Abo

Rassistische ÄußerungenSo geht kolonialistisches Herrenvolk-Denken, Herr Tönnies!

Lesezeit 3 Minuten
Neuer Inhalt

Clemens Tönnies erntete für rassistische Aussagen jüngst viel Kritik – aber auch Zustimmung.

  • Die Islamwissenschaftlerin Lamya Kaddor wirft dem Schalke-Boss Clemens Tönnies kolonialistisches Herrenvolk-Denken vor.
  • Dass sich Tönnies nach seinen unerträglichen Äußerungen anschließend nur bei den Schalke-Fans, nicht aber den von ihm tatsächlich Diskriminierten entschuldigte, lässt für Kaddor nur einen einzigen Schluss zu.
  • Lesen Sie hier weitere Folgen der „Deutschland-Cocktail”-Kolumne von Kaddor für den „Kölner Stadt-Anzeiger”.

Über Afrika wird in Europa seit Jahrhunderten schlecht geredet. Schwarze Menschen in Deutschland haben seit langem mit Rassismus zu kämpfen. Das reicht von Aussagen wie der „Der Schwarze schnackselt gerne“ einer Fürstin Gloria von Thurn und Taxis vor 20 Jahren über reale Benachteiligungen im Alltag bis hin zu Mordanschlägen wie jüngst im hessischen Wächtersbach, wo ein Mann einzig und allein wegen seiner Hautfarbe zum Opfer wurde.

Das alles dürfte niemandem in diesem Land unbekannt sein. Dennoch müssen Schwarze immer noch abfällige, abwertende Vorkommnisse erdulden: Um den Klimawandel zu bremsen, solle man jährlich 20 Kraftwerke in Afrika bauen, „dann würden die Afrikaner aufhören, Bäume zu fällen, und sie hören auf, wenn’s dunkel ist, Kinder zu produzieren.“ Eine solche Äußerung knüpft nahtlos an kolonialistisches Herrenvolk-Denken an. Sie ist rassistisch. Sie besagt: Der einfältige Afrikaner kriegt es nicht hin, der überlegene Europäer muss es ihm erklären. Abgesehen vom umweltpolitischen Unsinn dieser Aussage, kommt sie zwei Tage nach dieser Nachricht: Äthiopien pflanzt vier Milliarden Bäume.

Höchstwahrscheinlich hat da einer unbedacht geredet. Doch das macht es nicht besser. Denn womöglich zeigt sich gerade daran, wie tief das entsprechende Denken in ihm verankert ist. Und dann irritiert es besonders, von wem die umstrittene Aussage stammt: einem weltgewandten Unternehmer und Fleischfabrikanten, den man aber vor allem als Aufsichtsratsvorsitzenden des Fußball-Bundesligisten FC Schalke  04 kennt: Clemens Tönnies. Ausgerechnet im Kontext des Spitzenfußballs hat sich dieser Vorfall also ereignet. Kaum ein anderer Bereich ist doch so international wie der europäische Spitzenfußball, seit der Belgier Jean-Marc Bosman 1995 die Ausländerregel für Sportmannschaften vor Gericht gekippt hat. Ausgerechnet im Fußball, wo mit grenzüberschreitender Popularität von Spielern Millionengewinne eingestrichen werden. Und ausgerechnet auf Schalke, wo ein Gerald Asamoah oder ein Hans Sarpei – beide in Ghana geboren – unter Tönnies’ Augen Erfolge feierten.

Das könnte Sie auch interessieren:

Ausgerechnet im Fußball aber auch, wo eine Antirassismus-Kampagne nach der nächsten aufgelegt wird und schwarze Spieler dennoch von „Fans“ mit Affengeräuschen und geworfenen Bananen beleidigt werden.

Auf den ganzen Vorfall hat Tönnies vor seiner Anhörung durch den „Ehrenrat“ des Vereins mit ein paar lapidaren, kurzgehaltenen schriftlichen Worten um Entschuldigung bei „Fans, Mitgliedern und Freunden des FC Schalke 04“ gebeten. Nicht einmal jetzt dachte er an jene, die er zuvor diskriminiert hatte? Das kann es nicht gewesen sein. Und ich kann mich nichts vorstellen, womit der 63-Jährige den Flurschaden ernsthaft beheben könnte. Tönnies hätte zurücktreten sollen. Nun lässt er sein Amt für drei Monate ruhen. Eine Absetzung durch den Ehrenrat wäre richtig gewesen – im Interesse des Vereins und seiner Glaubwürdigkeit sowie im Interesse eines aufrichtigen Kampfs gegen Rassismus im Fußball.

Applaus für offenen Rassismus?

Die Zeit des Fleischfabrikanten Tönnies als Sportfunktionär ist abgelaufen. Doch ist die Sache damit nicht erledigt. Es wird berichtet, die Zuhörer beim Tag des Handwerks hätten seine Bemerkungen nach kurzer Irritation mit Beifall quittiert. Man müsste diese Leute eigentlich alle zum Rücktritt auffordern, wenn das denn ginge. Applaus für offenen Rassismus? In einer Phase, in der Menschen zunehmend beleidigt, angefeindet, bedroht und terrorisiert werden, allein ihrer Herkunft wegen – oder weil sie sich gegen völkische Tendenzen wehren? Das ist kaum auszuhalten. Und absolut intolerabel. 

KStA abonnieren