedersah.

Elisabeth kümmerte sich kaum noch um ihre Kinder. Allein ihrer jüngsten Tochter Marie Valerie galt ihre ganze Liebe und Fürsorge.

Rudolf, der mit seinen aufgeschlossenen politischen Ansichten als späterer Kaiser viel hätte bewegen können, erschoss sich mit seiner Geliebten 1889. Nach seinem Tod trat Kaiserin Elisabeth als Zeichen ihrer Trauer in der Öffentlichkeit nur noch in schwarzer Kleidung auf.

Schwarze Glasperlen und sogenannter Jet, der aus Braunkohle hergestellt wurde, trug sie fortan anstatt weißer Perlen und Juwelen.

ATTENTAT: Die Kaiserin war allein zu einem Kuraufenthalt nach Genf gefahren – unter einem anderen Namen, nur von einer Hofdame begleitet. Dort hielt sich der Anarchist Luigi Lucheni auf. Sein Plan war, einen französischen Adeligen zu ermorden. Der reiste aber nicht an.

Ein Zeitungsartikel enthüllte, dass die Kaiserin in Genf war – und Lucheni wählte nun sie als Opfer aus. Sie war auf dem Weg zu einem Ausflugsboot, als Lucheni ihr mit einer Feile in die Brust stach. Zunächst dachte die 60-Jährige, der Fremde habe ihr die Uhr stehlen wollen und rappelte sich auf.

Erst Minuten später brach die durch den Stich ins Herz getroffene Elisabeth zusammen. Die herbeigeeilten Ärzte konnten sie nicht mehr retten. Sie starb an inneren Blutungen.

KULT: „Sie wissen gar nicht, wie sehr ich diese Frau geliebt habe!“, soll Franz Joseph nach Elisabeths Ermordung ausgerufen haben.

Beim Volk hielt sich die Trauer zunächst in Grenzen. Denn die für die damalige Zeit eher exzentrische und meist auf Reisen weilende Kaiserin war kaum wahrgenommen worden.

Das Mitgefühl der Bevölkerung galt zunächst einmal dem Kaiser, der nach dem Sohn nun auch noch seine Frau verloren hatte.

Sehr bald erkannte man aber die Chance, das Thema des einsamen Kaisers und vor allem das der schönen, unglücklichen und ermordeten Kaiserin für monarchistische Propagandazwecke auszunutzen.

Gedenkbilder und Münzen, Postkarten, allerlei Nippes mit dem Bildnis der Monarchin füllten die Souvenirläden des In- und Auslandes.

Sisi-Haarspange

Replik des berühmten Haar-Sternenschmucks

„Wäre Sissi an Altersschwäche gestorben, würde man heute sicher nicht mehr so viel von ihr sprechen“, sagt Kuratorin Lichtscheidl. Ihr Urteil über die Kaiserin fällt gemischt aus: „Ich finde sie interessant, aber nicht sympathisch. Sympathisch sind Menschen, die offen und warmherzig sind – das war sie nicht.“

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