KommentarWarum der „Kartoffelaufstand“ gegen Ferda Ataman ins Leere läuft

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Ataman dpa 170622

Ferda Ataman ist die neue Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung (Archivbild)

  • Seit die Bundesregierung Ferda Ataman als Antidiskriminierungsbeauftragte vorgeschlagen hat, tobt eine Debatte um die Publizistin.
  • Ataman wird vorgeworfen, mit der Bezeichnung „Kartoffel“ Deutsche ohne Migrationshintergrund diskriminiert zu haben.
  • Am Donnerstag wurde Ataman gewählt und der Vorwurf läuft auch nach wochenlanger Debatte noch genauso ins Leere wie zu Beginn.

Die Bundesregierung hat Ferda Ataman als Antidiskriminierungsbeauftragte zunächst vorgeschlagen und dann gewählt – und damit nicht nur auf Twitter, sondern auch bei Union und FDP für teilweise kritische bis empörte Reaktionen gesorgt. Bei der AfD ohnehin. Stein des Anstoßes für die allermeisten: Die Politikwissenschaftlerin und Publizistin hatte einst in einer „Spiegel“-Kolumne „Kartoffel“ als Bezeichnung für Deutsche ohne Migrationshintergrund als nichtdiskriminierend verteidigt und damit sowohl damals als auch jetzt für einen kleinen „Kartoffelaufstand“ gesorgt.

Deutsche als „Kartoffel“ zu bezeichnen, finden manche, sei „genauso diskriminierend“ wie andersrum so manche Begriffe für ethnische Minderheiten, die hier nicht reproduziert werden müssen. Schlimmer noch: „Kartoffel“, das sei „Rassismus gegen Weiße“. Beides ist freilich völliger Quatsch – und Ataman, gerade weil sie das versteht, prima geeignet für den Job.

Müllers, Schmidts und Schneiders

Aber von vorn. „Kartoffel“ meint nicht alles Deutsche. Ataman selbst ist gebürtige Stuttgarterin, ziemlich deutsch also. Eine „Kartoffel” ist sie aber nicht. Die Politikwissenschaftlerin hat türkische Eltern und einen türkischen Namen – und weiß daher, was das in einer Mehrheitsgesellschaft der Müllers, Schmidts und Schneiders bedeutet.

„Kartoffel“ meint aber auch nicht jeden Müller, Schmidt oder Schneider ohne Migrationsgeschichte, sondern vor allem die besonders spießigen und „typisch deutschen“ – Überspitzung impliziert – Exemplare. Mit Handtüchern am Pool Liegestühle reservieren, hobbymäßig Falschparker verpfeifen und nur widerwillig Trinkgeld geben: Das meint “Kartoffel” vor allem. Niemand ist gezwungen, so zu sein – eine Hautfarbe oder einen Nachnamen, die hat man aber.

Kartoffel ist Gemüsemehrheit

Außerdem passt es doch auch prima: Kartoffeln gibt es ziemlich viele, sie sind keineswegs vom Aussterben bedroht. Die goldene Knolle ist als eines der wichtigsten Nahrungsmittel der Welt quasi überall und immer in diversen Varianten verfügbar. Die Kartoffel ist eindeutig Gemüsemehrheit.

Konventionell, manchmal blass und oft ein wenig fad ist Solanum tuberosum aber eben auch – und teilt damit insgesamt einige Eigenschaften mit dem deutschen Spießertum. Sogar die weltweite Verfügbarkeit – wie Reisende wissen.

„Kartoffel“ kann Beleidigung aber nicht Diskriminierung sein

„Kartoffel“ kann natürlich auch als bösgemeinte Beleidigung verwendet werden. Doch selbst da wäre der Vergleich mit einer beliebten Nutzpflanze weit von den oberen Rängen verbaler Grausamkeiten entfernt. Vor allem aber ist „Kartoffel“, selbst als Beleidigung gemeint, nicht „diskriminierend“. Und erst recht kein „Rassismus gegen Weiße“.

Es gibt ohnehin kaum denkbare Szenarien, in denen Mitglieder einer weißen Mehrheitsgesellschaft tatsächlich Opfer von Rassismus werden könnten. Ganz ähnlich verhält es sich mit Diskriminierung – die können zwar auch weiße Menschen aus diversen Gründen erfahren: wegen ihrer sexuellen Identität, ihrer Religion, körperlichen Fähigkeiten oder ihrer sozialen Stellung. Aber in unserer Gesellschaft eben nicht wegen ihrer Hautfarbe oder ihres deutschen Nachnamens.

Müller bekommt den Mietvertrag

Deshalb kriegen Müllers, Schmidts und Schneiders in Deutschland problemlos einen Mietvertrag, Atamans aber nicht. Diskriminierung und Rassismus kennen nur eine Richtung: von der Mehrheit zur Minderheit. Das erneute Diskriminierungsgeschrei der weißen Mehrheitsgesellschaft ist hier also unangebracht.

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Eine verbale Erdapfel-Alternative gäbe es für die Schreihälse übrigens sogar: „Alman“ heißt übersetzt „deutsch“ und bleibt damit unschuldig weit abseits jeglicher Nahrungsmittelvergleiche, meint inhaltlich meist aber so ziemlich dasselbe wie „Kartoffel“.

Giftpflanze des Jahres 2022

Doch auch diese Bezeichnung ist vielen „Kartoffeln“ ebenso wenig recht wie nun die Entscheidung, mit Ataman eine Frau zur Antidiskriminierungsbeauftragte des Bundes zu machen, die im Gegensatz zu ihnen auch wirklich weiß, was Diskriminierung und Rassismus bedeuten. Der ehemalige CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet hatte dagegen übrigens keine Einwände: Für ihn arbeitete Ataman bereits als Redenschreiberin – und bekam vom Christdemokraten bereits nach ihrer Nominierung Glückwünsche zum neuen Job.

Kein Wunder: Ferda Ataman bringt mit, was es für den Job braucht – und eine „Kartoffel“ wäre dafür doch ohnehin denkbar ungeeignet gewesen. Vom Botanischen Sondergarten Wandsbek wurde der Erdapfel schließlich jüngst zur Giftpflanze des Jahres 2022 gekürt. Angesichts des neuerlichen Kartoffelaufstands weiß man auch, warum.   

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