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14 statt 38 KrankenhäuserScharfe Kritik von Kliniken – Bertelsmann verteidigt Studie

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Soll laut Studie bleiben: Die Universitätsklinik in Köln

Soll laut Studie bleiben: Die Universitätsklinik in Köln

  • Die Vorschläge der Bertelsmann-Stiftung zur Neugestaltung der Krankenhauslandschaft in der Region Köln/Leverkusen stoßen auf Widerspruch.
  • „Wir können Themen anfassen, die kitzelig sind“, verteidigt Jan Böcker von der Bertelsmann-Stiftung die Studie.
  • Allein in Köln würden der Studie zufolge zwei Drittel der Patienten mit Herzinfakrt nicht in eine geeignete Klinik gebracht werden. mit dem Vorschlag der Stiftung solle sich das ändern.

Köln/Leverkusen – Die bundesweite Empörung über seine Studie zum radikalen Umbau der Krankenhauslandschaft am Beispiel der Region Köln, Leverkusen, dem Rheinisch-Bergischen-, Oberbergischen- und Rhein-Erft-Kreis kommentiert Jan Böcker von der Bertelsmann-Stiftung in Gütersloh so: „Wir sind unabhängig und können Themen anfassen, die kitzelig sind. Das wäre eigentlich Landesaufgabe, aber man hat Angst vor dem Shitstorm. Wir haben das Rückgrat, den Shitstorm durchzustehen. Die Politik hält das nicht aus, weil sie wiedergewählt werden will.“

Statt der bisher 38 Kliniken in der Region, so die Aussage in der 196 Seiten starken Studie, täten es auch 14 Häuser. Und Böcker legt noch was drauf: „Ich gehe davon aus, dass im NRW-Gesundheitsministerium unsere Ergebnisse zur Kenntnis genommen werden.

Die freuen sich bestimmt, dass wir vorab den Shitstorm abkriegen, bevor die Laumann-Studie zur Krankenhaus-Planung kommt, die vielleicht besagt, dass zehn Prozent der Kliniken umstrukturiert oder geschlossen werden müssen.“ Dann könne man erleichtert aufatmen, weil es weniger sei als in der Studie.

Studie ohne Auftraggeber

Einen externen Auftraggeber für die Studie hat die Bertelsmann-Stiftung nach eigenen Angaben nicht. Die Stiftung habe privilegierten Status. Sie sei gemeinnützig und arbeite mit steuerbegünstigten Mitteln.

Schon 2011 habe man begonnen, Fehlversorgung und Qualitätsansprüche sowie regionale Unterschiede zu untersuchen. 2016 nahm man erstmalig Krankenhausstrukturen unter die Lupe. Mit den jüngsten Daten, so Jan Böcker, wolle man die Menschen aufrütteln, damit sie von der Politik eine gute medizinische Versorgung in den Kliniken einfordern.

3,3 Milliarden Euro für vorgeschlagene Klinik-Zentren

Genau das Gegenteil aber sei erzielt worden mit „diesem Parforce-Ritt durch Zahlen und Leistungsangebote“, so Christoph Leiden, Sprecher der Stiftung der Cellitinnen zur Hl. Maria in Köln. Die Stiftung unterhält vier Krankenhäuser und eine Privatklinik in Köln sowie Seniorenhäuser und Therapiezentren in Köln und dem Umland und erwirtschaftet einen Umsatz von 574 Millionen Euro.

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Man warte auf die differenzierte Studie aus dem NRW-Gesundheitsministerium im Spätsommer, „in der Minister Laumann die Planungen zu sinnvoll gesetzten Schwerpunkten medizinischer Versorgung in NRW vorstellt“. An dem „Zahlenspiel der Bertelsmann-Stiftung“ wolle man sich nicht orientieren. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft habe errechnet, so Leiden, dass rund 3,3 Milliarden Euro nötig wären, um die in der Studie vorgeschlagenen Klinik-Zentren einzurichten.

Studie schüre Unruhe in „unterfinanziertem System“

Wie unrealistisch solche Pläne seien, schildert Leiden: „Wir haben Fusions-Gespräche mit der Stiftung Cellitinnen e.V. geführt, die drei Häuser in Köln und eins in Bergheim führt. Das Kartellamt sperrte sich. Jetzt ruht das Projekt erst einmal. Aber das Beispiel zeigt, wie paradox die Forderungen in der Studie sind.“

Als „Gesundheitsökonomie am grünen Tisch“ bezeichnet Hans-Jörg Freese vom Marburger Bund, dem Berufsverband für Ärzte, die Studie. Sein Kollege Michael Helmkamp vom Marburger Bund NRW/Rheinland-Pfalz hält sie für verantwortungslos, weil sie Unruhe schüre in den Kliniken, wo Pflegekräfte und Ärzte über Gebühr arbeiten, um „das unterfinanzierte System Krankenhaus zu erhalten“.

Rationierung der Leistung?

Helmkamp: „Bei fast 80 Prozent Bettenauslastung in NRW ist eine massive Reduzierung der Kliniken nur bei Rationierung der Leistung möglich.“ Es sei verantwortungslos, die „Versorgung von 22 Millionen Einwohnern in beiden Ländern … ökonomisch agierenden Medienunternehmen zu überlassen“.

Solche Reaktionen habe man erwartet, so Hendrik Baumann vom Ressort Gesundheit bei der Bertelsmann-Stiftung. „Die Studie soll ein Impuls sein, sich die Kliniklandschaft einmal genau anzusehen.“ Man wisse sehr wohl, dass Gesundheitsthemen großes Interesse weckten. „Außer Protesten“, so Jan Böcker, „habe ich keine guten Gegenvorschläge gehört.“

Zwei Drittel der Herzinfarktpatienten in ungeeigneter Klinik

Auch nicht angesichts der Erkenntnis, dass „allein in Köln zwei Drittel der Patienten mit Herzinfarkt in eine dafür nicht geeignete Klinik eingeliefert werden. Ich als Patient hätte aber schon gern Gewissheit, dass ich richtig behandelt werde und überlebe.“

Er betrachte es als eine „intellektuelle Zumutung“, dass von den Kritikern der Studie der Zusammenhang zwischen Fallzahlen und Qualität als konstruiert abgetan werde. „In Köln und Leverkusen rechnen allein 36 Kliniken die Behandlung von Herzinfarkt-Patienten ab, obwohl nur zwölf Häuser ein Herzkatheterlabor haben.“

Die Erkenntnis basiere auf Daten, die die Kliniken selbst geliefert hätten. Allerdings sei daraus nicht erkenntlich, ob es sich um Herzinfarkt-Notfälle oder Nachbehandlung von Herzinfarkt-Patienten handle.

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