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„Twitter für Rassisten“Parler und Co.: Hier kuschelt Familie Trump mit Extremisten

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Ivanka Donald Jr.

Ebenfalls auf Parler: Ivanka und Donald Trump Junior.

Köln – „Macht das Erschießungskommando bereit. Pence geht als Erster!“ Mit diesen Worten hetzte am Donnerstag der US-Anwalt und Trump-Unterstützer Lin Wood im Netz gegen den Vizepräsidenten der USA Mike Pence. Nur wenige Stunden zuvor hatten rechte Extremisten das Kapitol gestürmt. Fünf Menschen starben bei dem Angriff.

Wood zählt zu den prominentesten Mitgliedern der Social-Media-Plattform Parler, von der hierzulande viele Menschen im Kontext der jüngsten Ereignisse in Washington zum ersten Mal gehört haben dürften. Dabei ist Parler längst eine digitale Erfolgsgeschichte.

Die Anwendung ist Teil einer neuen Welle von Social-Media-Kanälen, die sich bewusst als Alternative zu Plattformen wie Twitter, Facebook und Youtube vermarkten. Parler, Gab, Rumble und die Videoplattform BitChute: Sie alle positionieren sich als Gegenstück zum Silicon-Valley-Mainstream. Sie locken Nutzer mit dem Versprechen, keine Zensur zu betreiben. Hier, so die Verheißung, wird freie Meinungsäußerung noch groß geschrieben.

Das Konzept geht auf. Ende 2020, zwei Jahre nach der Gründung, zählte Parler nach eigenen Angaben 10 Millionen Nutzer, 4 Millionen von ihnen aktiv. Am 8. Januar, zwei Tage nach dem Angriff auf das Kapitol und kurz nachdem bekanntgeworden war, dass Donald Trumps Twitter-Konto gesperrt wurde, war Parler die am häufigsten heruntergeladene Anwendung im Apple App-Store.

Auf den Höhenflug folgte der Absturz: Am Samstag entfernte Google die App aus seinem Store. Apple zog nach mit der Begründung, dass Beiträge auf der Plattform nicht ausreichend modierert würden. Da half es auch nicht, dass Parler den Beitrag, der zum Mord an Pence anstachelte, doch noch entfernte – Tage, nachdem er gepostet worden war und nachdem er Hunderttausende Male gelesen wurde, und ohne Konsequenzen für den Verfasser. Der mutmaßliche Todesstoß für Parler kam schließlich von Amazon. Der Konzern verbannte die Anwendung von den Amazon-Servern, auf denen sie gehostet war. Seitdem ist Parler auch im Browser nicht mehr abrufbar.

Parler, Gab, BitChute: digitale Parallelwelten

Die extreme Reaktion der Tech-Giganten spiegelt das Ausmaß des Problems, dass Parler und Co. darstellen. „Twitter für Rassisten“ nannte das US-Medium „Salon“ Gab bereits im Jahr 2016. Denn das Versprechen von regulierungsfreier Meinungsäußerung stößt vor allem am rechten Rand der Gesellschaft auf Begeisterung. Über die Jahre haben sich Parler und Gab zu rechten Echokammern entwickelt. Anhänger der Verschwörungsbewegung QAnon verbreiten dort ihre Theorien, rechtsextreme Organisationen wie die „Atomwaffen Division“ nutzen die Plattformen zur Vernetzung. Konservative Prominenz wie Rudi Giuliani, Ivanka und Donald Trump Junior pflegen dort den heißen Draht zu ihren Fans und bringen ihre alternative Darstellung der Realität unters Volk.

Längst sind die alternativen Plattformen in den Fokus der Sicherheitsbehörden gerückt. Der Attentäter, der 2018 einen Anschlag auf die Synagoge in Pittsburgh ausübte, soll seine Tat auf Gab angekündigt haben. Die Stürmer des Kapitols sollen sich unter anderem über Parler vernetzt haben. Dass Parler und Co. digitale Räume sind, in denen Radikalisierung vorangetrieben wird, ist längst kein Geheimnis mehr.

Auch das Bundesamt für Verfassungsschutz hat diese digitalen Rückzugsräume im Visier. Im „Handelsblatt“ warnte der Grünen-Politiker Konstantin von Notz: „Die Vernetzung von Rechtsextremisten, von Verschwörungsideologen und Anhängern der QAnon-Bewegung über digitale Kanäle hat längst ein Ausmaß angenommen hat, das zu einer echten Bedrohung für unsere Demokratie geworden ist.“

Doch die Gesetzgebung hinkt der digitalen Entwicklung hinterher. Das Gesetzespaket zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Hasskriminalität soll das ändern. Unter anderem soll es Netzwerke dazu verpflichten, dem BKA bestimmte strafrechtlich relevante Inhalte zu melden. Wegen verfassungsrechtlicher Einwände wurde die Gesetzesänderung jedoch zunächst ausgebremst. Nach den Ereignissen in Washington soll sie nun mit entsprechenden Änderungen voraussichtlich in den kommenden Wochen in Kraft treten.

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