„Bild TV“ kapert ARD und ZDFÖffentlich-Rechtliche verärgert über Springer-Konzern

Lesezeit 3 Minuten
Nicht nur in den Öffentlich-Rechtlichen, sondern auch bei „Bild“-TV: die „Berliner Runde“

Nicht nur in den Öffentlich-Rechtlichen, sondern auch bei „Bild“-TV: die „Berliner Runde“

Sieht so „moderne“ TV-Konkurrenz aus? Als am Sonntag um 18 Uhr die Wahllokale schlossen, rückten nicht nur ARD und ZDF mit ihren Prognosen zur Bundestagswahl heraus, sondern das tat auch die „Bild“-Zeitung: live auf der eigenen Webseite und im Free-TV in ihrem erst vor wenigen Monaten gestarteten Sender. Wie bitte, hatte der Springerkonzern da vielleicht auf eigene Kosten ein Forschungsinstitut engagiert? Keineswegs: Zwar war die „Bild“-eigene Sendungsoptik unverkennbar, darin eingebettet aber waren Bilder der Öffentlich-Rechtlichen.

So ging es dann weiter: Fast eine Viertelstunde der auf ARD und ZDF übertragenen und von deren Redakteuren moderierten „Berliner Runde“ war auch auf „Bild“ zu sehen. Nutzer in den sozialen Netzwerken äußerten ihr Befremden darüber und fragten, ob die Übernahme von fremdem Sendematerial seitens „Bild“-TV von den Lizenzinhabern genehmigt worden war. Unabhängig davon wunderten sich Kommentatoren darüber, warum „Bild“ sich ausgerechnet bei denen bediene, denen sonst die herzliche Verachtung des Boulevardmediums ob ihrer angeblichen Trägheit gelte.

Mit der Antwort ließen zumal die Betroffenen, ARD und ZDF, nicht lange auf sich warten: „Wir haben keine Vereinbarung mit der »Bild«“, erklärte Sendersprecher Bernhard Möllmann, die ARD werde jetzt prüfen, ob rechtliche Schritte gegen „Bild“ unternommen werden könnten. Beim ZDF herrscht ebenfalls Ärger. „Bild“ hatte neben den Diagrammen zu den Ergebnisprognosen und den Live-Strecken aus der „Berliner Runde“ auch ein Interview mit SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil im Vollbild gezeigt. Auch das Zweite behalte sich, so Sprecher Kilian Grau am Montagmorgen, den Gang zum Gericht vor.

Bis zum frühen Montagnachmittag dauerte es, dass der Springer-Verlag seine Sicht der Dinge offenlegte. „Die Bundestagswahl war ein zeithistorischer Moment. Wir haben im Rahmen unserer aktuellen Wahlberichterstattung die stark unterschiedlichen Prognosen mit klarem Quellenhinweis live zitiert und ausgewählte Sequenzen aus der »Berliner Runde« übernommen und für unsere Zuschauer eingeordnet“, erklärte ein Sprecher dem Online-Medienmagazin DWDL.de.

Das könnte Sie auch interessieren:

Bei dem Gesprächsformat handle es sich um „ein nachrichtliches Ereignis von überragender Bedeutung, das von ARD und ZDF als gebührenfinanzierter Rundfunk zentral veranstaltet wird, aber auch für Menschen relevant ist, die sich am Wahlabend auf anderem Wege informieren möchten“. Der Sprecher äußerte sich auch zu möglichen Nachzahlungen, die auf Springer wegen der minutenlangen Übernahme des Sendesignals zukommen könnten: „Falls sich aus der Übernahme seitens »Bild« Ansprüche von ARD und ZDF ergeben sollten, sind wir gerne bereit, diese zu begleichen.“ Die Wahlberichterstattung der Öffentlich-Rechtlichen bot nach verbreiteter Ansicht den üblichen Mix von Licht und Schatten – wobei die Moderatoren angesichts der Vielzahl von Themen und Aspekten zweifellos stark gefordert waren. Allgemein gefeiert wurde am Montag „Tagesthemen“-Anchorman Ingo Zamperoni, der sich souverän gegen AfD-Spitzenfrau Alice Weidel zur Wehr gesetzt hatte. Sie hatte den Medien „Wettbewerbsverzerrung“ vorgeworfen.

Neue Wege wurden im Hörfunk eingeschlagen: Im Wahlstudio des Deutschlandfunks kamen bis Mitternacht neben den üblichen Parteienforschern und Politikwissenschaftlerinnen auch ganz andere Stimmen zu Wort: Moderator Korbinian Frenzel hatte unter anderem die Schriftstellerin Nora Bossong, den Intendanten des Berliner Ensembles, Oliver Reese, und Entertainer Harald Schmidt zur Analyse der Wahlergebnisse eingeladen – ein ungewöhnliches Konzept, das aufging und ganz neue Perspektiven auf die Mechanismen des Politikbetriebs ermöglichte. (red)

KStA abonnieren