Pius-GemeinschaftBesuch bei den Krawall-Brüdern

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Das Priesterseminar Herz Jesu der katholischen Priesterbruderschaft St. Pius X. im bayerischen Zaitzkofen. (Bild: ddp)

Das Priesterseminar Herz Jesu der katholischen Priesterbruderschaft St. Pius X. im bayerischen Zaitzkofen. (Bild: ddp)

Kommen Sie vom Verfassungsschutz?“ Die gutgläubige Frage ist offenbar nicht als Scherz gemeint. Dabei scheint der freundliche Mann mit der randlosen Brille durchaus Sinn für subtilen Humor zu haben. Eben in der Predigt während des lateinischen „Levitenamtes“ hatte Stefan Frey, Leiter des Priesterseminars der Pius-Bruderschaft in Zaitzkofen bei Regensburg, den „Beobachtern vom Geheimdienst“ viel Erfolg gewünscht, auch wenn es nichts auszuforschen gebe. Der Politikwissenschaftler Gerd Langguth hatte gefordert, die erzkonservative Bruderschaft beobachten zu lassen, weil sie einen autoritären christlichen Gottesstaat anstrebe. Für Pater Frey kam diese Nachricht wie ein Geschenk des Himmels. Nichts ist den Piusbrüdern im Augenblick lieber, als in die Märtyrerrolle gedrängt zu werden. „Als was werden wir nicht alles verleumdet!“, ruft er mit unverkennbar Schweizer Akzent aus, „als Fanatiker, Irrlehrer und Antisemiten“.

Feierliches Hochamt, selbstverständlich im tridentinischen Ritus. Das niederbayerische Bauerndorf Zaitzkofen hat im Zusammenhang mit der aufgehobenen Exkommunikation von vier Traditionalistenbischöfen durch den Vatikan weltweit Bekanntheit erlangt. Hier gab Richard Williamson, der notorische Leugner des Massenmordes an den Juden, seine unsäglichen Thesen vor den Kameras des schwedischen Fernsehens zum Besten. Kurz zuvor hatte er einen konvertierten Lutheraner aus Schweden zum Diakon geweiht. „Und jetzt behaupten die dortigen Medien“, echauffiert sich Frey, der nichts Rebellisches an sich hat, sondern eher sanft, beinahe zerbrechlich wirkt, „wir wollten den christlichen Dschihad ausrufen.“

Vorwurf einer Hetzkampagne

Der Schweizer Seminarchef nutzt den Beginn der offiziell seit langem abgeschafften „Vor-Fastenzeit“, um die 70 bis 80 Gläubigen in den hinteren Bänken und die zwei Dutzend Priesteramtskandidaten in ihren weißen Spitzenchorhemden zu ermutigen, allen Anfechtungen zu trotzen. Von einer widerwärtigen Hetzkampagne spricht Frey, von Mobbing am Arbeitsplatz und gar von möglichen Kündigungen.

Im kleinen Vorraum liegen am Büchertisch allerlei Broschüren aus, darunter ein Ratgeber für Eltern von Teenagern, in dem Sex vor der Ehe als Todsünde bezeichnet wird. Es wird über den Fall Williamson getuschelt. Dazu sei eigentlich alles gesagt, befindet der Regens höflich, aber bestimmt. Aber dann sagt er doch frank und frei, dass man „natürlich“ an der Bekehrung der Juden festhalte, „weil es keinen anderen Weg zum Heil geben kann“. „Das steht in der Bibel“, sagt Frey entschlossen, „und wenn wir anfangen, die Bibel in Zweifel zu ziehen, können wir zusammenpacken.“

Einen latenten Antisemitismus, vor allem aber einen tief verwurzelten christlichen Antijudaismus in der Gedankenwelt der Traditionalisten macht der Pastoraltheologe Alois Schifferle seit langem aus. Schifferle, Professor an der Katholischen Universität Eichstätt, gehört zu den intimsten Kennern der Pius-Bruderschaft. Besonders ausgeprägt sei die Nähe von Marcel Lefebvre, der 1988 durch die verbotene Weihe von vier seiner Jünger den Bruch mit Rom herbeigeführt hatte, zur politischen Rechten. Seine Sympathien galten dem spanischen General Franco ebenso wie südamerikanischen Diktatoren oder der französischen Front National. Lefebvre hatte den „Geist der Französischen Revolution“ in die Kirche einziehen sehen, weswegen drei Dokumente des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962 bis 1965) auf seinen besonderen Widerstand stießen: die Erklärung über die Religionsfreiheit, die Lehre von der Kollegialität der Bischöfe und das Ökumenismus-Dekret. Das erbitterte Festhalten am alten Messritus von 1570 sieht Schifferle als Ausdruck einer tief sitzenden theologischen Verhärtung. Die Generation, die jetzt am Ruder ist, sei noch „radikaler“ als die Lefebvre-Pioniere. Die deutschen Gefolgsleute hält Schifferle für nüchterner, aber auch für verkrampfter und bornierter als die französischen Sympathisanten, die „stärker triumphalistisch gepolt“ seien.

Verkrampft und borniert

Abendmesse in der Saarbrücker Pius-Niederlassung „St. Maria zu den Engeln“. Die frühere Industriehalle war eine der ersten Lefebvre-Dependancen in Deutschland. Als die „wunderbare Nachricht“ von der Rücknahme der Exkommunikation aus Rom kam, „haben wir das Te Deum angestimmt und die Sektkorken knallen lassen. Aber warum“, fragt Piusbruder Christian Schneider rhetorisch, „will die Freude nicht anhalten?“ Zwei Antworten hat er parat: „Erstens gibt die Hölle ihre Beute nicht so einfach frei, und zweitens will Gott nicht, dass wir überschnappen.“ Er habe „Freude und Dankbarkeit empfunden, dass der Makel weg ist“, sagt der pensionierte Grundschullehrer Felix Adamski. Der Katholik Heiner Geißler nennt die Bruderschaft eine „radikale Sekte“. „Ganz schön happig“, findet Adamski. Wenn Fundamentalismus bedeute, „dass wir daran festhalten, dass man nicht alle Religionen auf eine Stufe stellen kann und dass Jesus nur eine Kirche gestiftet hat, nämlich die katholische, dann bin ich in Gottes Namen Fundamentalist“.

In Deutschland werden die bekennenden Lefebvre-Anhänger auf 10 000 bis 20 000 geschätzt, weltweit auf 600 000. Die „Kapelle Heilige Drei Könige“ in einem früheren Bürogebäude in der Kölner Innenstadt wird vom „Priorat Christkönig“ in Bonn betreut. Ein vereinbartes Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ sagte Pater Mathias Grün per SMS ab. Schwester Michaela, die Direktorin des St.-Theresien-Gymnasiums in Ruppichteroth-Schönenberg, lehnte einen Besuch in ihrer Mädchenschule mit dem Hinweis ab, die Priesterbruderschaft habe sich ein „Bußschweigen“ auferlegt, „um nicht mehr Öl ins Feuer zu gießen“.

Nach Einschätzung Alois Schifferles sind die Traditionalisten Katholiken, die „mündiges Christsein“ nicht gelernt haben oder nicht lernen wollten, die Sehnsucht nach Autorität und Angst vor Veränderungen haben. Ärzte, Lehrer und Juristen finden sich ebenso unter den Anhängern wie Landwirte oder Gläubige aus eher einfachen Verhältnissen.

Die zumindest liturgisch heile Welt der Piusbrüder übt besonders auf Konvertiten eine starke Anziehungskraft aus. „Die heilige Messe aller Zeiten ist einfach erhebend“, sagt Annemarie Fischer, die am Stadtrand von Saarbrücken einen „Hildegard-Naturladen“ betreibt. Ursprünglich war sie evangelisch, hat aber „von Yoga über Buddhismus bis Esoterik so ziemlich alles“ für sich ausprobiert. „Ich habe die Wahrheit über Irrwege gefunden“, erzählt sie. Sie wolle „katholisch sein, wie es immer war“, mehr nicht. Drei Salzkristalllampen flackern. Wenn Kunden kommen, wechselt sie rasch das Thema, „weil man schnell angeschwärzt wird“.

Ihren Fernseher haben die Fischers abgeschafft, und Harry Potter will sie ihrer fünfjährigen Tochter Maria später nicht zu lesen geben, weil sie die Bücher für „satanisch-okkult“ hält. Eine Zeit lang habe sie mit der rechtskonservativen Splitterpartei „Christliche Mitte“ geliebäugelt, die „eigentlich ganz vernünftige Ansichten“ vertrete - bis sie erfuhr, „dass die alternative Medizin und sogar das gute Himalayasalz verteufeln“. Irgendwo gibt es auch für die überzeugtesten Traditionalisten eine Schmerzgrenze.

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