Christian Lindner„Ich will keine Tugenddiktatur“

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Der FDP-Politiker Christian Lindner.

Der FDP-Politiker Christian Lindner.

Köln – Herr Lindner, das rot-grüne Kabinett von Hannelore Kraft hat ein strenges Gesetz für den Schutz von Nichtrauchern beschlossen. Gelingt es der FDP, daran noch Änderungen durchzusetzen?

Christian Lindner: In der SPD gibt es massive Kritik an dem Gesetzentwurf. Deshalb haben sich die Sozialdemokraten in der Landtagsdebatte auch offen für Änderungen gezeigt – zum Missfallen der Grünen, denen es längst nicht mehr nur um Nichtraucherschutz geht, sondern um Volkserziehung. Wir werden die SPD beim Wort nehmen und uns gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern gegen alle Versuche wehren, aus unserer freien Gesellschaft eine staatliche Besserungsanstalt zu machen.

Wofür genau kämpfen Sie denn?

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Lindner: Ich halte den bestehenden Nichtraucherschutz bereits für im Prinzip ausreichend. In Hamburg hat die SPD gerade ein Gesetz verabschiedet, das der NRW-Regelung weitgehend entspricht. Über offene Einzelfragen wie das Rauchverbot auf dem Spielplatz könnte man reden.

Was haben Sie denn gegen effektiveren Nichtraucherschutz?

Lindner: Nichts, ich bin sogar sehr dafür. Allerdings ist das Rauchen in der Öffentlichkeit bereits weitgehend untersagt, auch mehr als 80 Prozent der Gastronomie sind rauchfrei. Nun soll der Staat noch auf geschlossene Gesellschaften, private Feiern und die Eckkneipe zugreifen. Das geht zu weit, eine freie Gesellschaft muss auch Minderheiten Nischen lassen. Die Autorin Juli Zeh hat in ihrem Roman „Corpus Delicti“ beschrieben, wie aus besten Motiven des Staats eine Tugenddiktatur mit Gesundheitspolizei erwachsen kann. So wollen wir nicht leben.

Von der Bürgerrechtspartei FDP würde man eigentlich erwarten, eine Datenschutzpolizei zu sein, welche die informationelle Selbstbestimmung bewahrt und stärkt. Was ist da beim neuen Melderecht schiefgelaufen?

Lindner: Die Bürger müssen künftig entscheiden können, was mit ihren Daten geschieht – das ist das Ziel. Was viele nicht wissen: Bislang konnten in NRW die Bürger einer Weitergabe ihrer Daten nicht widersprechen. Das würde die jetzige Fassung des Bundesmeldegesetzes bereits verbessern. Die Kritik von SPD-Innenminister Jäger, der sonst als roter Sheriff Bürgerdaten auf Vorrat sammeln will, ist daher unglaubwürdig. Es ist aber kein Geheimnis, dass die FDP für eine aktive Einwilligung statt der Widerspruchsmöglichkeit bei der Weitergabe von Daten geworben hat.

Wie beurteilen Sie den inneren Zustand und das öffentliche Erscheinungsbild der schwarz-gelben Koalition, die auf einmal empört über das eigene Gesetz ist?

Lindner: Weder bin ich empört, noch trage ich zur weiteren Überreizung der Debatte bei. Wenn die CSU sich entschließt, jetzt doch einen verbesserten Datenschutz mitzutragen, werde ich das nicht ernsthaft kritisieren. Bei dieser Pirouette von Horst Seehofer sage ich: Chapeau!

Auch die FDP hat Korrekturbedarf – nicht zuletzt bei ihren Umfragewerten. Wie wollen Sie zum Beispiel bei der Energiewende die Bürger von der Notwendigkeit einer liberalen Handschrift überzeugen?

Lindner: In Indien gab es eine Schlangen-Plage. Daraufhin hat die britische Kolonialarmee eine Fangprämie für Schlangen gezahlt – und plötzlich fingen die Menschen an, Schlangen zu züchten.

Und was hat das mit Strom zu tun?

Lindner: Die Geschichte veranschaulicht die Wirkung falscher Anreize. In der Energiepolitik haben wir die Situation, dass ein Investor für ein Solardach eine hohe und 20 Jahre garantierte Vergütung erhält. Daher fließen zu viele Subventionen in diesen Bereich, der wenig zur Energiewende beiträgt. Statt Planwirtschaft werbe ich für ein Wettbewerbsmodell: Die Stromhändler werden verpflichtet, einen bestimmten Prozentsatz des Stroms aus alternativen Energiequellen zu beziehen. Die effizientesten Formen würden sich im marktwirtschaftlichen Wettbewerb durchsetzen. Der Bundespräsident hat zu Recht vor Energieplanwirtschaft gewarnt. Eine Partei muss daran erinnern, wie überlegen ein gut geordneter Markt ist.

Wie viel Einfluss haben Sie denn im innerparteilichen Meinungsmarkt noch auf den Kurs der FDP, seit Sie nicht mehr Generalsekretär sind?

Lindner: Als Landes- und Fraktionsvorsitzender in NRW mehr als vorher. Der Generalsekretär hat eine dienende Funktion. Als meine Ansprüche an meine Arbeit und die Erwartungen Dritter nicht mehr zusammengepasst haben, habe ich dieses Amt aufgegeben.

Wollen Sie in Ihrem Leben noch mal FDP-Vorsitzender werden?

Lindner: Für mein ganzes Leben habe ich noch keinen Plan, aber für die nächsten Jahre. Und da ist mein Platz im Landtag.

Das Gespräch führten Barbara A. Cepielik, Thomas Geisen, Peter Pauls und Tobias Peter.

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