Bilderberg-KonferenzMythos der „geheimen Weltregierung“ − ein Fakten-Check

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Bilderberg-Protest

Bilderberg-Protest

Dresden – Die Bilderberger. Sie treffen sich einmal jährlich in streng abgeschirmten Hotels, aus denen keine Nachrichten nach außen dringen. Journalisten nehmen an ihren Zusammenkünften teil, dürfen aber keine Zeile über das schreiben, was sie erfahren.

Zu den Teilnehmern gehören immer Vertreter von Regierungen, Organisationen, Weltkonzernen, aus Generalstäben und von international agierenden Denkfabriken. Den Schutz der „Schutzpersonen“, wie es im Ministeriumsdeutsch heißt, übernehmen regelmäßig reguläre Polizeieinheiten, die Kosten landen anschließend beim Steuerzahler. Dabei handelt es sich bei der Bilderberg-Konferenz doch erklärtermaßen um ein privates Treffen mit rein informellem Charakter.

Die Mischung ist es, die seit Jahrzehnten die Fantasie von Menschen anregt. Wenn Ex-Präsidenten und Geheimdienstchefs sich hinter verschlossenen Türen mit Ministern, Konzernlenkern und Vordenkern unterhalten, wenn große Namen wie Kissinger, Rockefeller und Gates auf mächtige Menschen wie Merkel, Trichet und Barroso treffen, ohne dass die Öffentlichkeit erfährt, was sie mit welchem Ziel besprechen, dann steht die Tür naturgemäß weit auf zu Verschwörungstheorien aller Art. Nach Ansicht ihrer schärfsten Gegner ist die Bilderberg-Konferenz - schlicht so beannt nach einem Hotel in den Niederlanden, in dem 1954 das erste Treffen stattfand - so eine Art geheime Weltregierung, das Schicksal ganzer Völker unter sich auskegelt.

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Nach Auffassung seriöser Gegner handelt es sich schlicht um einen abgehobenen Klub ohne demokratische Legitimation. Und nachoffizieller Lesart der Konferenzteilnehmer geht es im Grunde nur um einen Ort offenen Austausches zwischen Entscheidungsträgern aus aller Welt.

Treffen in Dresden

Die Bilderberg-Konferenz

Im Taschenberg-Palais wird diesmal getagt.

Im Taschenberg-Palais wird diesmal getagt.

Die Bilderberg-Konferenz findet seit 1954 einmal jährlich in Europa oder in den USA statt. Benannt wurde das Treffen nach dem Hotel Bilderberg in den Niederlanden, in das Prinz Bernhard der Niederlande zur Premiere eingeladen hatte. Organisiert wird das Treffen, das zwischen 1954 und 2010 nur ganze 30 Mal in großen deutschen Zeitungen und Nachrichtenmagazinen erwähnt wurde, von einem Lenkungsausschuss, zu dem über Jahre hinweg Redakteure und Chefredakteure der Hamburger Wochenzeitung „Die Zeit“ gehörten.

Bundesregierung wortkarg

Derzeit führt Henri de Castries, der Vorstandschef des Versicherungskonzerns Axa den Lenkungsausschuss, in dem Banker von Goldman Sachs und Morgan Stanley, Ex-Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann, Ex-EZB-Chef Jean-Claude Trichet und Wirtschaftsgrößen wie Alcoa-Chef Klaus Kleinfeld sitzen.

Auf eine Anfrage der Linken bestätigte die Bundesregierung, dass Kanzlerin Merkel und ihre Minister Gabriel, von der Leyen, Altmeier, Schäuble und Steinmeier eine Einladung nach Dresden erhalten haben. Ob jemand und wer teilnehmen wird, ließ die Bundesregierung im Dunkeln. (stk)

Wer hat recht? Was ist wahr? Unsere Zeitung hat die elf schönsten Mythen um die Bilderberger auf ihren Wahrheitsgehalt geprüft.

Die Bilderberger sind ein Geheimverein, der eine neue Weltordnung plant.

Als die erste Bilderberg-Konferenz vorbereitet wurde, konnte von der Planung einer neuen Weltordnung noch nicht die Rede sein. Europa litt noch unter den Nachwirkungen des II. Weltkrieges, zudem verschärfte sich der Widerspruch zwischen dem Westen und dem Ostblock fortwährend. Die USA fürchteten, dass Europa unter sowjetischen Einfluss geraten könnte - in Italien und Frankreich sammelten kommunistische Parteien damals bis zu einem Fünftel der Wählerstimmen. Die von den Niederlanden ausgehende Initiative zu einem alljährlichen Versammlung strikt westlich orientierter Entscheidungsträger folgte eher der Logik, die Verbindung zwischen Westeuropa und den USA durch informellen Informationsaustausch zu stärken als große Pläne für eine weit entfernt liegende Zukunft zu schmieden.

Die Bilderberger haben die Macht, weltweit durchzusetzen, was sie wollen.

Eine These, die darauf hinausläuft, dass vom Ukrainekrieg bis zur Flüchtlingswelle alle akuten Krisen der Gegenwart ihre Ursache in Planungen der Bilderberg-Konferenz haben. Langfristiges Ziel ist angeblich die Schaffung einer Weltregierung, die wie ein Konzern funktioniert, von dessen Gewinnen nur eine ganz kleine Führungselite profitieren soll. Gegen diese Vorstellung spricht neben der begrenzten Zeit, die die sogenannten Bilderberger miteinander verbringen, auch die Vielzahl von Teilinteressen, die unter den Teilnehmern aufeinanderprallen dürften. Die Planung des Schicksals der Welt in allen Einzelheiten selbst nur für das Jahr bis zum nächsten Treffen dürfte deutlich mehr Zeit benötigen als die zweieinhalb Tage, die die Konferenz dauert. Zudem gibt es für eine Weltregierung eigentlich keinen Grund, den Bürgermeister von Rotterdam, den Außenminister von Norwegen oder einen kanadischen Astronauten einzuladen.

Die Bilderberger bestimmen aber darüber, wer an die Steuerknüppel der Macht gelangt.

Nicht alle deutschen Kanzler waren Gast einer Bilderberger-Konferenz, aber fast alle. Und nicht alle kamen, ehe sie das Amt antraten, aber fast alle. Die Bilderberger gelten deshalb als die Institution, die vorab bestimmt, wer in Deutschland regiert - eine Annahme, die von der Statistik nicht gestützt wird. Acht Kanzler gab es, fünf waren Teilnehmer einer Bilderberg-Konferenz, allerdings nur vier von ihnen vor Amtsantritt - Kiesinger, Schmidt, Kohl und Merkel. Eine Trefferquote von 50 Prozent. Die wird noch niedriger, wenn man den Weltanspruch des Treffens zugrundelegt: Zwar kam der Franzose Lionel Jospin 1996 und er wurde 1997 französischer Premier, Jack Santer war 1991 dabei und übernahm 1995 das Amt des EU-Kommissionspräsidenten. Tony Blair besuchte das Treffen 1993 und wurde später britischer Premier, ebenso wie Bill Clinton 1991 zu den Bilderbergern kam und darauf ins weiße Haus. Fakt ist jedoch, dass nach wie vor die meisten Präsidenten und Regierungschefs keine Bilderberg-Erfahrung haben

Mehr Verschwörungstheorien über die Bilderberg-Konferenz

Die Künstlerin Anja Heussmann ruft im Internet mit „No Bilderberger“-Bemalung zum Protest gegen die Konferenz in Dresden auf.

Die Künstlerin Anja Heussmann ruft im Internet mit „No Bilderberger“-Bemalung zum Protest gegen die Konferenz in Dresden auf.

Die Bilderberg-Konferenz hat bereits im vergangenen Jahr entschieden, dass das Bargeld abgeschafft werden wird.

Dieser Theorie zufolge ist die Abschaffung des Bargelds neben der Schürung des Ukraine-Konflikt und die Förderung der Flüchtlingsströme nach Europa einer der Wege der weltweiten Machtelite, eines ihrer Hauptziele zu erreichen, nämlich die totalen Kontrolle jedes einzelnen Menschen. Ohne physisches Geld, so der Vorwurf, bräuchten Banken gar kein Eigenkapital mehr, da niemand mehr in der Lage sei, Geld abzuheben. Virtuelle Kontogeld hingegen könne in beliebiger Menge aus dem Nichts generiert werden, ohne dass das reale Auswirkungen auf die Wirklichkeit hätte. Der Denkfehler hierbei ist: Bargeld hat heute bereits einen Anteil am gesamten Geldvolumen von nicht einmal zehn Prozent. Es spielt im privaten Alltagsleben noch eine Rolle, für die Gesamtgeldwirtschaft aber ist es vernachlässigbar. Die Europäische Zentralbank widerlegt mit ihrer seit 2010 anhaltenden Geldschöpfung auch die Vermutung, unbegrenzt sei die nur möglich, wenn es kein Bargeld mehr gäbe.

Die Bilderberger haben so viel Einfluss, dass sie es über Jahrzehnte verhindern konnten, dass über ihr Treffen berichtet wurde.

Das ist nicht wahr. Schon 1957 hatte das „Hamburger Abendblatt“ als erste deutsche Zeitung über eine Bilderberg-Konferenz im italienischen Fiuggi berichtet. „45 Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens aus den USA und Europas debattierten unter Vorsitz von Prinz Bernhard der Niederlande über gemeinsame Weltprobleme“, hieß es. Im übrigen sei die Konferenz „durchaus privater Natur“ gewesen. Dass die Bilderberg-Konferenz in den Jahrzehnten danach kaum mehr öffentlich wurde, obgleich sie eine Art kleines G7-Treffen war, liegt nach Auskunft der Organisatoren keineswegs an Geheimhaltungsvorschriften, sondern am Desinteresse der Öffentlichkeit. Eine früher regelmäßig abgehaltene Pressekonferenz habe man abgesagt, weil es kein Interesse von Journalisten gegeben habe, daran teilzunehmen. Richtig ist, dass bekannte Journalisten und Führungspersönlichkeiten von deutschen Medienhäusern nicht nur an Bilderberg-Konferenzen teilnehmen, sondern sie jahrelang mitorganisierten. Dass gerade ihre Häuser nicht über die Konferenz berichtet haben, sei allerdings Zufall.

Bilderberg-Teilnehmer betonen, dass sie privat zu den Treffen würden. Dennoch trägt der Steuerzahler die Kosten für den Schutz der Treffen.

Das ist korrekt. In Dresden bereitete ein Sonderkomission die Sicherheitsmaßnahmen für die Konferenz im Taschenberg-Palais langfristig vor. Zum Einsatz kommt unter anderem ein Absperrzaun, den Sachsen sich für den G7-Finanzipfel im vergangenen Jahr zugelegt hatte. Für die Gewährleistung der Sicherheit der Veranstaltung sei in erster Linie der Veranstalter selbst verantwortlich, heißt es im sächsischen Innenministerium. Doch die Sicherheit der „teilnehmenden Schutzpersonen des Bundes und der Länder sowie teilnehmender hochrangiger internationaler Gäste“ obliege der Polizei und werde deshalb durch Beamte des Personenschutzes des BKA und des LKA realisiert. Die Kosten dafür - im vergangenen Jahr im österreichischen Telfs etwa drei Millionen Euro - trägt der Steuerzahler. Die österreichischen Behörden begründeten das mit der „Schutzverpflichtung gegenüber Völkerrechtssubjekten und Repräsentanten verfassungsmäßiger Einrichtungen unabhängig von Natur und Anlass ihres Besuches“.

Die Bilderberger konferieren ohne demokratische Legitimation und ohne öffentliche Kontrolle, indem sie ihr Treffen als „privat“ bezeichnen.

Kritiker wie der Münchner Mediensoziologe Rudolf Stumberger haben die Zusammenkünfte der globalen Elite als Zeichen einer „Re-Feudalisierung“ der Politik bezeichnet. Neben den offiziellen Strukturen der Demokratien zeigen sich mit den Bilderbergern in der Tat ein abgeschotteter Gesprächszirkel, dessen Zusammensetzung, Methoden und Ziele rätselhaft bleiben. Andererseits: Wäre die weltweite Elite - die sich bei Bilderberg-Treffen in der Regel unter Ausschluss von chinesischen, russischen und südamerikanischen Führungspersönlichkeiten am Kamin versammelt - wirklich so mächtig wie Verschwörungstheoretiker glauben - würden sie dann so geheim tagen, dass die Berliner Zeitung in der DDR schon 1966 ein erstes mal auf das „streng geheime Treffen“ hinwies?

Angela Merkel ist 2005 beim Bilderberg-Treffen zur nächsten deutschen Kanzlerin bestimmt worden - mit dem Ziel, Deutschland für Flüchtlinge zu öffnen.

Und dahinter steht natürlich der US-Milliardär David Rockefeller, der die Konferenz in den Anfangsjahren tatsächlich über seine Rockefeller-Stiftung finanzierte. Aber: Rockefellers älterer Bruder Nelson versuchte dreimal, US-Präsident zu werden. Es gelang ihm nicht, Präsidenten wurden Kennedy, Johnson und Nixon, drei Männer, die nie an einem Bilderberg-Treffen teilgenommen hatten. David Rockefeller ist heute 100 Jahre alt, er wird nächste Woche 101 Jahre alt. Sein Vermögen von rund drei Milliarden Euro lässt ihn neben Microsoft-Gründer Bill Gates (76 Milliarden), dem spanischen Textilunternehmer Armacio Ortega (73 Milliarden) und dem US-Investor Warren Buffett (66 Milliarden) wie einen Kleingeldsammler aussehen. Aber es stimmt: Bill Gates war wirklich Teilnehmer eines Bilderbergtreffens. Als einziger der zehn reichsten Männer der Welt.

Wer bei den Bilderbergern war, dessen weiterer Aufstieg ist gesichert.

Das kann so nicht stimmen. Der frühere IWF-Chef Dominique Strauß-Kahn galt als eifriger Bilderberger, ein Strippenzieher in der Weltgeschichte - bis er wegen versuchter Vergewaltigung eines Zimmermädchens festgenommen wurde und sein Amt verlor. Die Affäre blieb rätselhaft, vor Gericht wurde Strauß-Kahn später freigesprochen. Seine Karriere aber war zu Ende, was, so die Logik von Verschwörungstheoretikern, selbstverständlich daran liegt, dass sich die Bilderberger an ihm gerächt haben. Ähnlich muss es bei Roland Koch gewesen sein, früher hessischer Ministerpräsident, der kurz nach seinem Gastspiel bei der Bilderberg.-Konferenz seinen Posten verlor. Edmund Stoiber dagegen, 2005 Kanzlerkandidat der Union, gelangte nicht mal auf seinen, weil er die wahl verlor. Obwohl er zuvor Gast der Bilderberger gewesen war.

Die schönste weil öffentlichste und damit nach der Logik der Doppeltarnung unwahrscheinlichste Verschwörungstheorie von allen.

So wird es erzählt, so steht es sogar auf der offiziellen Internetseite der Bilderberger: Die Elite aus Politik, Wirtschaft, Adel, Finanzwirtschaft und Militär trifft sich bei den Bilderberg-Konferenzen, um mal ganz privat zu schnacken, ohne Protokoll, ohne Berichtspflicht, vielleicht sogar, ohne dass die Geheimdienste alle beteiligten Staaten - und der unbeteiligten erst recht - ausgiebig zuhören und mitschneiden. Es geht um das Wohl der Welt, aber auch um ein schönes Wochenende in einer schönen Ecke der Welt. Die strenge Geheimhaltung dient wie der Golfplatz neben an oder der Spa-Bereich im Keller allein dazu, eine entspannte Atmosphäre herzustellen. (red)

Mehr Informationen: www.bilderbergmeetings.org

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