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AfghanistanTaliban stellen erste Regierungsmitglieder vor – Asylanträge verdreifacht

Lesezeit 30 Minuten
Taliban-Sprecher

Taliban-Sprecher Sabiullah Mudschahid (Mitte), Archivbild

Die radikalen Taliban sind nach dem Abzug der westlichen Truppen massiv vorgestoßen und haben in kürzester Zeit Afghanistan zurückerobert. Auch die Hauptstadt Kabul ist in der Hand der Islamisten. Inzwischen haben auch die USA ihren Truppenabzug abgeschlossen. Die wichtigsten Ereignisse im Newsblog.

  • Donnerstag, 9. September

Taliban lassen mehr als 200 Personen ausreisen

14.45 Uhr: Die Taliban-Behörden haben einem Bericht der „Washington Post“ zufolge mehr als 200 afghanischen Doppel-Staatsbürgern die Ausreise aus Afghanistan gestattet. Die Zeitung berichtete unter Berufung auf Diplomaten in Kabul, darunter seien Staatsbürger Deutschlands, der USA, Kanadas, Großbritanniens, Italiens, der Niederlande und der Ukraine.

Auf der genehmigten Passagierliste eines Fluges der katarischen Fluglinie Qatar Airways, der noch am Donnerstag Kabul verlassen sollte, stünden die Namen von insgesamt 211 Menschen. Es sei aber unklar, wie viele davon rechtzeitig einen Konvoi zum Flughafen erreicht hätten.

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Aus dem US-Außenministerium in Washington hieß es auf Anfrage, die Bemühungen, US-Staatsbürgern und verbündeten Afghanen zu helfen, dauerten an. Man sei derzeit aber nicht in der Lage, weitere Einzelheiten zu nennen.

  • Dienstag, 7. September

Taliban stellen erste Regierungsmitglieder vor

16.53 Uhr: Die militant-islamistischen Taliban haben einen Teil ihrer Übergangsregierung in Afghanistan bekanntgegeben. Demnach wird der wenig bekannte Mullah Mohammed Hassan Achund amtierender Vorsitzender der Minister, was einem Premierminister gleichkommt. Das erklärte der Taliban-Sprecher Sabiullah Mudschahid am Dienstag bei einer Pressekonferenz in Kabul.

Achund ist eins der Gründungsmitglieder der Taliban, war zuletzt in ihrem Führungsrat, der Rahbari Schura, und gilt als enger Vertrauter des Taliban-Führers Haibatullah Achundsada. Der aus Kandahar stammende Achund hielt bereits während der ersten Taliban-Herrschaft wichtige Posten und gilt als gemäßigt. Mudschahid sagte, man habe sich darauf geeinigt, ein Übergangskabinett zu ernennen und bekanntzugeben, „um die notwendigen Regierungsarbeiten durchführen zu können“.

Zu einem von zwei Stellvertretern Achunds wurde Mullah Abdul Ghani Baradar ernannt, der bisherige Vizechef der Taliban, der 2020 für die Taliban das Abkommen mit den USA unter anderem über ein Ende des US-geführten Militäreinsatzes in Afghanistan unterzeichnet hatte. Zweiter Stellvertreter ist Maulawi Abdul Salam Hanafi, der zuletzt im politischen Büro der Taliban in Doha tätig war. Die beiden bisherigen Taliban-Vizechefs Mullah Jakub und Siradschuddin Hakkani werden Verteidigungsminister beziehungsweise Innenminister.

Insgesamt besetzten die Taliban 33 Posten. Die Ernennung der verbleibenden Führungspositionen von Ministerien und Institutionen werde man nach „langer Überlegung“ sukzessive bekanntgeben, sagte Mudschahid.

Die Ernennung von Achund zeige, „wie wenig wir im Westen über die Taliban wissen und ihre Entscheidungen voraussagen können“, sagt der Afghanistan-Experte Thomas Ruttig von der Kabuler Denkfabrik Afghanistan Analysts Network. Vor der Bekanntgabe waren die allermeisten Beobachter davon ausgegangen, dass Mullah Baradar Premierminister wird.

Die Taliban hatten nach massiven militärischen Gebietsgewinnen Mitte August die Macht in Afghanistan übernommen. Der bisherige Präsident Aschraf Ghani war kurz davor aus dem Land geflohen. Seit ihrer Machtübernahme bemühen sich die Islamisten um eine gemäßigtere Außendarstellung als zu Zeiten ihrer Schreckensherrschaft zwischen 1996 und 2001. Es besteht dennoch weiter die Sorge, dass die militante Gruppe ihre Herrschaft auf Unterdrückung und drakonischen Strafen gründen könnte.

Kramp-Karrenbauer kündigt Afghanistan-Evaluierung für Oktober an und erntet Kritik

16.51 Uhr: Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) will kurz nach der Bundestagswahl mit der politischen Aufarbeitung des Afghanistan-Einsatzes der Bundeswehr beginnen - und erntet dafür scharfe Kritik der Opposition. Im Verteidigungsausschuss des Bundestags kündigte Kramp-Karrenbauer am Dienstag nach AFP-Informationen eine Evaluierung des Einsatzes am 7. Oktober an. Die FDP-Wehrexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann kritisierte dies als „nicht akzeptable Brüskierung des Parlaments“.

Der Nachrichtenagentur AFP sagte Strack-Zimmermann: „So kurz nach der Bundestagswahl ist der neu gewählte Bundestag nicht konstituiert und der Bundestag in seiner alten Zusammensetzung hat ebenso wie Ministerin Kramp-Karrenbauer für so eine wichtige Evaluation kein Mandat mehr.“ Es sei „respektlos und unwürdig“, dass die seit Jahren geforderte Evaluierung „am Parlament vorbei durchgepeitscht werden soll“. Die FDP werde dies „nicht zulassen“. Die Aufarbeitung des langjährigen Afghanistan-Einsatzes gehöre in den neuen Bundestag und müsse von einem Untersuchungsausschuss „detailliert und mit ausreichend Zeit evaluiert werden“, sagte die Liberale.

Kramp-Karrenbauer hatte ursprünglich für Anfang August eine Veranstaltung angekündigt, bei der eine erste politische Bewertung des Afghanistan-Einsatzes vorgenommen werden sollte; daran sollten sich Militärs, Experten, Parlamentarier und Hinterbliebene von Soldaten beteiligen. Bei der Evaluierung soll es etwa um die Frage gehen, welche Fehler bei dem langjährigen Einsatz in Afghanistan gemacht wurden und welche Lehren für die Zukunft daraus zu ziehen sind.

Wegen der Machtübernahme der radikalislamischen Taliban und dem anschließenden Evakuierungseinsatz der Bundeswehr am Flughafen Kabul wurde der Termin aber verschoben. Für den Herbst hat Kramp-Karrenbauer bereits einen Großen Zapfenstreich angekündigt, um den Einsatz deutscher Soldatinnen und Soldaten in Afghanistan zu würdigen.

Asylanträge afghanischer Bürger fast verdreifacht

15.12 Uhr: Wie aus Daten des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge hervorgeht, haben sich die Asylanträge afghanischer Bürgerinnen und Bürger im August 2021 im Vergleich zum Vorjahresmonat fast verdreifacht. Im vergangenen Monat haben 2.266 Menschen aus Afghanistan in Deutschland Asyl beantragt. Im August 2020 waren es lediglich 759 Asylanträge.

Auch einige der vom US-Militär ausgeflogenen Afghanen wollen als Flüchtlinge in Deutschland bleiben. Wie ein Sprecher des Bundesinnenministeriums am Dienstag auf Anfrage mitteilte, haben von den Tausenden Menschen, die zuvor auf dem US-Militärstützpunkt Ramstein in Rheinland-Pfalz untergebracht waren, bislang rund 90 Menschen einen Asylantrag gestellt. Zuerst hatte die „Welt“ über die Asylanträge berichtet.

Zur Unterstützung der großangelegten Evakuierungsmission aus Afghanistan hatten die USA international mehrere Drehkreuze eingerichtet, um afghanische Schutzsuchende vorübergehend unterzubringen, bevor sie langfristig umgesiedelt werden. Eines davon ist der Stützpunkt Ramstein. Hier werden an diesem Mittwoch US-Außenminister Antony Blinken und Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) erwartet.

Nach Angaben des Bundesinnenministeriums kamen bis Montagvormittag insgesamt 34 103 Menschen aus Afghanistan in Ramstein an. Von diesen Evakuierten seien bis zu diesem Zeitpunkt 20 943 Menschen in die USA ausgeflogen worden. Die Weiterreise habe sich wegen des Hurrikans „Ida“ etwas verzögert, hieß es. Ministeriumssprecher Steve Alter, sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Gemessen an der Gesamtzahl der Menschen, die in Ramstein angekommen sind, ist die Anzahl der Asylanträge überschaubar.“

Taliban feuern bei Demo Warnschüsse ab

9.30 Uhr: Bei einer Protestkundgebung in Kabul mit vielen Frauen unter den Teilnehmern haben Kämpfer der radikalislamischen Taliban am Dienstag Warnschüsse abgegeben. Wie Journalisten der Nachrichtenagentur AFP berichteten, hatten sich in der afghanischen Hauptstadt etwa 70 Menschen, vornehmlich Frauen, versammelt, um gegen Pakistans Einmischung in afghanische Belange zu protestieren. Um die Menge vor der pakistanischen Botschaft auseinanderzutreiben, gaben Taliban-Kämpfer Warnschüsse ab.

  • Montag, 6. September

Taliban würden sich nach eigenen Angaben über Besuch Merkels in Afghanistan freuen

7 Uhr: Die radikalislamischen Taliban würden sich nach den Angaben eines Sprechers über einen Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Afghanistan freuen. „Angela Merkel würde besonders herzlich aufgenommen werden“, sagte der Taliban-Sprecher Sabihullah Mudschahid am Sonntag bei „Bild Live“. Er sagte weiter: „Wir würden uns wirklich sehr über sie freuen“. Mudschahid bekräftigte die Bitte an die Bundesregierung, Afghanistan weiterhin finanziell zu unterstützen. „Wir möchten, dass Deutschland uns im humanitären Bereich unterstützt und hilft, soweit die deutsche Regierung dies kann.“ Außerdem benötige Afghanistan Hilfe im Gesundheitswesen, im Bildungsbereich, und bei der Infrastruktur. Zudem könne die deutsche Regierung „Unternehmerinnen und Unternehmer ermutigen, zu uns zu kommen und in unser Land zu investieren“.

Außerdem rief Mudschahid afghanische Flüchtlinge in Deutschland zur Rückkehr auf. „Wir wollen, dass alle Afghanen, die sich im Ausland - vor allem in Deutschland - als Flüchtlinge aufhalten, zurück in ihr eigenes Land kommen“, sagte er. Zur Diskussion um die Aufnahme weiterer Geflüchteter aus Afghanistan in Deutschland sagte er: „Ich weiß, dass die deutsche Regierung ihre eigenen Probleme mit den Flüchtlingen hat - und die Flüchtlinge wiederum haben Schwierigkeiten mit den Regelungen und Verordnungen in anderen Ländern.“ Flüchtlinge, die aus westlichen Ländern nach Afghanistan abgeschoben würden, weil sie ein Verbrechen begangen haben, könnte dort allerdings eine Strafe nach dem islamischen Recht drohen: „Ihr Fall wird geprüft werden, und wenn sie mit ihren Verbrechen gegen islamisches Recht verstoßen haben und wir sie bestrafen sollen, dann kommen sie vor Gericht“, sagte Mudschahid. 

  • Sonntag, 5. September

Widerstandskämpfer in Afghanistan: Taliban erlitten schwere Verluste

12 Uhr: Widerstandskämpfer im afghanischen Pandschir-Tal haben den militant-islamistischen Taliban eigenen Angaben zufolge schwere Verluste zugefügt. Etwa 1000 Islamisten seien in der einzigen Provinz, die bisher noch nicht von den Taliban kontrolliert wird, nach der Blockade einer Fluchtroute eingeschlossen worden, schrieb der Sprecher der Nationalen Widerstandsfront, Fahim Daschti, am Sonntag auf Twitter.

Alle Angreifer seien getötet worden, hätten sich ergeben oder seien gefangen genommen worden, hieß es weiter. Zudem seien alle Taliban aus dem Bezirk Parjan vertrieben worden. Die Angaben konnten nicht von unabhängiger Seite überprüft werden. Der Taliban-Sprecher Bilal Karimi wiederum schrieb am Sonntag auf Twitter, die Islamisten kontrollierten nun fünf der sieben Bezirke der Provinz.

Am Samstag hatten Bewohner des Tals erklärt, dass Widerstandskämpfer eine Sprengung durchgeführt hätten, um die Hauptroute durch das Tal zu blockieren. So seien vorgerückte Taliban-Kräfte eingeschlossen worden. Der Plan sei gewesen, diese dann von Positionen auf den Bergen anzugreifen.

Der bisherige Parlamentarier Sal Mohammed Salmai Noori aus der Provinz Pandschir sagte, dass es Gefechte im Bezirk Schutul und Parjan gebe. Andere Gebiete im Tal seien unter vollständiger Kontrolle des Widerstands.

Die beiden Bezirke liegen jeweils am Anfang und am Ende des Tales. Von einem Bewohner des Bezirkes Schutul hieß es, Taliban-Kämpfer seien in sein Dorf vorgedrungen und hätten mehrere geparkte Autos kaputt geschossen. Die meisten Zivilisten seien bereits davor in die Berge geflüchtet. Die Taliban-Kämpfer seien wieder abgezogen. Unbestätigten Berichten zufolge wurden sie am Weg aus Schutul aus dem Hinterhalt angegriffen.

Taliban veröffentlichten auch ein Video mit Kämpfern vor der Bezirksverwaltung von Schutul. Allerdings liegt diese an der Hauptstraße durch das Tal direkt hinter dem Taleingang, nicht im Zentrum Schutuls. Um dieses zu erreichen, muss man erst mehrere Kilometer lang eine enge Bergstraße hinauf und ins nächste Tal wieder hinunter fahren. 

  • Samstag, 4. September

Afghanischer Widerstandsführer: Werden Kampf nicht aufgeben

9 Uhr: Der Anführer einer Widerstandsfraktion gegen die militant-islamistischen Taliban in Afghanistan will weiter kämpfen. „Wir werden den Kampf für Gott, Freiheit und Gerechtigkeit niemals aufgeben“, teilte Achmad Massud am Samstag auf seiner Facebook-Seite mit. Seit mittlerweile fünf Tagen gibt es Gefechte zwischen Taliban und Kämpfern der Nationalen Widerstandsfront um Pandschir, die einzige Provinz im Land, die die Taliban bisher nicht kontrollieren.

Ursprünglich hatte es von beiden Seiten geheißen, man wolle die offene Machtfrage durch Verhandlungen lösen. Ein Sprecher der Nationalen Widerstandsfront schrieb diese Woche auf Twitter, die Taliban hätten Massud einen Posten in der künftigen Regierung angeboten und den Schutz seines Eigentums. Dieser habe aber abgelehnt und dies damit begründet, dass er keine persönlichen Interessen verfolge. Von Taliban gab es dazu bisher keine Aussagen.

Die Kämpfe begannen einem Sprecher der Widerstandsfront zufolge am Dienstag mit Taliban-Angriffen auf Kontrollposten am Eingang zum Pandschir-Tal. Zuletzt dürften sich die Gefechte verstärkt haben. Beide Seiten gaben an, dass sie der jeweils anderen Seite heftige Verluste zugefügt hätten. In der Nacht zu Samstag verbreiteten Taliban-Unterstützer auf Twitter Gerüchte, Pandschir sei gefallen und die Führung des Widerstands geflohen.

Dies dementierte der bisherige Vizepräsident Amrullah Saleh, der selbst in Pandschir sein soll, umgehend. Die Situation sei schwierig, aber „wir haben unser Land verteidigt“, sagte er in einer Videonachricht, die der lokale TV-Sender ToloNews auf Twitter teilte. Auch Massud schrieb auf Facebook, das Pandschir-Tal sei „bisher standhaft geblieben“.

Pandschir konnte von den Taliban auch während ihrer ersten Herrschaft zwischen 1996 und 2001 nicht erobert werden. Das lag neben dem erbitterten Widerstand der Nordallianz auch an der geografischen Lage - der Eingang zum Tal ist eng und gut zu verteidigen.

  • Freitag, 3. September

Zwei Brüder aus Afghanistan nach Verzehr giftiger Pilze gestorben

19.30 Uhr: In Polen ist auch der zweite afghanische Junge gestorben, der nach der Machtübernahme der Taliban in Kabul ausgeflogen worden war und nach der Ankunft in dem EU-Land wie sein Bruder giftige Pilze gegessen hatte. Das Kinderkrankenhaus CZD in Warschau teilte am Freitag mit, dass der Sechsjährige - wie sein fünfjähriger Bruder am Tag zuvor - gestorben sei.

Die Ärzte hatten versucht, den Sechsjährigen durch eine Leber-Transplantation zu retten. Der Fünfjährige starb den ersten Untersuchungen zufolge am Verzehr von Grünen Knollenblätterpilzen. Die Jungen und ihre Familie waren am 23. August in Polen eingetroffen und in einer Flüchtlingsunterkunft in Podkowa Lesna in der Nähe von Warschau untergebracht worden.

Die beiden Jungen waren zusammen mit ihrer Schwester am 26. und 27. August im Krankenhaus aufgenommen worden. Die Schwester wurde später entlassen. Der Vater arbeitete nach einem Bericht des Nachrichtenportals Oko.press mehrere Jahre für die britische Armee in Afghanistan. Nach der Machtübernahme der radikalislamischen Taliban in Kabul wurde die Familie von der polnischen Armee auf Wunsch der britischen Regierung ausgeflogen.

Die polnische Staatsanwaltschaft eröffnete ein Ermittlungsverfahren wegen der Todesfälle. Ein Sprecher der Ausländerbehörde, Jakub Dudziak, dementierte einen Pressebericht, wonach die Kinder die Pilze aßen, weil sie in der Flüchtlingsunterkunft nicht genug zu essen bekommen hätten. Er kündigte an, dass nach diesem „Unglücksfall“ die Angestellten von Flüchtlingsunterkünften darauf hingewiesen würden, dass Afghanen keine „Produkte unbekannter Herkunft“ zu sich nehmen sollten. 

Auch EU stellt Bedingungen für Hilfszahlungen

13.49 Uhr: Die Europäische Union hat den radikalislamischen Taliban Bedingungen für weitere Hilfszahlungen für Afghanistan und diplomatische Kontakte gestellt. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell sagte am Freitag im slowenischen Kranj, die Außenminister der 27 Mitgliedsländer hätten sich im Grundsatz auf gemeinsame „Prüfsteine“ für die erwartete Taliban-Regierung in Kabul geeinigt. Dazu zähle die freie Ausreise für europäische Staatsbürger und Afghanen sowie freier Zugang für humanitäre Helfer.

Als weitere Bedingungen nannte Borrell die Achtung von Frauenrechten und der Pressefreiheit, die Bildung einer „inklusiven und repräsentativen Regierung“ sowie eine Zusage der Taliban, dass Afghanistan nicht erneut Zufluchtsort für Terroristen werden dürfe. Der EU-Außenbeauftragte betonte, die Kontakte zu den Taliban kämen aber nicht einer offiziellen „Anerkennung“ gleich. Der EU-Einigung liegt ein deutsch-französischer Vorschlag zugrunde.

Wenn es die Sicherheitsbedingungen in Kabul erlauben, wollen die EU-Länder nach Borrells Worten auch eine gemeinsame diplomatische Präsenz vor Ort etablieren. Deutschland und andere EU-Staaten hatten ihre Botschaften nach dem Militärabzug vorerst geschlossen. Ein Taliban-Sprecher in Kabul sagte der Nachrichtenagentur AFP, die neue Regierung werde frühestens am Samstag vorgestellt. Zuvor hatte es geheißen, die Bekanntgabe der Regierungsmitglieder könne womöglich schon nach den Freitagsgebeten erfolgen.

  • Donnerstag, 2. September

Maas Stellt Taliban gegen Bedingungen Geld in Aussicht

20.03 Uhr: Bundesaußenminister Heiko Maas hat den militant-islamistischen Taliban in Aussicht gestellt, dass Deutschland die derzeit gestoppten Entwicklungshilfe-Zahlungen für Afghanistan wieder aufnimmt. Voraussetzung sei allerdings eine Regierung, die nicht nur aus Taliban besteht, erklärte der SPD-Politiker am Donnerstagabend zu Beginn von Beratungen mit EU-Amtskollegen in Slowenien.

Zudem müssten grundlegende Menschen- und Frauenrechte gewahrt werden und Afghanistan dürfe zu keinem „neuen Hort für Terrorismus“ werden.

„Die meisten Menschen (...) werden aufgrund der geschlossenen Grenzen Afghanistan nicht verlassen können“, sagte Maas. „Deshalb muss man den Menschen in Afghanistan jetzt helfen, und dafür muss man auch mit den Taliban sprechen.“

Die EU-Partner forderte Maas auf, bei dem Thema an einem Strang zu ziehen. „Es gibt in Afghanistan eine neue Realität - ob uns das gefällt oder nicht. Und wir haben jetzt keine Zeit mehr, die Wunden zu lecken“, sagte er. Wenn die Europäische Union eine Rolle spielen wolle, müsse man jetzt schnell handeln. Maas spielte damit darauf an, dass zum Beispiel China Macht und Einfluss in der Region ausbauen könnte.

Die Beratungen der Außenminister sollen an diesem Freitagnachmittag enden. Neben Afghanistan soll auch der Umgang mit China Thema sein.

Taliban stellen erbeutetes US-Militärgerät in Parade zur Schau

6 Uhr:  Die radikalislamischen Taliban haben in einer Parade bei ihrer Machtübernahme in Afghanistan erbeutetes US-Militärgerät zur Schau gestellt. Eine lange Reihe grüner Humvee-Geländefahrzeuge wartete am Mittwoch auf einer Autobahn vor der Stadt Kandahar, der Geburtsstätte der Islamistenbewegung, wie ein AFP-Reporter berichtete. Viele der Fahrzeuge aus US-Herstellung hatten die weiß-schwarze Taliban-Flagge an ihre Antennen montiert. Auf Videos, die von den Taliban im Internet verbreiteten wurden, war ein Hubschrauber über der vorbereiteten Parade zu sehen, der ein Banner der Miliz hinter sich her zog. Zahlreiche Kämpfer der Islamisten jubelten dem Helikopter zu.

In den vergangenen Tagen war mindestens ein Black-Hawk-Helikopter des US-Militärs über Kandahar gesichtet worden. Da die Taliban bislang nicht über qualifizierte Piloten verfügten, wird davon ausgegangen, dass jemand aus der ehemaligen afghanischen Armee das Gerät steuerte. Die Taliban feiern nach dem Abzug der letzten US-Soldaten aus Afghanistan am Montag ihre Rückkehr an die Macht. Die Islamisten hatten vor gut zwei Wochen die Hauptstadt Kabul eingenommen. In der Nacht zum Dienstag übernahmen sie auch die Kontrolle über den Kabuler Flughafen. 

  • Mittwoch, 1. September

UN: Nahrung für Afghanistan wird Ende September knapp

19.44 Uhr: Die Vereinten Nationen warnen vor dem Versiegen von Nahrungsmittelhilfen für Millionen notleidende Afghanen. „Bis Ende September werden die Vorräte, die das Welternährungsprogramm im Land hat, aufgebraucht sein“, sagte der stellvertretende UN-Sonderbeauftragte für Afghanistan, Ramiz Alakbarov, am Mittwoch. Er betonte, dass die humanitäre Hilfe nicht mit den nötigen finanziellen Mitteln der Mitgliedsstaaten ausgestattet ist - es würden akut mindestens 200 Millionen US-Dollar benötigt.

Die Vereinten Nationen versuchen, im gesamten Land etwa 18 Millionen Notleidende mit Hilfsgütern zu versorgen - momentan könnten aber nur etwa neun Millionen Menschen erreicht werden. Alakbarov berichtete, dass auch nach der Machtübernahme der militant-islamistischen Taliban Hilfslieferungen nach Afghanistan möglich seien. „Wir waren in der Lage, über Grenzübergange von Pakistan aus 600 Tonnen Nahrung mit Trucks zu liefern“, sagte er. Auch Lieferungen auf dem Luftweg nach Masar-i-Scharif seien möglich.

UN-Generalsekretär warnt vor humanitärer Katastrophe in Afghanistan

10.25 Uhr: UN-Generalsekretär António Guterres hat nach dem Abzug der letzten US-Soldaten aus Afghanistan und dem Ende der Evakuierungsaktion vor dem völligen Zusammenbruch der Grundversorgung in dem Land gewarnt. „Eine humanitäre Katastrophe bahnt sich an“, sagte Guterres am Dienstagabend (Ortszeit) in New York. Die Menschen verlören jeden Tag den Zugang zu elementaren Gütern und Dienstleistungen. „Fast die Hälfte der Bevölkerung Afghanistans - 18 Millionen Menschen - sind auf humanitäre Hilfe angewiesen, um zu überleben. Jeder dritte Afghane weiß nicht, woher seine nächste Mahlzeit kommen wird. Mehr als die Hälfte aller Kinder unter fünf Jahren wird im nächsten Jahr voraussichtlich akut unterernährt sein.“

Guterres sagte, alle Mitgliedstaaten seien aufgefordert, „sich für die Menschen in Afghanistan in ihrer dunkelsten Stunde der Not einzusetzen“. Sie sollten rechtzeitig, flexibel und umfassend Mittel bereitstellen. In der nächsten Woche würden Einzelheiten über den dringendsten humanitären Bedarf und den Finanzierungsbedarf für die nächsten vier Monate bekannt gegeben.

  • Dienstag, 31. August

Seehofer lehnt konkrete Zusagen für Afghanistan-Flüchtlinge ab

13.42 Uhr: Bundesinnenminister Horst Seehofer hat sich bei einem EU-Sondertreffen zu den Entwicklungen in Afghanistan gegen konkrete Kontingente für schutzbedürftige Menschen ausgesprochen. „Ich halte es nicht für sehr klug, wenn wir jetzt hier über Zahlen reden, weil Zahlen natürlich etwas auslösen“, sagte der CSU-Politiker am Dienstag in Brüssel. Man wolle keinen „Pull-Effekt“ (Anzieh-Effekt) auslösen. Zugleich betonte Seehofer, dass die Bundesregierung immer Ansiedlungsprogramme für besonders „geschundene Personen“ mit vereinbart habe. „Dazu sind wir auch bereit“, sagte er.

Kritik übte der CSU-Politiker an Drohungen seines luxemburgischen Amtskollegen Jean Asselborn, wegen aus seiner Sicht unzureichender Unterstützungszusagen eine geplante EU-Erklärung zu Afghanistan zu blockieren. „Herr Asselborn sollte ein bisschen stärker die Probleme betrachten, die die großen Länder in der Europäischen Union haben“, sagte er.

Man rede hier nicht über ein paar hundert Personen, sondern über viele tausend, die jetzt schon in Deutschland seien. „Luxemburg ist ja mit sehr kleinen Zahlen immer bei diesen Dingen vertreten und sie sollten ein Stück mehr Rücksicht nehmen auf die Interessen der Hauptaufnahmeländer“, fügte er hinzu. Man müsse auch darauf achten, dass ankommende Menschen kein Sicherheitsrisiko für die Bevölkerung in Deutschland bedeuteten.

Lage in Kabul nach Abzug der USA ruhig

9.34 Uhr: Am Tag nach dem Abzug der USA aus Afghanistan sprechen Bewohner der Hauptstadt Kabul von einem insgesamt ruhigen Tagesbeginn. In der Stadt sei es ruhig, sagte Lotfullah, der im Zentrum der Stadt lebt. Die meisten Geschäfte im Stadtteil Schahr-e Nau seien geöffnet, sie hätten aber kaum Kunden. Ein paar Banken hätten nach fast zwei Wochen ihre großen Filialen geöffnet. Hunderte Menschen stünden an, um Geld abzuheben.

Er sehe insgesamt nicht viele Taliban in den Straßen, sagte er weiter. Zumeist bewachten diese bestimmte Gebäude, vor allem Behörden. Ein Bewohner des Stadtteils Dascht-e Bartschi im Westen Kabuls sagte, private und öffentlichen Schulen hätten erstmals seit der Machtübernahme der militant-islamistischen Taliban Mitte August wieder geöffnet. Alle Schülerinnen und Schüler bis zur sechsten Klasse seien zum Unterricht zurückgekehrt.

Taliban wollen „gute Beziehungen“ mit den USA

6.47 Uhr: Nach dem Abzug der US-Truppen wollen die radikalislamischen Taliban nach eigenen Angaben „gute“ Beziehungen mit den USA. „Wir wollen gute Beziehungen zu den USA und der ganzen Welt haben“, sagte der Taliban-Sprecher Sabihullah Mudschahid am Dienstag bei einer Rede am Flughafen in Kabul. „Wir begrüßen gute diplomatische Beziehungen mit allen.“ Er beglückwünschte die Afghanen zu ihrem „Sieg“, wenige Stunden nachdem die letzten US-Soldaten das Land um kurz vor Mitternacht verlassen hatten. „Glückwunsch an Afghanistan, dieser Sieg gehört uns allen“, sagte Mudschahid, der auf der Landebahn des Kabuler Flughafens stand.

Die US-Armee hatte in der Nacht zum Dienstag ihren Einsatz in Afghanistan nach 20 Jahren beendet. Ein letztes US-Militärflugzeug hob vom Flughafen der Hauptstadt Kabul ab, womit auch die militärische Evakuierungsmission abgeschlossen war. US-Präsident Joe Biden hatte einen vollständigen Truppenabzug bis zum 31. August angeordnet.

  • Montag, 30. August

US-Streitkräfte: Einsatz in Afghanistan ist beendet

22.55 Uhr: Mit dem Abzug ihrer letzten Soldaten vom Flughafen Kabul haben die USA den Militäreinsatz in Afghanistan nach fast 20 Jahren beendet. Das sagte US-General Kenneth McKenzie, der das US-Zentralkommando Centcom führt, am Montag in einer Videoschalte mit Journalisten im Pentagon.

UN-Sicherheitsrat erhöht Druck auf Taliban

22.15 Uhr: Der UN-Sicherheitsrat erhöht den Druck auf die militant-islamistischen Taliban in Afghanistan, die Menschenrechte zu wahren und Ausreisewillige ungehindert passieren zu lassen. In seltener Einigkeit verabschiedete das mächtigste UN-Gremium am Montag eine entsprechende Resolution. Die Entscheidung fiel mit 13 Ja-Stimmen, Russland und China enthielten sich. UN-Resolutionen sind völkerrechtlich bindend.

Der Abzug der US-Truppen aus Afghanistan befindet sich unter extrem gefährlichen Bedingungen in der Endphase. Die USA wollen das Land bis Dienstag verlassen haben. Damit geht auch der militärische Evakuierungseinsatz zu Ende. Im Land befinden sich aber noch Zehntausende Menschen, die sich vor den Taliban in Sicherheit bringen wollen. Die US-Regierung und die westlichen Partner haben wiederholt betont, dass es auch nach dem Ende der militärischen Missionen die Möglichkeit geben soll, Menschen in Sicherheit zu bringen.

In der Resolution, die von Großbritannien und Frankreich zusammen mit den USA und Irland vorgelegt wurde, verweist der UN-Sicherheitsrat auf die Zusagen der Taliban, dass Afghanen das Land jederzeit und auf allen möglichen Wegen ungehindert verlassen dürften. Man erwarte, „dass die Taliban diese und alle anderen Verpflichtungen einhalten“, heißt es darin.

Zugleich unterstreicht das Gremium die Forderung nach einem ungehinderten humanitären Zugang sowie nach Wahrung der Menschenrechte in Afghanistan, insbesondere „der Rechte von Frauen, Kindern und Minderheiten“. Eine zuletzt vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron ins Spiel gebrachte UN-Sicherheitszone in Kabul wird in der Resolution nicht erwähnt.

IS-Terrormiliz reklamiert Raketenangriff in Kabul für sich

15 Uhr: Der in Afghanistan aktive Ableger der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) hat den Raketenangriff am Flughafen von Kabul für sich reklamiert. „Soldaten des Kalifats“ hätten den Flughafen mit sechs Raketen des Typs Katjuscha angegriffen, teilte IS-Khorasan, wie der IS sich in Afghanistan und Pakistan nennt, am Montag auf der Plattform Naschir News mit. Es sei auch bestätigt, dass bei dem Angriff Menschen verletzt worden seien. Eine Bestätigung über mögliche Opfer oder Schäden gab es unabhängig von der Erklärung des IS zunächst nicht.

Auf den Kabuler Flughafen waren Berichten zufolge am Montagmorgen mindestens fünf Raketen abgefeuert worden. Ein Raketenabwehrsystem sei aktiviert worden, berichtete der Fernsehsender CNN unter Berufung auf US-Regierungsmitarbeiter. Dieses kann heranfliegende Objekte mit einem Maschinengewehr zerstören, bevor sie ihr Ziel treffen.

Zehn Tote nach US-Luftangriff in Kabul

11 Uhr: Bei einem US-Luftangriff in der afghanischen Haupstadt Kabul am Wochenende sollen mindestens zehn Zivilisten getötet worden sein. Das berichtet der lokale TV-Sender ToloNews am Montag. Unter den Toten bei dem Angriff am Sonntag seien auch Kinder, hätten Anwohner dem Fernsehsender gesagt.

Das US-Militär hatte am Sonntag mitgeteilt, es untersuche nach dem Luftangriff auf ein Auto der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) Berichte über mögliche zivile Opfer. Der Einsatz habe erfolgreich eine „unmittelbare Bedrohung“ für den Flughafen Kabul durch die Terroristen abgewendet, darüber hinaus würden die Ergebnisse des Luftschlags noch geprüft, hieß es in einer Stellungnahme der US-Kommandozentrale für die Region (Centcom). In dem zerstörten Fahrzeug habe sich „eine große Menge Sprengstoff“ befunden, „die womöglich zu weiteren Opfern führte“, hieß es.

„Es ist nicht klar, was passiert sein könnte und wir untersuchen das weiterhin. Wir wären sehr traurig über den möglichen Tod Unschuldiger“, hieß es in der Stellungnahme des Militärs.  

Maas will nur Afghanen mit Aufnahmezusage bei Ausreise helfen

10.30 Uhr: Bundesaußenminister Heiko Maas will nur denjenigen Menschen bei der Ausreise aus Afghanistan helfen, die eine Zusage für die Aufnahme in Deutschland haben. „Es geht uns nur um diese Personengruppe“, betonte der SPD-Politiker am Montag nach Gesprächen in Usbekistan, das als Nachbarland Afghanistans eine erste Anlaufstation für Schutzsuchende aus Afghanistan ist. Die Regierung in Taschkent habe sich bei der von Deutschland definierten Personengruppe zur Kooperation bereit erklärt. „Darüber hinaus haben wir auch keine Anfrage gestellt.“

Auf den Ausreiselisten des Auswärtigen Amts stehen mehr als 10 000 Afghanen. Dazu zählen ehemalige afghanische Mitarbeiter von Bundeswehr oder Ministerien - die sogenannten Ortskräfte - und besonders schutzbedürftige Menschen wie Menschenrechtsaktivisten oder Frauenrechtlerinnen. Hinzu kommen deren Familienangehörige. Zusammen geht es nach jetzigem Stand um mehr als 40 000 Menschen, die in Deutschland aufgenommen werden sollen - wenn es ihnen gelingt, das Land zu verlassen.

Raketen auf Flughafen in Kabul abgefeuert

7 Uhr: In der afghanischen Hauptstadt Kabul hat es einem Medienbericht zufolge einen Raketenangriff gegeben. Am Montagmorgen (Ortszeit) seien aus der Gegend Chairchanah im Norden der Stadt mehrere Raketen in Richtung Flughafen abgefeuert worden, schrieb der lokale Fernsehsender ToloNews mit Berufung auf Augenzeugen auf Twitter. Der Fernsehsender CNN berichtete und Berufung auf US-Regierungmitarbeiter, dass mindestens fünf Raketen in Richtung Flughafen abgefeuert worden seien.

Über mögliche Opfer oder Schäden gab es zunächst keine Informationen. Der Flughafen verfügt über ein Raketenabwehrsystem. Dieses wurde erst vor wenigen Wochen getestet. In sozialen Medien wurden Videos geteilt, die ein brennendes Auto zeigen sollen, aus dem die Raketen abgefeuert worden sein sollen.

US-Präsident Joe Biden hatte am Sonntag vor möglichen weiteren Anschlagen rund um den Flughafen Kabul gewarnt. Erst am Donnerstag waren bei einem Anschlag der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) am Flughafen Kabul mindestens 13 US-Soldaten - und -soldatinnen sowie zwei Briten ums Leben gekommen. Die Angaben über die afghanischen Todesopfer schwanken, Sender wie CNN sprachen von bis zu 200 Toten.

Der IS hat bereits in der Vergangenheit immer wieder verschiedene Ziele in Kabul mit Raketen angegriffen. Die US-Truppen wollen bis Dienstag Afghanistan verlassen haben.

  • Sonntag, 29. August

Biden trifft Familien der bei Anschlag in Kabul getöteten Soldaten

19.50 Uhr: US-Präsident Joe Biden hat sich mit Hinterbliebenen der 13 bei dem Terroranschlag in Kabul getöteten US-Soldaten getroffen. Im Anschluss wohnten Biden, First Lady Jill Biden, Außenminister Antony Blinken, Verteidigungsminister Lloyd Austin und ranghohe Vertreter der Streitkräfte am Sonntag der Ankunft der Särge der getöteten Soldatinnen und Soldaten bei. Bidens Gespräch mit den Angehörigen fand hinter verschlossenen Türen statt.

Die vom US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein in Rheinland-Pfalz kommenden Särge, jeweils bedeckt mit einer amerikanischen Flagge, wurden von Soldaten am Stützpunkt Dover im Bundesstaat Delaware für die weitere Überführung aus einem Transportflugzeug entladen. Die Vertreter des Militärs salutierten den Gefallenen, Biden und die übrigen politischen Vertreter hielten ihre rechte Hand ans Herz. Anwesenden Journalisten zufolge wurden elf der Särge öffentlich entladen, zwei Familien hatten sich eine nicht-öffentliche Überführung gewünscht.

Die getöteten Soldatinnen und Soldaten waren zwischen 20 und 31 Jahre alt. Unter den Opfern waren laut Verteidigungsministerium elf Marineinfanteristen und je ein Soldat des Heeres und der Marine. Fünf der Marineinfanteristen waren gerade mal 20 Jahre alt. Unter den Opfern waren auch eine 23 sowie eine 25 Jahre alte Soldatin.

US-Militär fliegt Luftangriff gegen IS-Terroristen in Kabul

16.56 Uhr: Das US-Militär hat nach eigenen Angaben in der afghanischen Hauptstadt einen Luftangriff durchgeführt, um eine „unmittelbare Bedrohung“ für den Flughafen Kabul durch Terroristen abzuwenden. Eine Drohne habe erfolgreich auf ein Auto des örtlichen Ablegers der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) gefeuert, erklärte das US-Militär am Sonntag. Weil es nach dem Raketeneinschlag zu „bedeutenden sekundären Explosionen“ kam, sei davon auszugehen, dass in dem Fahrzeug eine große Menge Sprengstoff gewesen sein müsse, hieß es weiter. Es werde geprüft, ob es bei dem Angriff zivile Opfer gab. Bislang gebe es aber keine dahingehenden Hinweise, hieß es. Erst am Donnerstag waren bei einem Anschlag der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) am Flughafen Kabul Dutzende Zivilisten sowie mindestens 13 US-Soldaten ums Leben gekommen.

Kabul von „starker“ Explosion erschüttert 

15 Uhr: In der afghanischen Hauptstadt Kabul sind die Geräusche von mindestens einer Explosion gehört worden. Mehrere Nutzer schrieben auf Twitter, sie hätten eine „starke“ Explosion gehört. Gleichzeitig wurden Bilder und Videos geteilt, auf denen eine große, schwarze, aufsteigenden Rauchsäule zu sehen war. Zwei lokale Journalisten sprachen von einer Rakete, die in einem Privathaus in der Nähe des Flughafens eingeschlagen sein soll. Diese Angaben ließen sich nicht unabhängig überprüfen.

Erst am Donnerstag waren bei einem Anschlag der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) am Flughafen Kabul mindestens 13 US-Soldaten - und -soldatinnen sowie zwei Briten ums Leben gekommen. Die Angaben über die afghanischen Todesopfer schwanken, Sender wie CNN sprachen von bis zu 200 Toten.

US-Präsdent Joe Biden hatte am Sonntag vor möglichen weiteren Anschlagen gewarnt. Die US-Armee, die gerade vom Flughafen Truppen ausfliegt und in Sicherheit bringt, hatte aber auch angekündigt, dass es wohl weitere Sprengungen von Ausrüstung geben werde. 

300 weitere Menschen aus Kabul gerettet

14.30 Uhr: Mit Unterstützung aus Deutschland sind nach dem Ende der Bundeswehrflüge mehr als 300 weitere Schutzbedürftige aus Kabul ausgeflogen worden. Darunter waren nach Angaben aus der Bundesregierung in der Nacht zum Sonntag etwa 140 Deutsche sowie Ortskräfte und Mitarbeiter eines Auftragsunternehmens des beendeten Nato-Einsatzes. „Zeit“ und „Spiegel“ berichteten zudem, dass 189 Schutzbedürftige organisiert von der privaten Rettungsinitiative Luftbrücke Kabul zum Flughafen gebracht und ausgeflogen wurden, darunter auch Mitarbeiter deutscher Medien. Die Bundeswehr hatte ihren Evakuierungseinsatz am Donnerstag beendet. Die US-Streitkräfte wollen bis Dienstag abziehen.

Die Rettungsinitiative warf der Bundesregierung fehlende Unterstützung und massive Widerstände gegen eine vorbereitete Evakuierung vor. „Mit immensem Aufwand konnten wir 18 gefährdete Ortskräfte aus Kabul in Sicherheit bringen. 18 Menschenleben, dabei hätten es hunderte mehr sein können, wenn unsere Rettungsaktion nicht aktiv vom Auswärtigen Amt blockiert worden wäre“, hieß es in einer Erklärung, die am Sonntag auf der Internetseite der zivilgesellschaftlichen Initiative verbreitet wurde. Aus der Bundesregierung wurde die Kritik zurückgewiesen.

Offenbar nur rund 100 Ortskräfte von Bundeswehr aus Kabul ausgeflogen

10 Uhr: Mit den Evakuierungsflügen der Bundeswehr wurden einem Zeitungsbericht zufolge offenbar nur wenige Ortskräfte aus Afghanistan in Sicherheit gebracht. Entsprechende erste Zahlen habe das Bundesinnenministerium in dieser Woche unter anderem im Bundestag präsentiert, berichtete die „Welt am Sonntag“.

Demnach befanden sich unter den bis Mitte der Woche etwa 4500 Ausgeflogenen nur knapp mehr als 100 Ortskräfte mit ihren Familien. Insgesamt mache diese Gruppe rund 500 der 4500 ausgeflogenen Menschen aus.

Angesichts der unübersichtlichen Evakuierungen aus Kabul werde allerdings davon ausgegangen, dass sich mehrere Ortskräfte derzeit womöglich noch in anderen europäischen Ländern aufhielten. Eine Anfrage dazu habe das Bundesinnenministerium unbeantwortet gelassen, schrieb die „WamS“. Nach Angaben des Auswärtigen Amts in Berlin wurden demnach mittlerweile 5300 Menschen aus Kabul in Sicherheit gebracht. 

  • Samstag, 28. August

Joe Biden befürchtet weiteren Anschlag am Kabuler Flughafen

21.51 Uhr: Am Flughafen Kabul ist ein weiterer Terroranschlag vor dem Abzug der US-Truppen laut Präsident Joe Biden „sehr wahrscheinlich“. Die Lage sei weiterhin „extrem gefährlich und die Bedrohung durch Terroranschläge auf den Flughafen bleibt hoch“, erklärte Biden am Samstag. Das Militär sei angewiesen, alle möglichen Schritte zu unternehmen, um die Soldatinnen und Soldaten zu schützen.

Nach einer Beratung mit seinem Sicherheitsberatern und Kommandeuren erklärte er am Samstagnachmittag (Ortszeit), das Militär halte einen Anschlag in den nächsten 24 bis 36 Stunden für sehr wahrscheinlich.

Das US-Militär soll bis Dienstag aus Afghanistan abziehen. Damit wird auch der Einsatz zur Evakuierung von westlichen Staatsbürgern und früheren afghanischen Mitarbeitern und deren Familien enden.

Bei einem Anschlag am Donnerstag in der Nähe des Flughafens in Kabul waren Dutzende Menschen getötet worden, darunter auch 13 US-Soldaten.

Außenminister Heiko Maas bricht zu Länderreise auf

19.48 Uhr: Außenminister Heiko Maas bricht am Sonntag zu einer viertägigen Reise in fünf Länder auf, die alle eine Rolle bei den weiteren Bemühungen um die Ausreise Schutzsuchender aus Afghanistan spielen. Erste Station ist am Sonntag die Türkei, die für den Weiterbetrieb des Flughafens in Kabul und die Aufnahme von Flüchtlingen große Bedeutung hat.

Danach besucht der SPD-Politiker mit Usbekistan, Pakistan und Tadschikistan drei Nachbarländer Afghanistans sowie Katar. Das kleine, aber einflussreiche Golfemirat hat sich tatkräftig an den Evakuierungen beteiligt. In der Hauptstadt Doha sitzt außerdem das politische Büro der militant-islamistischen Taliban, das quasi als Außenministerium der neuen Machthaber in Afghanistan fungiert und mit dem der deutsche Unterhändler Markus Potzel seit Tagen Gespräche über Ausreisefragen führt.

Maas startet nur drei Tage nach dem Ende der Evakuierungsoperation der Bundeswehr, bei der die Luftwaffe unter extrem gefährlichen Bedingungen 5347 Menschen aus mindestens 45 Ländern aus Kabul ausgeflogen hat. Es stehen aber immer noch mehr als 10 000 Menschen auf den Ausreiselisten des Auswärtigen Amts, darunter 300 Deutsche.

Bundeswehr zieht Sanitätsflugzeug ab

18.18 Uhr: Die Bundeswehr hat nun auch ihr Sanitätsflugzeug aus dem usbekischen Taschkent abgezogen, das dort noch für eine mögliche Rettung Verletzter aus dem afghanischen Kabul stationiert war. Die fliegende Intensivstation „MedEvac“ und eine Transportmaschine A400M flogen am Samstag vom usbekischen Taschkent nach Wunstorf bei Hannover. Dort landeten sie am späten Nachmittag, wie die Luftwaffe bestätigte.

Bereits am Freitagabend waren drei Bundeswehrmaschinen aus Taschkent in Wunstorf gelandet, die rund 380 Soldaten aus dem Einsatz zurückbrachten. Bei der größten Evakuierungsoperation in der Geschichte der Bundeswehr hatte die Luftwaffe in elf Tagen 5347 Menschen aus mindestens 45 Ländern aus Kabul ausgeflogen, überwiegend Afghanen, aber auch mehr als 500 Deutsche.

Pentagon: Flughafen in Kabul weiterhin unter Kontrolle des US-Militärs

18.01 Uhr: Das US-Militär hat den Flughafen Kabul nach eigenen Angaben weiterhin komplett unter Kontrolle. Das Militär werde noch bis zum geplanten Abzug am Dienstag für Sicherheit und Betrieb des Airports verantwortlich sein, sagte der Sprecher des US-Verteidigungsministeriums, John Kirby, am Samstag. Alle Tore des Flughafens stünden weiter unter Kontrolle der US-Truppen.

Damit widersprach Kirby einer Darstellung der militant-islamistischen Taliban, wonach die USA „zwei, drei“ Zugänge zum Flughafen in der Nacht zu Samstag an Kräfte der Islamisten übergeben hätten. Die Taliban hätten Sicherheitskontrollen rund um den Flughafen errichtet, sagte Kirby. „Aber sie kontrollieren keine Tore, sie sind nicht am Flughafen und haben keine Rolle für die Sicherheit“, betonte Kirby.

20.500 aus Afghanistan ausgeflogene Menschen landeten bisher in Ramstein

14.21 Uhr: Etwa 20.500 Evakuierte aus Afghanistan sind bis Samstag auf der Air Base Ramstein in Rheinland-Pfalz gelandet. Das teilte der weltweit größte US-Luftwaffenstützpunkt außerhalb Amerikas mit. Ramstein nahe Kaiserslautern ist seit dem 20. August ein US-Drehkreuz für Geflüchtete aus Afghanistan.

Etwa 100 Flugzeuge der United States Air Force seien auf der Air Base eingetroffen, berichtete eine Sprecherin des Stützpunkts. Mehr als 5000 Evakuierte seien von dort mit etwa 22 Flügen weitergereist. Die Flüge werden voraussichtlich über das ganze Wochenende andauern.

Schutzsuchende wie etwa ehemalige Ortskräfte der USA in Afghanistan und ihre Familien, die aus Angst vor den Taliban ihre Heimat verlassen, kommen zunächst in Zelten und Flugzeughangars der Air Base unter. Sie werden registriert und bei Bedarf medizinisch behandelt. In der US-Militäranlage Rhine Ordnance Barracks in Kaiserslautern werden Menschen aus Afghanistan ebenfalls vorübergehend beherbergt.

Mehrere Flughafen-Gates in Kabul übernommen

12.23 Uhr: Die militant-islamistischen Taliban haben eigenen Angaben zufolge mehrere Tore am Flughafen Kabul unter ihre Kontrolle gebracht. „Zwei, drei“ Zugänge zum Flughafen seien in der Nacht zu Samstag von den USA an Kräfte der Islamisten übergeben worden, sagte ein Vertreter der Taliban der Deutschen Presse-Agentur (dpa) am Samstag.

Der Sprecher des US-Verteidigungsministeriums, John Kirby, hatte eine derartige Übergabe nach ersten Medienberichten darüber in der Nacht zum Samstag allerdings vehement und ohne Zögern dementiert. Taliban kontrollierten weder den Flughafen noch Teile davon, noch Tore des Geländes, sagte der Sprecher des US-Verteidigungsministeriums am Freitag. In der Nacht zu Samstag hatten pro-Taliban-Nutzer auf Twitter Bilder geteilt, die Taliban-Kräfte wenige Meter hinter dem Zugang zum zivilen Teil des Flughafen zeigen sollen, also innerhalb des Flughafengeländes. Auch am Samstagmorgen (Ortszeit) teilten sie Bilder, die Taliban-Kräfte noch etwas weiter innerhalb des zivilen Teils des Flughafengeländes zeigten nahe des VIP-Parkplatzes und des Inlandsterminals.

Von wann die Fotos sind, ist nicht klar. In der Vergangenheit haben die Islamisten ihre Kämpfer immer wieder kurzzeitig an bekannte Punkte geschickt und Fotos machen lassen, um beispielsweise in sozialen Medien ihr Vorrücken auf eine bestimmte Stadt vorzutäuschen und Panik zu schüren.

Vereinte Nationen starten Hilfsappell wegen Dürre

12.53 Uhr: In einem dringenden Hilfsappell haben die Vereinten Nationen Unterstützung für Millionen afghanische Bauern gefordert, denen wegen extremer Dürre verheerende Ernteausfälle drohen. Die Bauern seien von „akuter Ernährungsunsicherheit“ bedroht, erklärte die UN-Ernährungsorganisation FAO am Samstag. Sie warnte vor einer innerafghanischen Fluchtbewegung und weiterer Instabilität in Afghanistan.

„Wenn wir es nicht schaffen, den am meisten von der akuten Dürre bedrohten Menschen zu helfen, werden viele von ihnen dazu gezwungen, ihre Farmen zu verlassen“, betonte FAO-Direktor Qu Dongyu. „Dies könnte die Ernährungsunsicherheit verschärfen und die Stabilität Afghanistans zusätzlich bedrohen.“ Von akuter Ernährungsunsicherheit aufgrund der Dürre in Afghanistan sind nach UN-Angaben insgesamt etwa 14 Millionen Menschen bedroht, darunter zwei Millionen Kinder. Laut FAO werden zusätzlich zu bestehenden Hilfsgeldern weitere 18 Millionen Dollar (15 Millionen Euro) benötigt. Mit diesem Betrag könnten demnach 250.000 Bauernfamilien - etwa 1,5 Millionen Menschen - mit Weizensaatgut versorgt werden.

Nach der Machtübernahme der radikalislamischen Taliban in Afghanistan befürchten viele Hilfsorganisationen einen nur noch eingeschränkten humanitären Zugang zu Menschen in Not. Die Vereinten Nationen warnten angesichts mangelnder Lebensmittelvorräte vor einer humanitären Katastrophe in dem Land. (afp/dpa/red)

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