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Vier Mal lebenslangLebenslange Haftstrafen für Mord an Pferdewirtin

Lesezeit 5 Minuten
Der Freund der Ermordeten und Angeklagte im Prozess um den Mord an einer Berliner Pferdewirtin, Robin H. (Archivbild).

Der Freund der Ermordeten und Angeklagte im Prozess um den Mord an einer Berliner Pferdewirtin, Robin H. (Archivbild).

Lübars – Sie sind an diesem Donnerstag ganz in schwarz gekommen. Anke und Ralf R., die Eltern der ermordeten Pferdewirtin Christin aus Lübars, schauen von ihren Plätzen angespannt auf die Zuschauerreihen, die sich an diesem Morgen im Großen Saal 500 langsam füllen. Vor der 54-jährigen Mutter liegt griffbereit ein Päckchen Taschentücher auf dem Tisch. Die scheinbare Routine, die sich in diesem endlos scheinenden Mordprozess irgendwann automatisch eingestellt hat, ist verschwunden. Anke und Ralf R. haben in den vergangenen 22 Monaten jeden der 64 Prozesstage im Gerichtssaal verbracht. Als Nebenkläger haben sie die Aussagen der Angeklagten gehört und die vielen unfassbaren Details, die zum Tod ihrer 21-jährigen Tochter geführt haben.

70 Zuschauer passen in den Saal, doch noch immer stehen Leute vor der Tür. Viele Verwandte und Bekannte der Familie des Opfers sind darunter. Die Wachtmeister bringen Stühle. Es ist 9.50 Uhr, als Ruhe einkehrt und sich der Vorsitzende Richter der Schwurgerichtskammer, Ralph Ehestädt, erhebt. Die Menschen im Saal stehen ebenfalls auf, ebenso die fünf Angeklagten und deren zehn Verteidiger. Anke R. sucht nach der Hand ihres Mannes, sie sucht nach etwas Halt. Ralf R. hat etwas unglaublich Trauriges im Blick.

Besondere Schwere der Schuld

Dann spricht Richter Ehestädt das Urteil in dem Verfahren um einen perfiden Mordplan, dem die junge und lebenslustige Christin R. vor rund zweieinhalb Jahren zum Opfer gefallen ist. Nach Ansicht Ehestädts haben ihn sich ihr 26-jähriger Freund Robin und dessen Mutter ausgedacht. Wegen gemeinschaftlichen Mordes und Anstiftung zum Mord werden Robin H., seine Mutter Cornelia H., der 24-jährige Steven Mc A. und der 25-jährige Sven L. zu lebenslangen Freiheitsstrafen verurteilt.

Zudem stellt Ehestädt bei Mutter und Sohn die besondere Schwere der Schuld fest. Damit können sie nicht nach 15 Jahren Haft vorzeitig aus dem Gefängnis entlassen werden. Eine fünfte Beteiligte, die 29-jährige Tanja L., muss wegen Mordes und Mordversuchs für vierzehneinhalb Jahre ins Gefängnis. Sie hatte vor Gericht als einzige ein umfassendes Geständnis abgelegt und damit zur Aufklärung der Tat beigetragen. Alle Verurteilten stammen aus Nordrhein-Westfalen.

Mit dem Urteil ahndet Ehestädt eine Tat, die schier unglaublich scheint. Es geht um eine junge Frau, die drei Mordanschläge überlebt hat, bevor sie am 21. Juni 2012 von Steven Mc A. für 500 Euro ermordet wurde. „Da hatte sich eine Gruppe von scheinbar ganz normalen, durchschnittlichen Menschen zusammengefunden“, sagt Ehestädt. Um die junge Pferdewirtin dann heimtückisch und aus Habgier und mit unbedingten Vernichtungswillen zu töten. Ehestädt nennt das Komplott eine „verabscheuungswürdige Tat auf sittlich niedrigster Stufe“.

Mutter und Sohn haben demnach Ende 2011 den Plan gefasst, das Leben von Robins Freundin bei diversen Lebensversicherungen zu versichern und die jungen Frau dann zu töten. „Mit der Millionensumme wollten sie ihre Schuldenlast beseitigen und sich den Traum vom eigenen Pferdehof erfüllen“, sagt Ehestädt. Er zählt minutenlang die vielen Rechnungen auf, die Mutter und Sohn nicht mehr bezahlen konnten.

Ostern 2012, also kurz nach dem Abschluss der Versicherungspolicen mit Christins gefälschten Unterschriften, geschieht der erste Mordversuch. Robins Mutter rammt der jungen Frau auf dem gepachteten Pferdehof im havelländischen Wutzetz ein Messer in den Rücken. Sie spricht von einer Panikattacke. Christin R. überlebt. Brandenburgs Polizisten behandelt die Tat als gefährliche Körperverletzung. „Sie haben den gesamten Zusammenhang nicht erkannt, das konnten sie damals auch nicht“, sagt Ehestädt.

Christin R. aber ist so misstrauisch geworden, dass sie zu ihren Eltern nach Lübars zurückzieht. Anfang Juni überredet Robin dann Tanja L., seine neuen Bekannte, Christin bei einem Treffen Gift in den Sekt zu mischen. Doch das Gift wirkt nur tödlich, wenn es gespritzt wird. Auch diesen Anschlag überlebt die Pferdewirtin.

Danach verlangt Robin von Tanja L., sie solle einen Killer besorgen. Die 27-jährige Fleischfachverkäuferin und Pferdenärrin sieht in Robin H. ihren Traumprinzen, für den sie alles tut. Über ihren Bruder Sven, der in Dortmund lebt, findet sie jemanden, der einen Mord begehen würde. Das „Blutgeld“ von 1 000 Euro hebt sie einen Tag vor dem Verbrechen ab. Je die Hälfte davon gibt sie ihrem Bruder und dem Auftragskiller.

Besonders perfide: Die Nacht vor dem Mord verbringt Robin H. bei Christin in der elterlichen Wohnung. Stunden später, kurz vor der Tat, mahnt er Tanja L. in einer SMS: „Kein Fehlschlag bitte, ein drittes Mal ist unmöglich.“ Tanja L. lockt ihr Opfer daraufhin mitten in der Nacht auf den Parkplatz des Freibades Lübars, angeblich, weil sie gerade in Berlin ist und sich für den Kauf eines Pferdes bedanken will. Sie hat Steven Mc A. mitgebracht. Doch als Christin R. mit einer Freundin am Treffpunkt auftaucht, wird der Plan aufgegeben und Robin H. informiert. Der ruft Christin noch einmal an, bittet sie erneut unter einem Vorwand zum Parkplatz. Dort wird die 21-Jährige getötet. Steven Mc A. erdrosselt sie.

Verteidiger gehen in Revision

Ehestädt sagt, mit dem Anruf habe der Angeklagte seiner Freundin eine Falle gestellt, in die sie ahnungslos getappt sei. „Sie war arg- und wehrlos, weil sie Tanja vertraute.“ Der Richter nennt Robin H. einen Intriganten, der nachhaltig und unbeirrt von den missglückten Mordversuchen immer weitergemacht habe. Bei allen Taten habe er sich nie die Hände schmutzig gemacht und andere handeln lassen.

Robins Mutter beschreibt der Richter als eine dreiste, berechnende und manipulative Frau. Die 57-Jährige sei die treibende Kraft in dem Komplott gewesen. „Die Tat offenbart eine ungehemmte Geldgier und eine unübertreffliche Gefühlskälte.“

Nach dem Urteil verlassen Anke und Ralf R. wortlos das Gericht. Man sieht keine Genugtuung in ihren Gesichtern, nur Schmerz. „Wie auch?“, fragt ihr Anwalt Michael Nitschke. Sie könnten den Tod ihrer Tochter nie verkraften und hofften, dass dieses Verfahren irgendwann zu Ende gehe. Es sei damit zu rechnen, dass zumindest vier der Angeklagten in Revision gehen werden.

„Wir legen auf jeden Fall Revision ein“, sagt Natalie von Wistinghausen, die Anwältin von Robin H. Das Urteil sei falsch und werde durch das Ergebnis der Beweisaufnahme nicht gestützt. Auch die Verteidiger von Robins Mutter wollen den Richterspruch anfechten.

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