Auch umstrittene DrohnenBundeswehr plant großen Rüstungseinkauf

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Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen

Berlin – Für das Jahr 2018 plant das Verteidigungsministerium unter Ursula von der Leyen derzeit mindestens 18 Rüstungseinkäufe, die jeweils mindestens den Wert von 25 Millionen Euro haben. Das geht aus einer vorläufigen Liste des Ministeriums hervor, die dieser Zeitung vorliegt.

Zu den geplanten Neuanschaffungen zählen Heron TP-Drohnen vom israelischen Hersteller Israel Aerospace Industries (IAI). Das Leasing dieser Drohnen gilt als Übergangslösung für eine Eurodrohne, an deren Entwicklung Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien gemeinsam arbeiten. Sie steckt noch in der Entwicklung und soll frühestens 2025 fertig werden. Union und SPD hatten die unbemannten Fluggeräte aus Israel bereits im Koalitionsvertrag als Zwischenlösung festgehalten.

Strittig war in der Diskussion damals lange, ob waffenfähige Drohnen angeschafft werden sollten. Die SPD wollte das ursprünglich verhindern. Man entschied sich letztlich doch für die Version, die Waffen tragen kann, und fügte im Koalitionsvertrag einen Kompromiss hinzu: Über die Bewaffnung der Heron-Drohnen entscheide der Bundestag „nach ausführlicher völkerrechtlicher verfassungsrechtlicher und ethischer Würdigung gesondert“.

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Grüne kritisieren Haltung der SPD

Die wechselhafte Haltung der SPD sieht Tobias Lindner, Sprecher für Sicherheitspolitik der Grünen, kritisch. Er sei gespannt, „wie die SPD der Öffentlichkeit erklären will, dass sie nun eine Vorlage zum Leasing von Kampfdrohnen befürwortet, die sie in der letzten Sitzungswoche der vergangenen Wahlperiode noch abgelehnt hat."

Die SPD vermeidet zurzeit eine eindeutige Positionierung. Die Frage, ob der Einsatz bewaffneter Drohnen in einem bestimmten Gebiet sinnvoll sei, könne man „theoretisch nicht beantworten“, sagte Fritz Felgentreu, verteidigungspolitischer Sprecher der SPD, dieser Zeitung. Falls die Bundesregierung einen entsprechenden Antrag stelle, würde die SPD den konkreten Fall betrachten und eine „verantwortungsvolle Entscheidung“ treffen.

FDP und AfD befürworten bewaffnete Drohnen

FDP und AfD befürworten den Einsatz von bewaffneten Drohnen. „Die Beschaffung von bewaffneten Drohnen ist zwingend erforderlich“, so Rüdiger Lucassen, Obmann der AfD im Verteidigungsausschuss, „um das konventionelle Abschreckungspotenzial auf ein Niveau zu bringen, das den Aufgaben in der Landes- und Bündnisverteidigung gerecht wird.“ Von „blankem Wahnsinn“ spricht hingegen die Linke. „Diese zynische Form der Kriegsführung, am Joystick über Leben und Tod zu entscheiden, darf nicht stattfinden“, sagte Matthias Höhn, sicherheitspolitischer Sprecher der Linken, dieser Zeitung.

Auch die Betreiberverträge mit Airbus für die Heron 1-Aufklärungsdrohnen will das Bundesverteidigungsministerium um ein Jahr bis 2020 verlängern. Sie sind für die Bundeswehr seit 2010 bereits in Afghanistan im Einsatz, seit 2016 werden sie auch in Mali eingesetzt. Piloten der Luftwaffe steuern sie von Bodenstationen aus.

Von 2019 bis 2021 soll außerdem der Vertrag zum Einsatz von ukrainischen Antonov-Transportflugzeugen verlängert werden. Die Antonov AN124 ist eines der größten Flugzeuge der Welt, kann 120 Tonnen Fracht laden, 4800 Kilometer weit fliegen und auch auf Flughäfen landen, die nicht perfekt ausgestattet sind. Hubschrauber, Panzer und sperriges Material werden mit den Riesenfliegern von Leipzig aus ins Ausland geflogen. Die Bundeswehr, die nicht über eigene Flugzeuge dieser Größe verfügt, kooperierte bis vor kurzem mit einer russischen und einer ukrainischen Firma. Nach Meldungen des Fachportals „CargoForwarder Global“ von Mitte April sind die Russen aber aus den Verträgen ausgestiegen. Für den Luftraum will die Bundeswehr außerdem einen leichten Hubschrauber für den Such- und Rettungsdienst sowie sechs Transportflugzeuge vom Typ C-130J Hercules beschaffen, die im Rahmen einer deutsch-französischen Zusammenarbeit in Évreux in der Normandie stationiert werden sollen.

Linke bewertet Beschaffungsliste als „völlig überdimensioniert“

Außerdem auf der Einkaufsliste des Verteidigungsministeriums stehen: die Entwicklung eines neuen Radarsystems für Eurofighter, containerbasierte Gefechtsstände für Landoperationen, 18 mittlere Raketenwerfer des Typs Mars II, 258 Ausbildungssimulatoren für den Schützenpanzer Puma, 32 Sattelzüge zum Transport von Waffensystemen sowie Kampfkleidung und Schutzwesten für die Soldaten.

Die Linke bewertet die Beschaffungsliste der Bundeswehr als „völlig überdimensioniert“. „Darüber kann sich nur die Rüstungsindustrie freuen“, so Höhn und kritisiert „größtenteils Missmanagement“ im Verteidigungsministerium.

Die FDP hingegen sieht wenig Grund zur Aufregung. Auf der Liste fänden sich vor allem bereits bekannte Vorhaben, die nicht geeignet seien, das strukturelle Ausrüstungsproblem der Bundeswehr zu lösen, so Marie-Agnes Strack-Zimmermann, stellvertretende Bundesvorsitzende der FDP. Dennoch zeichneten sich schon jetzt bei vielen Projekten „rechtliche Probleme und Verzögerungen“ ab. „Wir sollten erstmal abwarten, ob sich Frau von der Leyen gegen Herrn Scholz durchsetzen kann.“

250 Millionen Euro extra pro Jahr für den Verteidigungsetat

Im Koalitionsvertrag wurden 250 Millionen Euro extra pro Jahr für den Verteidigungsetat vereinbart. Finanzminister Olaf Scholz (SPD) will bis Ende dieses Monats einen Entwurf für den Haushalt aufstellen, der bis Juli vom Bundestag beschlossen werden soll.

Auch der stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Bundeswehr-Verbandes, Andreas Steinmetz, sieht mit der aktuellen Liste „keinesfalls“ alle Lücken in der Ausstattung der Bundeswehr behoben. „Sie gibt offenbar die Prioritäten der militärischen Führung wider.“ Jetzt komme es darauf an, dass die Parlamentarier das nötige Geld zur Beschaffung zur Verfügung stellen. „Sie haben jetzt die Chance, zu beweisen, dass sie es ernst meinen, wenn sie beispielsweise im Koalitionsvertrag von „„bestmöglicher Ausrüstung, Ausbildung und Betreuung“ sprechen.“

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