Blutige ProtesteWas gerade im Iran passiert – und wie Sie helfen können

Lesezeit 4 Minuten
Proteste Teheran

Proteste in Teheran (Archivbild)

Mindestens 41 Tote: Das ist die vorläufige und auch nur offizielle staatliche Bilanz der Protestwelle im Iran. Seit rund einer Woche zieht es landesweit vor allem junge Menschen und unter ihnen vor allem Frauen auf die Straßen. Der Staat begegnet ihnen mit Waffengewalt. Auslöser der Massenproteste: der Tod der Iranerin Mahsa Amini.

Wer war Mahsa Amini?

Mahsa Amini, auch unter dem kurdischen Namen Jina Amini bekannt, war eine 22-jährige kurdische Iranerin, die kurz vor dem Masterstudium stand. Am 13. September 2022 hielt sich Amini mit ihrer Familie in der iranischen Hauptstadt Teheran auf, um Verwandte zu besuchen.

Was ist passiert?

Belegbar ist Folgendes: Am 13. September wurde Amini im Beisein ihres Bruders von der Sittenpolizei in Gewahrsam genommen: Ihr Kopftuch soll nicht richtig gesessen haben, eine Umerziehungsmaßnahme sollte folgen. Zwei Stunden später brach Amini zusammen und wurde in ein Krankenhaus gebracht. Dort starb sie am 16. September 2022. Die Behörden sprechen von einem Herzinfarkt.

Berichte von Augenzeugen legen jedoch nahe, dass Amini keines natürlichen Todes starb. Sie sei mit Gewalt abgeführt worden, berichtet unter anderem ihr Bruder. Man habe ihren Kopf auf eine Autoscheibe geschlagen. Bereits bei der Ankunft im Krankenhaus soll Amini hirntot gewesen sein, CT-Aufnahmen sollen Hirnblutungen und Knochenbrüche offenbart haben.

Was folgte auf den Tod von Mahsa/Jina Amini?

Aminis Eltern kritisierten die Version der Behörden und den Bericht der Gerichtsmedizin und traten an die Öffentlichkeit. Der Fall löste landesweit Proteste aus. Vor allem junge Menschen protestieren zu Tausenden. Frauen schneiden sich öffentlich die Haare ab und verbrennen ihre Kopftücher. Die Regierung schlägt die Proteste brutal nieder. Dutzende Menschen wurden bereits getötet, zahlreiche weitere verhaftet. Unter den Verhafteten sind auch mehrere Journalistinnen und Journalisten. Die Regierung verbreitet die Erzählung, dass die Proteste aus dem Ausland gesteuert würden.

Weltweit solidarisieren sich Menschen mit den Protesten im Iran. Auch in deutschen Städten kam es zu Demonstrationen.

Was ist die Sittenpolizei?

Die islamische Religionspolizei, auch „Sittenpolizei“ oder „Moralpolizei“ genannt, setzt im Iran seit der islamischen Revolution im Jahr 1979 Verordnungen der Mullahs durch. Dazu zählt die Überwachung der Einhaltung der Kleiderordnung: Frauen müssen in der Öffentlichkeit Kopftuch tragen sowie Arme und Beine bedeckt halten. Bei vermeintlichen Verstößen werden Frauen in Gewahrsam genommen und in Umerziehungszentren abgeführt, um einen Kurs über das richtige Tragen des Hidschābs zu absolvieren. Seit Jahren kursieren Berichte über willkürliche Inhaftierungen und Polizeigewalt gegen Frauen.

Protestieren die Frauen im Iran gegen Kopftücher?

Die Frauen im Iran protestieren nicht gegen Kopftücher, sondern mehrheitlich gegen Kopftuchzwang, der stellvertretend für die Unterdrückung von Frauenrechten und somit Selbstbestimmung steht. Viele, aber nicht alle fordern einen Umsturz. Manche gehen weder für ein Ende des Kopftuchzwangs noch für einen Umsturz auf die Straße, sondern fordern lediglich, dass Frauen nicht mehr kriminalisiert werden. Bei wieder anderen entlädt sich schlicht Wut darüber, dass die Regierung den Fokus auf Repressalien setzt statt auf Probleme wie zum Beispiel Preisanstiege.

Werden die Proteste im Iran zum Umsturz führen?

Einige Demonstrantinnen und Demonstranten verlangen das Ende der Islamischen Republik. Das würde ein Ende des kompletten politischen und religiösen Machtgefüges rund um das religiöse Oberhaupt Ajatollah Ali Khamenei und Präsident Ebrahim Raisi bedeuten und das Ende des schiitischen Islam als Staatsreligion. Dass das passiert, ist laut Experten unwahrscheinlich.

Seit Jahrzehnten kommt es im Iran immer wieder zu Unruhen – und immer wieder werden sie von der Regierung erfolgreich niedergeschlagen. Bei den letzten Massenprotesten im Jahr 2019 – damals gingen Menschen wegen hoher Benzinpreise auf die Straße – kamen Hunderte Demonstranten ums Leben.

Die aktuellen Proteste vereinen jedoch diversere gesellschaftliche und kulturelle Schichten, als es vorherige getan haben – ein deutliches Zeichen dafür, dass das Regime durch gesellschaftlichen Wandel immer stärker ins Wanken gerät.

Was kann man den Protest von Deutschland aus unterstützen?

Proteste entstehen durch Vernetzung. Das weiß auch die iranische Regierung. Sie hat deshalb schon vor Tagen den Zugang zum Internet eingeschränkt. Eine einfache und legale Möglichkeit, Menschen in von Zensur betroffenen Gebieten Zugang zum Internet zu ermöglichen, ist die Installation des Browser-Add-ons „Snowflake“. Vereinfacht ausgedrückt erstellt man damit mit seinem eigenen Internetzugang einen Proxy, der wiederum anderen Zugang verschafft. Hier gelangen Sie zu den Add-ons für Firefox und Chrome. Wie „Snowflake“ genau funktioniert und was man bei der Nutzung beachten muss, können Sie hier lesen.

Das könnte Sie auch interessieren:

Was ebenfalls hilft: Sichtbarkeit. Teilen Sie in sozialen Netzwerken Botschaften und Bilder aus dem Iran und zu den Ereignissen dort. Nur durch Sichtbarkeit entsteht öffentlicher Druck.

KStA abonnieren