Heimat, Filter, CO2-BinderDeshalb ist der Wald ein Klimaschützer

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Wald Bergisch

Intakter Laubwald im Bergischen Land

Köln/Arnsberg – Der Wald in NRW ist ein Opfer des Klimawandels. Das steht fest. Und doch ist es tragikomisch. Denn der Wald ist selbst einer der wichtigsten Klimaschützer. Er filtert Trinkwasser, bindet CO2, kühlt das Kleinklima und noch viel mehr...

Natürlich ist er erst einmal die Heimat von zahlreichen Tieren. Von den häufigen wie Reh, Wildschwein oder Fuchs bis hin zu ganz seltenen, stark bedrohten Arten, man denke an den Schwarzstorch, der anders als sein weißer Vetter weder die Kinder bringt, noch die Nähe zu menschlichen Behausungen sucht. Der Wald ist für die Tiere eine Art Hochhaus mit mehreren Stockwerken. In der Bodenschicht, dem Keller sozusagen, leben besonders viele Insekten, aber auch Reptilien wie Feuersalamander oder Wald-Eidechse.

In der Krautschicht (bis 1,5 Meter) sind Dachs und Hase zuhause, ersterer als begabter Höhlenbauer auch tief darunter. Darüber folgt die fünf Meter hohe Strauchschicht mit Tieren wie Siebenschläfer oder Haselmaus. In den Kronen, dem Penthouse des Waldes, wimmelt es von Vögeln, etwa Baumeistern wie Bunt- oder Schwarzspecht.

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Auch tote Bäume speichern noch CO2

Doch der Wald hat für unsere Umwelt noch viel weitreichendere Funktionen. Wälder sind die grünen Lungen unserer Industrielandschaft. Das ist nicht nur sprichwörtlich, sondern wissenschaftlich belegt, weiß Florian Heimsch. Er ist promovierter Forstwissenschaftler und erforscht die Bedeutung des Waldes beim Zentrum für Wald und Holzwirtschaft in der Abteilung Klimaschutz.

Viel besser als landwirtschaftlich genutzte Flächen können Wälder CO2 speichern. Zwar binden auch Äcker und Wiesen Kohlendioxid. „Spätestens aber wenn das Getreide geerntet und dann verfüttert oder verarbeitet wird, wird das CO2 wieder freigesetzt“, sagt Heimsch. Zwar wird das Klimagas auch in Wäldern nur vorübergehend gespeichert. „Dafür aber sehr, sehr langfristig“, sagt der Wissenschaftler. Wälder wachsen über Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte. Solange sie wachsen, binden sie mehr und mehr CO2, das damit der Atmosphäre als klimaschädliches Gas erst einmal entzogen ist.

Was wird mit dem Totholz?

Aber was ist mit dem vielen Totholz, das heute nach den Borkenkäferschäden in großer Menge vorhanden ist? „Natürlich binden nur lebende Bäume weiter Kohlendioxid. Allerdings dauert es sehr lange, bis das Klimagas durch Verrottung wieder freigesetzt wird“, sagt Heimsch. Grüne Zweige und die Rinde würden zwar recht schnell zersetzt, das Holz selbst, in dem das meiste CO2 gespeichert ist, aber nicht. „Erst nach 70 Jahren ist eine Fichte vollständig verrottet und quasi verschwunden“, sagt der Forscher.

Wälder glätten Temperaturspitzen

Auch aufs Kleinklima in der Nachbarschaft haben Wälder eine positive Auswirkung. „Wald ist fürs Mikroklima wichtig, das kennt jeder, der an einem heißen Sommertag unter Bäumen spazieren geht“, sagt Britta Linnemann, die eine Biologische Station des Nabu im Münsterland leitet. Dort forscht sie daran, wie Wälder fit für das Klima von morgen werden können. Ähnlich sieht es auch Florian Heimsch. „Wälder mildern Temperaturspitzen ab“, sagt er.

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Das heißt, im Sommer ist es im Wald kühler als auf freier Fläche oder zwischen Häusern, im Winter dagegen schützt der Wald vor zu starkem Frost und kalten Winden. Außerdem ist der Wald ein guter Schutz gegen die Erosion wertvollen Bodens. Die Bäume verhindern eine Auswaschung durch Regen und schützen vor Wind, der den Boden abträgt. „Bei Starkregen etwa fangen schon die Kronen der Bäume viel Wasser ab, das sonst zu unkontrollierten Fluten führen würde“, sagt Heimsch.

Zwei Drittel des Trinkwasser wird durch Wälder gefiltert

Das zeigt auch eine weitere Funktion des Waldes auf. Denn Wald gilt als wichtiger Filter für das Grundwasser. „Zwei Drittel unseres Trinkwassers kommt aus Gebieten, die bewaldet sind“, sagt der Forstwissenschaftler. Dem kommt auch zugute, dass Wälder anders als landwirtschaftliche Flächen so gut wie nie gedüngt werden, was dem Eintrag von Nitrat ins Grundwasser entgegenwirkt. Ein Problem allerdings stellen momentan die vielen kahlen Flächen dar, auf denen früher Fichten standen. Die vielen Nadeln führen zumindest kurzfristig zu einer Belastung des Wassers mit Stickstoff. Das habe man bereits im Bayerischen Wald messen können, sagt Heimsch. Außerdem gilt ein gesunder Wald als Feinstaub-Filter.

Aber angesichts der großen Bedeutung des Waldes als Klimaschützer, darf man ihn einfach weiter als profanen Holzlieferanten nutzen? Laut Forstwissenschaftler Heimsch ist das eine Frage der Form der Nutzung. Er schlägt eine Kaskadennutzung vor: „Holz nur anzubauen, um es primär als Brennstoff zu verwenden, wäre aus Klimasicht reine Verschwendung.“ Denn mit der Verbrennung wäre das gesamte über Jahrzehnte gebundene CO2 auf einen Schlag wieder in der Atmosphäre.

Holz erst nach langer Nutzung verbrennen

Daher schlägt er eine stufenartige Nutzung vor. Will heißen: „Holz idealerweise etwa zum Bau langlebiger und hochwertiger Möbel zu nutzen, und diese erst nach Ende ihrer Nutzungszeit zu verbrennen“, sagt Heimsch. Aus Klimasicht ideal ist ihm zufolge auch der Bau von Häusern aus Holz. Nicht nur, dass das dort verwendete Material Kohlendioxid über einen sehr langen Zeitraum speichert, Holz hat auch andere Vorteile. „Die Herstellung von Beton ist extrem energieaufwendig, Sand wird zunehmend knapp, die Gewinnung verschlingt Land, da ist der Bau eines Holzhauses mit Blick aufs Klima eine sehr nachhaltige Alternative“, sagt Heimsch. Naturschützerin Linnemann aber warnt davor, den Wald zu übernutzen. „Wir dürfen unsere Wälder nicht wieder als Holzplantagen missbrauchen“, sagt die promovierte Wissenschaftlerin. Thermische Verwendung von Holz hält sie ebenfalls für wenig sinnvoll, Holzhäuser dagegen für eine gute Idee.

Ihr Vorschlag zu Klima- und Artenschutz: „Wir sollten fünf bis zehn Prozent unserer Wälder einfach der Natur überlassen und gar nicht bewirtschaften“, sagt Britta Linnemann. Wie das konkret aussehen könnte, darüber streiten Waldbesitzer und Naturschützer seit Jahren. Denn anders als in vielen Staaten ist fast die Hälfte des deutschen Waldes in Privatbesitz. Und Waldbauern pochen nachvollziehbarerweise darauf, dass sie ihre Flächen bewirtschaften können, wie sie wollen.

Streit ums Wieder-Aufforsten

Uneins sind sich der Forstwissenschaftler und die Naturschützerin darüber, was mit den derzeit kahlen Flächen passieren soll. Britta Linnemann setzt auf Naturverjüngung. Heimische Bäume würden nach und nach die heute baumlosen Flächen wieder besiedeln. Dass das länger dauert als eine Aufforstung, ist für die Naturschützerin kein Gegenargument. „Ob die Wälder nun 60 oder 65 Jahre brauchen, bis sie ihre alte Stärke wieder erreicht haben, ist mit Blick auf die lange Zeit eher unerheblich“, sagt Linnemann.

Forstmann Florian Heimsch hält dagegen wenig von der natürlichen Sukzession auf diesen Flächen. „Da sind nach 70 Jahren so viele Fichtensamen im Boden, dass fast nur Fichte wieder hochkäme.“ Mit der Folge, dass man in einigen Jahren vor den gleichen Problemen stehen würde wie heute.

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