Bilanz der Terrorermittler in NRW14-jähriger Neonazi plante Anschlag

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Haftpruefung_beim_Bundesanwalt

Vier in Nordrhein-Westfalen festgenommene terrorverdächtige Tadschiken werden im April 2020 beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe dem Haftrichter vorgeführt (Symbolbild). 

  • Die nordrhein-westfälische Zentralstelle Terrorismusverfolgung hat seit Beginn ihrer Arbeit im Frühjahr 2018 annähernd 500 Terrorverfahren geführt.
  • Schwerpunkte ihrer Arbeit waren die Verfolgung von islamistischen Terroristen und von gewalttätigen Rechtsextremisten.
  • Unter den Rechtsextremen fällt auf, dass die Anschlagsplaner zunehmend noch im jugendlichen Alter sind. Eine Bilanz.

Düsseldorf – Die rechtsextremen Anschlagsplaner werden immer jünger: So ermittelt die Zentralstelle Terrorismusverfolgung (Zen Ter NRW) gegen einen 14-Jährigen – der Junge aus Westfalen muss sich auf eine Anklage wegen versuchter Anstiftung zum Mord und einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat einstellen. Wie der „Kölner Stadt-Anzeiger“ erfuhr, soll er per WhatsApp einen Mitschüler aufgefordert haben, mit einer Schusswaffe oder einem Messer in einer Synagoge oder einer Moschee ein Blutbad anzurichten.

Auch besteht der Verdacht, dass sich der junge Neonazi bereits diverse Chemikalien und Anleitungen beschafft hatte, um Sprengkörper herzustellen. Der Schüler hatte bereits eine Probesprengung durchgeführt.

Genaue Zielorte oder einen Zeitpunkt für einen Anschlag hatte er noch nicht ausgewählt. Die Pläne befanden sich im Anfangsstadium. Letztlich sollen die Strafverfolger über Mitschüler Hinweise auf den 14-jährigen Deutschen bekommen haben.

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Der Jugendliche wurde von der Haft verschont, um sich in eine geschlossene Jugendwohngruppe zu begeben. Im Kern habe er vorgehabt, „öffentlichkeitswirksam Menschen jüdischen oder muslimischen Glaubens zu töten“, sagte der Leiter der Anti-Terror-Abteilung bei der Düsseldorfer Generalstaatsanwaltschaft, Markus Caspers, am Montag.

481 Verfahren in zweieinhalb Jahren

Gemeinsam mit Justizminister Peter Biesenbach (CDU) referierte der Leitende Oberstaatsanwalt über die Erfolge der Zentralstelle im Kampf gegen Terrorgruppen oder Einzeltäter. Seit ihrem Start im März 2018 hat Zen Ter NRW 481 Terrorverfahren geführt. Der größte Teil richtete sich gegen Anhänger dschihadistischer Organisationen im In- und Ausland.

Vor allem gegen Mitglieder und Helfer des „Islamischen Staats“ (IS). 200 Gefährder ordnen die Sicherheitsbehörden in NRW dem radikal-islamischen Spektrum zu. Diese Personen sind durch die Staatsschützer der Polizei als „potenzielle Attentäter“ eingestuft worden. Minister Biesenbach betonte, „dass wir vor allem die Gefährder im Auge behalten müssen“.

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Allein 18 IS-Kämpfer sollen sich noch im Kriegsgebiet in Syrien und dem Irak befinden. Sie werden mit internationalem Haftbefehl gesucht. Es geraten auch Migranten in den Blick, die sich erst in Deutschland radikalisierten.

Chefankläger Caspers verwies auf einen jugendlichen Syrer aus Leverkusen: Seit er 16 war, agitierte der junge Mann im Netz für den IS. Er verbreitete Gewaltvideos und lud sich Anleitungen für den Bombenbau herunter. Er legte einen Treueeid auf den inzwischen getöteten IS-Chef Abu Bakr al-Baghdadi ab.

Zudem wollte er in Syrien einen Abtrünnigen töten, der sich vom Islam abgewandt hatte. Die Tat konnte in letzter Minute vereitelt werden. Ende Januar wurde der heute 18-jährige Fanatiker zu vier Jahren Jugendstrafe verurteilt.

Auch den Fall des Messerattentäters von Stolberg haben die Düsseldorfer an sich gezogen. Der Deutsch-Iraker Diyako G. hatte vor gut drei Wochen nachts einen Autofahrer angegriffen. Er riss die Tür auf und soll „Allahu akbar“ gerufen haben, ehe er zustach. Das Opfer überlebte schwer verletzt.

Die Ermittler gehen von einem islamistischen Hintergrund aus. Inzwischen sitzt der Beschuldigte wegen Wiederholungsgefahr in Untersuchungshaft – im März soll er einen Passanten in Aachen mit einem Messer verletzt haben.

Zahlreiche Strafverfahren richten sich gegen Einzelpersonen, die kurz vor Anschlägen stehen könnten. Da geht es um Schießübungen, die Ausbildung an Sprengstoffen und Giften oder eine Ausreise in Kampftrainings-Camps. 200 Fälle haben die „Zen Ter“-Ankläger aufgelistet. „Betroffen sind hier auch Beschuldigte aus dem rechtsextremistischen Spektrum“ – 25 rechtsextreme Gefährder werden in NRW geführt.

Der Kampf gegen Neonazis folgt einer Strategie der Nadelstiche – ein Großteil der 55 Verfahren in dem Bereich drehen sich um Alltagskriminalität. Zuletzt kassierte ein 44-jähriger Wuppertaler wegen Handels mit Amphetaminen nebst häuslicher Gewalt und Urkundenfälschung drei Jahre Haft. Minister Biesenbach sagt, man müsse solche Gefährder aus dem Verkehr ziehen, „ehe sie weiteren Schaden anrichten“.

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