„Geisterfahrer“Scharfe Kritik an Scholz wegen China-Einstieg in Hamburger Hafen

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Olaf Scholz ap 201022

Bundeskanzler Olaf Scholz steht nach einem Medienbericht in der Kritik.

Berlin – Nach Bekanntwerden eines Streits zwischen dem Bundeskanzleramt und mehreren Ministerien steht Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in der Kritik. Mit den Grünen und der FDP übten dabei auch die beiden Ampel-Koalitionspartner scharfe Kritik an den Plänen des Bundeskanzleramts, über die zuvor der NDR und WDR berichtete hatten. Auch aus Union und SPD wurden jedoch kritische Stimmen laut.

Hamburger Hafen: Kritik von allen Seiten an Olaf Scholz nach NDR-Bericht

„Die KP Chinas darf keinen Zugang zur kritischen Infrastruktur unseres Landes haben. Das wäre ein großer Fehler und auch ein Risiko“, sagte FDP-Generalsekretär Djir-Sarai am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Er warnte davor, naiv gegenüber den chinesischen Machthabern zu sein. „Die knallharten Machtinteressen, die sie verfolgen, sind nicht in unserem Interesse. Es bleibt dabei: China ist ein wichtiger Handelspartner, aber auch systemischer Rivale. Danach sollten wir handeln.“

Auch der stellvertretende Bundesvorsitzende der FDP, Johannes Vogel, äußerte sich kritisch. „So dumm sollten wir nicht sein – sondern lernfähig“, schrieb er bei Twitter. Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, meldete sich ebenfalls zu Wort. „Wer berät eigentlich den Bundeskanzler?“, fragte die FDP-Politikerin auf Twitter. „Ein Verkauf von kritischer Infrastruktur an China ist ein krasser Fehler“.

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Kritik von Ampel-Partnern: „Scholz will Teile des Hamburger Hafens an China verhökern“

Der dem Bericht zufolge geplante chinesische Einstieg bei einem Containerterminal im Hamburger Hafen stößt auch bei den Grünen auf klare Ablehnung. Zahlreiche Politiker und Politikerinnen der Partei meldeten sich am Donnerstag zu Wort.

„Unsere kritische Infrastruktur darf nicht zum Spielball geopolitischer Interessen anderer werden“, sagte der Grünen-Obmann im Innenausschuss des Bundestages, Marcel Emmerich. „Wie Sigmar Gabriel damals Gasspeicher an Russland vertickte, will Olaf Scholz jetzt unbedingt Teile des Hamburger Hafens an China verhökern. Offenbar hat die SPD nichts gelernt.“

Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende, Konstantin von Notz, äußerte sich auf Twitter ähnlich. Ein Verkauf an China sei „hochproblematisch“. „Wir sollten wenigstens irgendwas aus dem Gasabhängigkeits-Desaster lernen.“ Auch Parteichefin Ricarda Lang meldete sich zu Wort. Sie habe „kein Verständnis“ für die Haltung des Kanzleramtes, erklärte sie bei Twitter.

Die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags, Katrin Göring-Eckhardt, fand ebenfalls klare Worte für die Haltung des Kanzleramtes. „Wohin es führt, wenn wir uns von einem Land abhängig machen, bekommen wir gerade in der Energiekrise zu spüren. Wir dürfen denselben Fehler nicht nochmal mit China machen“, schrieb die Grünen-Abgeordnete bei Twitter.

Union: „Das Kanzleramt als Geisterfahrer“

Auch in der Union wurden unterdessen kritische Stimmen laut. Mit „Wahnsinn“ kommentierte der Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Florian Hahn, den NDR-Bericht. „Das Kanzleramt als Geisterfahrer“, schrieb Hahn bei Twitter. „Kritische Infrastruktur“ und „Schlüsseltechnologien“ müssten geschützt werden.

Aus der eigenen Partei erntete Scholz angesichts der NDR-Recherche ebenfalls vereinzelte Kritik. „Vorsicht an der Bahnsteigkante! Wir sollten aus der Vergangenheit gelernt haben“, schrieb der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Detlef Müller, bei Twitter. Ähnlich äußerte sich auch SPD-Mitglied Lilly Blaudszun, ebenfalls bei Twitter. „Kritische Infrastruktur gehört in öffentliche Hand, nicht in die der Chinesen.“

Anlass für den Streit zwischen dem Bundeskanzleramt und mehreren Ministerien ist dem NDR-Bericht zufolge Uneinigkeit um die Genehmigung eines bereits vereinbarten chinesischen Einstiegs bei einem Containerterminal im Hamburger Hafen. „Nach Informationen von NDR und WDR haben alle sechs Ministerien, die an der Investitionsprüfung fachlich beteiligt sind, das Geschäft abgelehnt“, berichteten die Sender am Donnerstag. „Das Kanzleramt drängt der Recherche zufolge jedoch darauf, dass der Einstieg zustande kommen soll.“

Chinesischer Terminalbetreiber Cosco will bei Hamburger Hafenterminal einsteigen

Hintergrund ist eine im September 2021 geschlossene Vereinbarung zwischen dem Hamburger Hafenlogistiker HHLA und dem chinesischen Terminalbetreiber Cosco über eine 35-Prozent-Beteiligung der Chinesen am Hamburger HHLA-Terminal Tollerort (CTT). Eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums wollte den Bericht nicht kommentieren. Auch ein HHLA-Sprecher sagte der dpa zu dem Bericht: „Kein Kommentar“.

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Den Informationen von NDR und WDR zufolge soll das federführende Wirtschaftsministerium das Thema bereits zur endgültigen Ablehnung im Bundeskabinett angemeldet haben, weil es sich um kritische Infrastruktur handele. Für Besorgnis sorgt demnach, dass durch die geplante Beteiligung ein „Erpressungspotenzial“ entstehen könne.

Geschäft könnte Ende Oktober zustande kommen – kurz vor China-Besuch von Olaf Scholz

Dem Bericht zufolge drängt nun die Zeit: „Wenn das Bundeskabinett keinen Beschluss fasst und keine Fristverlängerung mehr vereinbart wird, würde das Geschäft laut Gesetz automatisch zustande kommen“, schreiben NDR und WDR. „Das wäre nach aktuellem Stand Ende Oktober der Fall - kurz vor einem geplanten China-Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD)“.

Bundeskanzler Scholz war von 2011 bis 2018 Erster Bürgermeister von Hamburg. Von 2000 bis 2004 sowie von 2009 bis 2018 hatte Scholz zudem den Vorsitz der Hamburger SPD inne. (mit dpa)

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