„Gräbt sein eigenes Grab“Nobelpreisträger Edmund Phelps kritisiert Trump scharf

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Edmund Phelps im Kölner Hotel Maritim

Edmund Phelps im Kölner Hotel Maritim

  • Wirtschafts-Nobelpreisträger Edmund Phelps ist einer der einflussreichsten amerikanischen Ökonomen.
  • Bei einem Besuch in Köln spricht er im Interview über die chaotische Politik Donald Trumps, den Handelskrieg, die Gefahr einer weltweiten Rezession und die mangelnde Risikobereitschaft vieler Menschen.
  • Auf die Frage, ob er optimistisch in die Zukunft blickt, antwortet er: „Es ist unmöglich, es zu sein.”

Edmund Phelps muss noch einige Fotos von sich machen lassen. Er sitzt mit Peter Jungen zusammen, dem Kölner Unternehmer und „Angel Investor“, mit dem er am Abend dessen 80. Geburtstag feiert. Er habe nicht soviel Zeit, sagt er vor dem Interview, denn er wolle noch einen wichtigen Stoff behandeln, die Rede für seinen Freund Peter Jungen. Am Abend hat er dann sogar gesungen. Als die Fotos gemacht werden, ruft seine Frau Viviana: „Lächeln, Edmund“. Sie müsse ihm das immer wieder sagen, wenn Fotos gemacht würden, sagt sie und muss selbst lachen. Edmund Phelps ist Nobelpreisträger für Ökonomie. Er gilt als einer der sehr einflussreichen amerikanischen Ökonomen. Sein Glaube an die Kräfte der Innovation ist stark. Ein Gespräch.

Professor Phelps, was denkt eigentlich ein Nobelpreisträger für Wirtschaft über die Politik von US-Präsident Donald Trump?

Die Politik von Trump ist desaströs. Und das gleiche gilt für seine Initiativen. Wenn er eine oder zwei gute Ideen hat, gibt es gleich 20 schlechte. Man weiß nie, welche verrückte Idee er nun wieder im Kopf hat. Er hat nicht allein eine Menge Unruhe und Angst bei denen verursacht, die von seinen Initiativen betroffen sind. Trump hat vielmehr auch für ein Klima der Ungewissheit gesorgt, schlimmer als ich es Anfangs für möglich gehalten habe. Für das Geschäft bedeutet das, dass Investitionen nun eher aufgeschoben werden. Die Unsicherheit ist einfach zu groß. Das drückt die Produktivität und das Wachstum. Bemühungen um Innovationen und neue Wege werden nun eher eingefroren. Es ist zurzeit unmöglich zu evaluieren, wo der Profit für neue Anstrengungen liegen könnte.

Was denken Sie denn über den Handelskrieg zwischen den USA und China? Wer wird als Verlierer aus dem Konflikt hervorgehen?

Beide Länder werden unter diesem Handelskrieg leiden. Da gibt es kein Vertun. Aber die Vereinigten Staaten besitzen die größere Wirtschaft. Zudem sind die USA deutlich weniger eine Handelsnation als China. Aus diesem Grund vermute ich, dass es China härter als die USA treffen wird. Aber wie gesagt, beide es trifft beide.

Die Europäische Union und Deutschland liegen mitten zwischen den Fronten. Welche Folgen wird das für Deutschland haben? Werden die Zeiten für eine der größten Exportnationen deutlich härter werden?

Sollte China durch den Konflikt mit den USA nachhaltig gelähmt werden , könnte es natürlich sein, dass es für einige der Güter, die es sonst aus Deutschland importiert, keine Nachfrage mehr geben wird. Leider ein wahrscheinliches Szenario. Nationen, wie in dem Fall Deutschland, die einen großen Markt in China besitzen, werden also unter dem Handelskrieg zu leiden haben.

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Erwarten Sie denn eine globale Rezession?

Es besteht die Möglichkeit, dass es zu einer globalen Rezession kommen kann. Aber es gibt keinen notwendigen Weg in diese Richtung. Die Volkswirtschaft der Vereinigten Staaten fällt gerade ein bisschen aus den Boomzeiten der beiden letzten Jahre heraus, die auch durch die Steuersenkungen mit begünstigt wurden. Deutschland wird natürlich gerade hart getroffen durch die Abkühlung der Volkswirtschaft in China. Die Leute sprechen zwar von der Möglichkeit einer weltweiten Rezession, aber ich denke, dass die US-Ökonomie gerade lediglich etwas abkühlt, bin aber nicht der Meinung, dass es in den nächsten zwei, drei Jahren zu einer bemerkenswerten Rezession in den USA kommen wird. Die US-Wirtschaft ist etwas geschwächt, ja, aber das wird keine katastrophalen Folgen für die Welt haben. Die Welt hat die Finanzkrise von 2008 überlebt, sie wird daher ganz gewiss auch eine signifikante Rezession in den USA überleben. Auch wenn die Situation für die Handelsnationen in Europa nicht ganz einfach ist. Deutschland leidet bereits, und in Italien herrscht ein gewaltiges Durcheinander.

Wäre die Rezession eine Folge des Handelskrieges?

Nein, das ist nicht die Konsequenz aus dem Handelskrieg. Das Investitionsklima hat sich verändert. Darum geht es. Auch der Wohnungsbau geht ein bisschen runter. Wir haben die Zeiten des Booms hinter uns gelassen. Die Stimmung ist schlechter geworden.

Wenn es zu einer Rezession kommt, befürchten einige, dass es so schlimm wie 2008 kommen könnte.

Oh nein. Nein. Ganz gewiss nicht. Nichts dergleichen wird passieren. Da können Sie beruhigt sein.

Rund 30 Zentralbanken weltweit haben zuletzt die Zinsen gesenkt, ist das die richtige Antwort auf die Gefahr eines Abschwungs?

Man muss abwarten, was die Zinspolitik der Zentralbanken für Folgen haben wird. Meines Erachtens ist die Finanzpolitik nicht so wichtig wie man denkt. Letztlich kommt es immer nur auf den Kopf und die Stimmung an. Wirtschaft ist immer noch Psychologie.

Dennoch beobachten wir ein relativ langsames Wachstum. In Ihrem Buch „Mass Flourishing“ – der Titel besagt etwa: Wirtschaft ist mit einer Graswurzelbewegung vergleichbar – beschreiben Sie, wie früher Innovationen Jobs, Herausforderungen und Wandel erzeugten. Doch davon sei heute nicht viel übriggeblieben. Was hat sich verändert?

Die Briten waren die ersten, die kreativ geworden sind und um 1850 den Grundstein für das industrielle Zeitalter gelegt haben. Damals wollten alle nach Westen und es war einfach, etwas Neues anzufangen. Das machen die Leute heute nicht mehr. Sie sind zu gemütlich geworden und wollen zu Hause bleiben und ihre Heimatstädte nicht mehr verlassen. Das sind die neuen Umstände.

Es fehlt an innovativem Potenzial?

Ja, die Menschen wollen keine Risiken mehr eingehen. Sie sind von ihren Jobs gelangweilt und die Löhne sinken. Wie es kommt? Sie haben keine Ideen mehr, die Unternehmen, für die sie arbeiten, nach vorne zu bringen. Meine Annahme ist, dass, wenn die Befriedigung durch den Job ganz unten ist, die Leute auch nicht innovativ arbeiten. Es stimmt etwas nicht mit den Jobs, wenn Leute nicht innovativ sein können. Alles, was wir sagen können, ist, dass die führenden Volkswirtschaften der Welt, nicht mehr die Dominanz eben jener Werte haben, die für das 19. Jahrhundert so charakteristisch gewesen sind. Menschen, die in diesen Gesellschaften lebten, waren kreativ, sie fanden Nervenkitzel im Unbekannten und sie fühlten, dass sie auf ihr eigenes Leben Einfluss haben. Die Amerikaner lieben es nicht mehr miteinander zu konkurrieren wie noch in der Zeit zwischen 1850 und 1960. Etwas ist etwas passiert mit diesen Werten.

Sie schrieben in Ihrem Buch auch, dass die Menschen in Deutschland oder den USA nicht mehr die individuellen Möglichkeiten besitzen wie früher – obwohl wir alle glauben, dass wir nie freier gewesen sind.

Die Menschen wollen einfach nicht mehr Chancen ergreifen und Chancen nutzen. Das ist das Problem. Dieser Fall der modernen Werte hat dazu geführt, dass die Innovationen in Europa und den USA zurückgegangen sind und das drückt Innovationskraft und Wachstum.

Zur Person

Edmund S. Phelps (86) erhielt im Jahr 2006 den Nobelpreis für Wirtschaft. Er lehrt an der Columbia University und leitet das Center on Capitalism & Society. Dort wurde Peter Jungen 2008 Chairman.  

Es ist merkwürdig. Es gibt ein langsames Wachstum, obwohl wir eine technologische Revolution erleben. Wie passt das zusammen?

Wir hatten natürlich diese Internet-Revolution, aber auch nur in einem ziemlich kleinen Sektor der Wirtschaft, vor allem in den Tälern wie dem berühmten und bewunderten Silicon Valley. Viele dieser Innovationen sind nicht arbeitsplatzschaffend. Was fehlt, ist eine Art Graswurzelbewegung, Vitalität, Unabhängigkeit, die einfachen Leute, die einen besseren Weg sehen, Dinge zu produzieren, Dinge zu verbessern. Das gibt es nicht mehr. Wir brauchen neue Herausforderungen! Wir brauchen neue Ideen! Die Dynamik ist das Lebenselixier. Haben wir keine neuen Ideen, können wir auch nicht daran arbeiten, sie zu entwickeln, sie zu testen, sie auf den Markt zu bringen.

Und was passiert dann?

Wir stehen vor einer neuen Normalität. Sie wird eine höhere natürliche Arbeitslosigkeit haben. Wichtig wäre es daher, das Kurzfristigkeitsdenken loszuwerden, die Finanzmärkte üben einen zu großen Druck auf die CEOs aus. Wir müssen es zudem Jungunternehmern erleichtern, ein Unternehmen zu grünen und ihr innovatives Projekt zu starten. In einer wirklich modernen Wirtschaft sollte sich alles um Ideen und Menschen drehen.

Sind Sie eigentlich optimistisch für die Zukunft?

Es ist unmöglich, es zu sein. (lacht)

Wer wird denn die Nummer eins in zehn Jahren sein. Die USA oder China?

Die USA werden die Nummer eins bleiben beim Bruttoinlandsprodukt pro Kopf. Allerdings wird China in der gesamten Wirtschaftsleistung an den USA vorbeiziehen.

Liegt die Zukunft in Asien? Es gibt starke Länder dort, nicht nur China. Sie haben ein großes Potenzial.

Nein, das denke ich nicht. Die innovativen Strukturen Amerikas werden wichtiger bleiben als die von anderen.

Und zum Schluss: Wird Trump 2022 noch Präsident der USA sein?

Keiner weiß das, Trump selbst am wenigsten. Mir scheint, dass er sich selbst sein eigenes Grab gräbt.

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