Bistum MünsterNeue Studie belegt Bischofs-Fehler und deutlich mehr Missbrauchsfälle

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Studie Münster 130622

Die Historiker Thomas Großbölting (l.) und Klaus Große Kracht 

Münster – Ehemalige und heute noch aktive Kirchenverantwortliche haben nach einer Studie im Bistum Münster große Fehler im Umgang mit Missbrauchsfällen begangen. Die Bischöfe Michael Keller (Amtszeit 1947-1961), Joseph Höffner (1962-1969), Heinrich Tenhumberg (1969-1979) und Reinhard Lettmann (1980-2008) hätten verurteilte Geistliche immer wieder in der Seelsorge eingesetzt und damit weitere Taten ermöglicht, heißt es in der am Montag von der Universität Münster vorgestellten Untersuchung.

Dem aktuellen Bischof Felix Genn (72) bescheinigt das Forschungsteam um die Historiker Thomas Großbölting und Klaus Große Kracht zwar, den Umgang mit Missbrauchsfällen den Regeln der Bischofskonferenz angepasst zu haben. Gleichwohl habe der seit 2009 amtierende Oberhirte eine längere Phase gebraucht, um seiner Verantwortung für Intervention und Prävention gerecht zu werden.

In seinen ersten Jahren sei der Bischof Missbrauchstätern, sofern sie Reue zeigten, kirchenrechtlich nicht immer mit der gebotenen Strenge begegnet. Genn habe eingeräumt, gegenüber Beschuldigten „zu sehr als Seelsorger und zu wenig als Dienstvorgesetzter gehandelt zu haben“.

Vorwürfe gegen Essener Bischof Overbeck

Ein Vorwurf in einem Fall trifft auch den heutigen Essener Bischof Franz-Josef-Overbreck, der früher Weihbischof in Münster war. Overbeck habe 2009 entschieden, den Fall eines beschuldigten Offizialatsmitarbeiters nicht der Missbrauchskommission vorzulegen. Die Vorwürfe aus dem Jahr 1997 seien damit nicht vollständig aufgearbeitet.

Die Untersuchung zählt nach Auswertungen von Akten und Betroffenen-Interviews 610 Betroffene und 196 Beschuldigte zwischen 1945 und 2020. Damit liegt die Zahl der Beschuldigten um ein Drittel höher als in der 2018 vorgestellten MHG-Studie der Deutschen Bischofskonferenz. Missbrauchsvorwürfe betreffen 4,1 Prozent aller Priester zwischen 1945 und 2020.

Das Bistum Münster hatte die am 1. Oktober 2019 begonnene Studie in Auftrag gegeben und den Forschenden zugleich Unabhängigkeit zugesichert. Anders als andere Diözesen entschied sich Münster gegen ein juristisch angelegtes Gutachten wie in Köln oder München, sondern beauftragte das Team aus vier Historikern und einer Ethnologin. Um die Unabhängigkeit der Wissenschaftler zu wahren, erfahren die Verantwortlichen der Diözese erst nach den Medienvertretern am Mittag von den Ergebnissen. Genn will sich am Freitag vor Journalisten zu den Inhalten äußern.

Mit Blick auf die Veröffentlichung richtete das Bistum eine Telefon-Hotline für Missbrauchsbetroffene ein. Auch Menschen, die Angaben zu Fällen sexualisierter Gewalt machen wollen, können sich ab Montag für eine Woche unter (02 51) 49 56 25 2 melden. (kna)

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