„Schattenkanzler“So hat sich der Markus Söder in der Corona-Krise verändert

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Ministerpräsident Markus Söder gewann in der Corona-Krise an Zuspruch bei einigen Deutschen. 

München – Als CSU-Chef Markus Söder kurz vor Weihnachten seine erste Corona-Quarantäne verkündete, kannten Spott und Häme im Netz kaum Grenzen. Unzählige Trolle und Corona-Leugner hetzten mit teils bösartigen Kommentaren über die mögliche Ansteckung des bayerischen Ministerpräsidenten mit dem Virus. Am Ende waren Söders Tests zwar alle negativ - trotzdem zeigt sich eines klar: Der Druck auf die politisch Verantwortlichen hat sich in der Pandemie nochmals erhöht.

Keine Frage, kaum ein deutscher Politiker hat 2020 den öffentlichen Diskurs zur Corona-Krise so sehr mitgeprägt wie Söder. Nicht nur, weil Söder zufällig bis Oktober Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz war. Bei jeder Pressekonferenz nach Bund-Länder-Beratungen saß und sitzt er deshalb neben Kanzlerin Angela Merkel (CDU), seit Oktober nun als Vize. Und Auftritte dieser Art weiß Söder zu nutzen: Zuletzt sprach er, genau dokumentiert von Beobachtern, sogar deutlich länger als Merkel.

Söder versucht sich im ernsteren Ton

Seit Beginn der Pandemie erfährt er bundesweit eine Aufmerksamkeit und auch einen Zuspruch, wie ihn ein CSU-Chef und bayerischer Ministerpräsident wohl noch nie erhalten hat. Könnten die Deutschen den nächsten Kanzler direkt wählen, er hätte nach den Umfragen gute Chancen.

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Wer Söder in den vergangenen Monaten beobachtet hat, konnte auch Veränderungen sehen: Er ist ernster geworden. Gehörten früher bei Auftritten ironische oder doppeldeutig amüsante Äußerungen dazu, sucht man diese schon lange vergebens. „Jede Entscheidung und auch jedes Wort hat eine Bedeutung. Daher muss man klug abwägen und dann konsequent entscheiden“, erklärt Söder.

Als kurz vor dem zweiten Lockdown im Dezember noch sein Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) über Lockerungsperspektiven orakelt, lenkt Söder die Debatte weg von geschlossenen Gaststätten und Ausgangsbeschränkungen hin zu den Menschen, die alle paar Minuten an Corona sterben.

Pompöses Treffen mit Merkel am Herrenchiemsee

Der Stratege weiß genau abzuwägen zwischen Aussage und Nutzen. Im Sommer wird er wochenlang praktisch täglich gefragt, ob er sich die Nachfolge von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zutraut - er antwortet gebetsmühlenartig: „Mein Platz ist in Bayern.“ Damit lässt er sich alle Türen offen, eine Absage ist es nicht, eine Zusage auch nicht.

Und als reiche das nicht, lädt Söder Merkel noch zu einem pompösen und bildgewaltigen Termin auf Schloss Herrenchiemsee ein. Trifft hier die Kanzlerin ihren Nachfolger? Merkel geht auf die sich mehr als aufdrängende Journalisten-Frage nicht ein, Söder grinst und spricht von Wiedergutmachung nach Jahren, in denen das Verhältnis der CSU zu Merkel wegen deren Asylpolitik schlecht war. In jedem Fall erhöht der „Schattenkanzler“ Söder (so der Titel einer neuen Biografie) so Stück für Stück sein Gewicht in der Union und seinen Marktwert insgesamt.

Wer Söder kennt, weiß, dass ihn das Kanzleramt natürlich reizen dürfte. „Welchen Politiker würde es nicht reizen, Kanzler zu sein“, sagt ein enger Weggefährte. Aber: Söder weiß auch genau, dass die Fallhöhe sehr hoch ist. In seinem Umfeld kursiert der Spruch: „Wer einmal oben angekommen ist, für den kann es nur noch bergab gehen.“

Im Klartext: Söder weiß genau, dass das Risiko für ihn und die CSU immens hoch ist. Denn selbst wenn er es schaffen würde, Kanzler zu werden, so frei wie jetzt würde er nicht mehr agieren können. Denn die CDU ist zwar die Schwesterpartei, aber wie schwer diese große Schwester unter Kontrolle zu behalten ist, musste in den vergangenen Monaten Noch-CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer immer wieder erfahren. Für einen CSU-Chef wäre dies nochmals schwieriger.

Ilse Aigner aus mögliche Nachfolgerin Söders

Hinzu kommen auf der Liste der Gegenargumente auch die überschaubaren Personalalternativen für den dann vakanten Posten des bayerischen Ministerpräsidenten. Viele Namen drängen sich da nicht auf - am ehesten wird Landtagspräsidentin Ilse Aigner das Amt zugetraut. In München sähen viele auch die Koalition mit den gerne provozierenden Freien Wählern dann vor großen Problemen und neuen Machtkämpfen.

Vor allem aber, darauf weisen auch CSU-Granden hin: Söder könnte überhaupt nur Kanzlerkandidat werden, wenn die CDU ihn geschlossen darum bittet. Und dass der neue CDU-Vorsitzende - wer auch immer das sein wird - nach gewonnenem internem Machtkampf bittend nach Nürnberg reist, das gilt in der CSU als extrem wenig wahrscheinlich.

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Hinzu kommt, dass auch Söder seit dem Herbst immer wieder in der Kritik steht. War er in der ersten Welle als Krisenmanager noch unangefochten, so gibt es nun viele bohrende Fragen: warum auch der Freistaat so immens hohe Corona-Zahlen hat, warum manche Vorbereitungen auf die zweite Welle vielleicht unzureichend waren.

Und doch schafft es hier und da auch bei Söder schon mal ein Gedanke an die Zeit nach der Pandemie an die Öffentlichkeit. So mehren sich seit einigen Wochen wieder Aussagen zum nahenden Bundestagswahlkampf. (dpa)

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