Bildungs-Bilanz in NRWLob für Abi-Reform und Kritik an Inklusionsplänen

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Ende des Turbo-Abis in NRW

Ende des Turbo-Abis in NRW

Köln – Größer hätte das Versprechen nicht sein können. „Die weltbeste Bildung“ wolle man in Nordrhein-Westfalen schaffen, erklärte die FDP im Wahlkampf. Mehr Lehrer, weniger ausgefallene Stunden, Inklusion, mehr Digitalisierung und Rückkehr zum Gymnasium nach neun Jahren (G9).

Alles sollte besser werden. Auf Yvonne Gebauer (FDP) warteten daher von Anfang an große Herausforderungen in ihrer Funktion als Schulministerin – dem vielleicht schwersten Job, den die Landesregierung zu vergeben hatte. Sie musste viele Weichen für die rund 2,5 Millionen Schüler und 196.000 Lehrer neu stellen.

Der Lehrermangel ist dabei eines der größten Probleme. Mängel in der Bedarfsplanung überraschten das Ministerium: in den nächsten zehn Jahren werden allein in NRW 15.000 Pädagogen fehlen. Gebauer fand die Ergebnisse „ernüchternd“, man steuere auf einen „exorbitanten Lehrermangel“ zu, sagte sie zu Beginn des Jahres. Der Grund hierfür liegt in der steigenden Schülerzahl, die mit überraschend stark gewachsenen Geburtenzahlen in Deutschland zusammenhängt.

„Gerechtigkeitslücke schließen“

Ministerin Gebauer startete eine Kampagne für den Lehrerberuf, um mehr Studierwillige zu begeistern. Zudem sollen Seiteneinsteiger kurzfristig dabei helfen, die Lücken zu schließen. Doch hier gibt es auch Kritik: „Es gibt nach wie vor keine direkte Lösung für die Seiteneinsteiger-Problematik, wir fordern seit langem, dass es eine Vor-Qualifizierung geben muss“, sagt Stefan Behlau, NRW-Vorsitzender der Lehrergewerkschaft VBE.

Zudem vermisse er klare Aussagen, wie es sie noch vor der Wahl gegeben habe, vor allem in Bezug auf die Besoldung der Lehrer. „Die Gerechtigkeitslücke in der Besoldung muss geschlossen werden“, fordert er und zielt besonders auf die schlechte Bezahlung der Grundschullehrer ab. Das Kernstück der Politik der Schulministerin war die Abkehr vom Turbo-Abitur. Wie in vielen anderen Bundesländern auch – etwa Bayern, Baden-Württemberg oder Hessen –, hat NRW das Abitur nach acht Jahren (G8) aufgegeben. Der Schritt zurück soll aber keine Wiederholung des Alten werden. G9 wird durch Digitalisierung oder neue Lernanforderungen ein neues Gesicht erhalten.

Kritik gab es an der Umsetzung kaum, eher war Lob für die pragmatische Vorgehensweise zu vernehmen. Die Lehrergewerkschaften VBE und GEW sahen eher viele ihrer Forderungen als erfüllt an, etwa die Möglichkeiten der Einflussnahme durch die Schulträger zu erweitern. Elternverbände monierten höchstens, dass nun nicht alle Schüler in den Genuss kämen, wieder Abi nach neun Jahren machen zu können. Aus organisatorischen Gründen bleiben aktuell noch alle Jahrgänge nach der 6. Klasse beim G8-Abitur.

Bedachte Umsetzung

Starten soll das G9 2019 mit der fünften und sechsten Klasse. Alle höheren Klassen bleiben im alten Modus. Das Gesetz soll noch vor der Sommerpause verabschiedet werden. „G8/G9 ist seriös angegangen worden“, sagt Behlau, „sowohl von der Planung her als auch von der Umsetzung wie im Fall der Lehrpläne.“ Menschlich unerlässlich, in der Umsetzung jedoch heiß umstritten ist die Inklusion.

Auch hier besteht Handlungsbedarf, den auch die Vorgängerregierung sah. Doch viele Eltern verpassten Rot-Grün auch wegen der zu schnell umgesetzten Inklusion in der Schule einen Denkzettel. Ministerin Gebauer will die Umsetzung nun bedachter angehen, setzt auf Schulen, an denen Schwerpunkte der Inklusion entstehen sollen.

Zudem will sie den Bestand an Förderschulen möglichst aufrechterhalten. Auch hier soll das Gesetz noch vor der Sommerpause verabschiedet werden. Die Kritiker jedoch sind im Vergleich zur Turbo-Abi-Reform ungleich lauter. „Wir glauben nicht, dass die Ankündigungen der Landesregierung dazu führen, dass es mehr in Richtung Inklusion geht“, sagt Dorothea Schäfer, Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW).

Fazit: Das Hauptprojekt, Abkehr vom Turbo-Abi, ist geglückt, auf anderen Feldern darf nachgelegt werden.

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