Weinstein-Prozess beginntAngelina Jolie und weitere Opfer planen Statement

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Harvey Weinstein (Mitte) nach einer Anhörung im Dezember

New York – Es ist wohl der wichtigste Prozess des Jahres in New York und es haben sich große Branchen-Namen angekündigt. Rosanna Arquette wird da sein, ebenso Ashley Judd und vielleicht sogar Angelina Jolie. An diesem Montag beginnt vor dem obersten Gericht des Staates New York der Strafprozess gegen den Ex-Hollywood-Mogul Harvey Weinstein (67).

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Angelina Jolie

Die Schauspielerinnen gehören zu den Opfern von Weinstein, der beschuldigt wird, seit Beginn seiner Laufbahn als Filmproduzent vor mehr als 30 Jahren seine Machtstellung dazu missbraucht zu haben, Frauen zu sexuellen Gefälligkeiten genötigt zu haben. Die meisten der Fälle sind verjährt und nicht mehr justiziabel, doch die Opfer wollen im New Yorker Gerichtssaal wenigstens ein Statement abgeben.

„Ich glaube es wichtig, dass wir eine starke Botschaft aussenden“, so die Schauspielerin Katherine Kendall, die sagt, dass sie 1993 von Harvey Weinstein in einem Hotelzimmer unter dem Vorwand einer geschäftlichen Besprechung sexuell bedrängt wurde.

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Weinstein ist nur in zwei Fällen angeklagt

Die Stars wollen sich mit den beiden Frauen solidarisch zeigen, die nun in New York als Anklägerinnen gegen Weinstein auftreten. Weinstein wird Vergewaltigung und krimineller sexueller Angriff in zwei Fällen aus den Jahren 2006 und 2013 vorgeworfen. Doch vor der Jury der öffentlichen Meinung werden alle 80 Fälle verhandelt, in denen Weinstein beschuldigt wird, sexuell übergriffig geworden zu sein.

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Rosanna Arquette

Doch selbst damit ist die symbolische Tragweite des Falls noch nicht annähernd adäquat beschrieben. Der Weinstein-Prozess ist der erste Strafprozess der „#MeToo“-Ära. Der Fall hat überhaupt erst das ganze Ausmaß des Problems des sexuellen Machtmissbrauchs in der Gesellschaft in das öffentliche Bewusstsein gerückt und somit den vielleicht zentralen kulturellen Diskurs unserer Tage angestoßen.

Seit im Oktober 2017 nach Recherchen der „New York Times“ und des „New Yorker“ bekannt wurde, wie Weinstein systematisch seine Stellung ausgenutzt hat und dabei von der ganzen Branche gedeckt wurde, sind Dutzende einflussreiche Männer in den Strudel der Enthüllungen gelangt.

„Weinstein hat sich schlecht benommen“

Im Fall Harvey Weinstein muss sich nun jedoch zeigen, ob das US-Strafrecht mit dem kulturellen Wandel mithalten kann. Viele Betroffene sind in dieser Hinsicht nicht allzu optimistisch. So sagt die TV-Reporterin Lauren Sivan, die 2007 nach ihren Angaben in der Küche eines Restaurants von Weinstein attackiert wurde, dass sie einen Freispruch von Weinstein befürchte: „Wir haben riesige Fortschritte gemacht, die Stimmen der Opfer werden heute gehört. Aber eine Verurteilung vor einem Geschworenengericht ist noch einmal eine ganz andere Geschichte.“

Das wissen auch die Anwälte von Harvey Weinstein und sie geben sich kämpferisch. So sagte Donna Rotunno, die Weinsteins Verteidigungsteam leitet, kürzlich in einem Interview: „Man mag das Verhalten von Harvey Weinstein nicht mögen. Aber schlechtes Benehmen und Vergewaltigung sind zwei komplett unterschiedliche Dinge.“

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Rotunno und ihr Team werden versuchen zu beweisen, dass die Opfer nicht gegen ihren Willen gehandelt haben. „Wenn man nicht sexuell belästigt werden will“, so Rotunno, „dann geht man eben nicht alleine mit jemandem auf ein Hotelzimmer.“ Die bekannte Anwältin und Frauenrechtlerin Gloria Allred fürchtet, dass sich ihre Mandantinnen auf „brutale Kreuzverhöre“ gefasst machen müssen.

Einen weiteren Grund zum Pessimismus für die Anklägerinnen liefert die erst kürzlich ausgehandelte Einigung zwischen Weinstein und zahlreichen Frauen in einer Zivilklage. Mehr als 30 erklärte Opfer Weinsteins haben in einer Schadensersatzklage gegen ihn und seine einstige Firma gerade einmal 25 Millionen Dollar aushandeln können. Weinsteins Star-Anwälten war es geglückt, die Klägerinnen ruhig zu stellen. Nur zwei weigerten sich, das Geld anzunehmen und drohen nun mit einer Klage vor Gericht. Die Aussichten sind schlecht.

Weinstein sieht sich als Kämpfer für die Frauen

So gibt sich auch Weinstein selbst optimistisch, was seine Zukunft angeht. In einem trotzigen Interview, dass er jüngst der „New York Post“ gab, bekräftigte er erneut, dass alle seine Begegnungen mit Frauen in der Branche in gegenseitigem Einvernehmen geschehen seien. Er lamentierte, dass man sein Werke wie „Pulp Fiction“, „Good Will Hunting“ oder „Shakespeare in Love“vergessen habe, sowie die Tatsache, dass er mehr Frauen große Rollen verschafft habe, als jeder andere. Schließlich kündigte der 67-Jährige ein Comeback in der Filmbranche an.

Doch das ist unwahrscheinlich. Und zunächst trägt der Angeklagte weiterhin elektronische Fußfesseln. Seinen Pass musste er abgeben.

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