Analyse des Bolton-BuchsWarum Trump auch diese Enthüllung unbeschadet überstehen wird

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Kritischer Blick: John Bolton im Oval Office im Weißen Haus mit Donald Trump

Erneut sorgt ein Enthüllungsbuch in Washington für Aufsehen: John Bolton, der frühere Nationale Sicherheitsberater der Vereinigten Staaten, beschreibt Donald Trump, für den er fast eineinhalb Jahre tätig war, in seinem Werk „The Room, where it happened“ („Der Raum, in dem es geschah“) als überfordert und ahnungslos.

Wer ist Bolton?

Von April 2018 bis zu seinem Rückzug im September 2019 war John Bolton einer der wichtigsten Regierungsbeamten in den Vereinigten Staaten.  Zuvor hatte er bereits unter den Präsidenten Ronald Reagan, George Bush und dessen Sohn George W. Bush gearbeitet.  Bolton gilt als Hardliner, als Falke.  Gegenüber Staaten wie Nordkorea oder Russland forderte Bolton eine härtere Haltung ein, als Trump sie ohnehin zeitweise einnahm.  Nicht zuletzt im Zuge des Konflikts mit dem Iran erarbeitete er sich den Ruf als „Trumps Kriegsflüsterer“. 

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Dass der Präsident im Juni des vergangenen Jahres nach einem Abschuss einer unbemannten US-Drohne mit dem Verweis auf die Unverhältnismäßigkeit von 150 Todesopfern auf die von ihm geforderten Militärschläge gegen Teheran verzichtete, bezeichnet Bolton heute als „irrationalste Entscheidung, die je ein Präsident getroffen“ habe.

Die neuen Enthüllungen

Bolton erhebt in seinem Buch, das mehreren US-Medien vorab zur Verfügung gestellt wurde, schwere Vorwürfe gegen den US-Präsidenten. Die für Trump problematischste Passage betrifft den Umgang der USA mit China. So habe Trump laut Bolton den chinesischen Präsidenten Xi Jinping im Rahmen des G7-Gipfels in Japan im Juni des vergangenen Jahres darum gebeten, ihn bei der Wiederwahl zu unterstützen.

China könne etwa amerikanischen Farmern, die für den Ausgang der Wahl im November eine wichtige Rolle spielten, durch den Kauf von Sojabohnen und Weizen helfen. Trump signalisierte Xi hingegen, den Bau der offiziell international scharf kritisierten Lager für die Uiguren zu billigen. „Es ist wirklich schwierig, irgendeine signifikante Entscheidung Trumps während meiner Zeit im Weißen Haus zu identifizieren, die nicht von Überlegungen zu seiner Wiederwahl getrieben war“, schreibt Bolton.

Das Bild, das Bolton weiter von Trump zeichnet, ist zwar verheerend, wird dem Präsidenten in seinem Amt aber kaum gefährlich. So scheinen sich die geopolitischen Kenntnisse Trumps in Grenzen zu halten. Er habe etwa gefragt, ob Finnland zu Russland gehöre oder bekannt, dass ihm Großbritanniens Status als Atommacht nicht bewusst gewesen sei. Venezuela sei in Wirklichkeit Teil der Vereinigten Staaten, weshalb eine Invasion „cool“ sei. Außerdem habe Trump dem nordkoreanischen Machthaber Kim Jong Un aus Vorliebe für Diktatoren unbedingt Geschenke machen wollen – unter anderem eine signierte CD des Elton-John-Songs „Rocket Man“.

Wie reagiert Trump?

Donald Trump bezeichnete das Buch als „Zusammenstellung von Lügen und erfundenen Geschichten“. Viele der ihm unterstellten Aussagen seien „pure Fiktion“, schrieb Trump. Bolton sei ein „Lügner“, der es darauf abgesehen habe, ihn schlecht dastehen zu lassen.

Die Folgen

Enthüllungen, wie sie Bolton vorträgt, würden in vielen demokratisch geführten Ländern eine ernsthafte Regierungskrise auslösen. Dass Trump nun nachhaltig in Bedrängnis gerät, ist indes unwahrscheinlich. Aus deutscher Perspektive, einem Land, in dem politische Karrieren schon wegen Veröffentlichungen von weitaus weniger Tragweite beendet wurden, ist das kaum mehr nachvollziehbar. Doch das politische System in den USA, das eine Spaltung der Bevölkerung praktisch fördert, ist ein perfekter Nährboden für einen Präsidenten, der sein Land im Stile eines Autokraten zu führen gedenkt und seine persönlichen Befindlichkeiten über die seines Volkes stellt. Bei seiner Stamm-Wählerschaft wird der US-Präsident jedenfalls aufgrund der Enthüllungen weiterhin nicht in Missgunst fallen.

Während seiner Amtszeit sind zahlreiche Werke von Insidern oder Journalisten erschienen, die die chaotischen Verhältnisse im Weißen Haus beschreiben – sie alle sind nach einer kurzen Welle der Empörung folgenlos für den Präsidenten geblieben. Sogar ein Impeachment-Verfahren, in dem die erhobenen Vorwürfe praktisch bestätigt wurden, was so nun auch in Boltons Buch nachzulesen ist, überstand Trump, weil ihm die Unterstützung seiner Gefolgschaft sicher ist. Die reflexartige Reaktion, dass Trump nun wirklich eine Grenze überschritten habe, wird wohl wieder abebben.

Boltons Enthüllungen werden den Wahlkampf dennoch beeinflussen. Umfragen von Anfang Juni zufolge liegt Joe Biden, designierter Präsidentschaftskandidat der Demokraten, in der Wählergunst vorne. Dass durch das US-Wahlsystem  auch Kandidaten gewinnen können, die weniger Stimmen bekommen haben als ihr Konkurrent, sollte gleichwohl spätestens seit 2016 bekannt sein.

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