Corona und FinanzenPandemie reißt Milliarden-Löcher in kommunale Etats

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Stadthaus Köln

Das Stadthaus der Stadt Köln. Hier sitzt ein Großteil der Stadtverwaltung und auch das Rechnungsprüfungsamt der Stadt Köln. 

Köln/Düsseldorf – Apostolos Tsalastras ist ein Profi, wenn es ums Haushalten geht. Zu Beginn des Jahres 2020 blickte der Kämmerer der Stadt Oberhausen hoffnungsvoll in die Zukunft. Im fünften Jahr hintereinander sollte die hochverschuldete Ruhrmetropole mit ihren 210.000 Einwohner ohne neue Kredite auskommen. Der jahrelange Sparkurs des SPD-Politikers mit griechischen Wurzeln schien Früchte zu tragen. Vom bundesweiten Schlusslicht im Jahr 2016 mit einer Pro-Kopf-Verschuldung von 9680 Euro, ging es nach oben. Anfang 2020 sank die Rate gar auf gut 9000 Euro.

Ein Jahr später ist dieser Trend Makulatur: Auf Grund der Corona-Krise versinkt Oberhausen erneut tief im Schuldensumpf. „Wir müssen 2021 gut 100 Millionen Euro an neuen Krediten aufnehmen“, erläutert Tsalastras, „damit sind zehn Jahre eines erfolgreichen Sparkurses zunichte gemacht.“ CDU-Oberbürgermeister Daniel Schranz sprach von der größten Krise nach dem Zweiten Weltkrieg.

Kommunen rechnen mit zunehmender Neuverschuldung

Allerorten reißt die Corona-Pandemie Milliardenlöcher in die kommunalen Etats. Laut einer aktuellen Studie der Wirtschaftsberatungsgesellschaft Ernst & Young (EY) geht die Hälfte der befragten 300 Kommunen mit mehr als 20000 Einwohnern davon aus, dass ihre Verschuldung in den nächsten drei Jahren zunehmen wird.

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Während reiche Metropolen wie München oder Hamburg diese Verluste verkraften können, ächzen insbesondere die Städte und Gemeinden in der einstigen Montanregion an Rhein und Ruhr unter der coronabedingten Last. Nach wie vor fehlen finanzielle Reserven, da der Strukturwandel nach dem Aus von Kohle und Stahl noch immer nicht überall bewältigt ist. Grund für die Misere sind insbesondere die massiven Gewerbesteuereinbrüche. Allein in Oberhausen konnten 1500 Unternehmen ihre Vorauszahlungen nicht leisten. Für das Jahr 2020 bezifferte der Kämmerer die Mindereinnahmen bei den Abgaben an den Fiskus auf 55,8 Millionen Euro. Durch die Infektionswelle stieg zudem der Aufwand im Rettungs- und Gesundheitswesen. Das Haushaltsminus kletterte auf insgesamt 72,7 Millionen Euro.

Kommunen hoffen auf weitere Unterstüzung vom Bund

Für das vergangene Jahr habe der Bund-Länder-Rettungsschirm die Mehrausgaben zwar aufgefangen, so der Kämmerer, aber für 2021 und die darauffolgenden Jahre „ist bisher nicht vorgesehen, dass die notleidenden Städte und Kommunen Zuschüsse erhalten.“ Geht es nach dem Oberhausener Finanzchef „müssen Bund und Land die coronabedingten Verluste auch weiterhin ausgleichen, andernfalls wird es sehr eng“. Zugleich fordert der Kämmerer weitere Hilfen, um notwendige Investitionen anzukurbeln. Immerhin drücken die Stadt zusätzlich noch 1,9 Milliarden Euro an Altschulden.

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Ähnlich dramatische Zahlen meldet Essen: Auch nach den Finanzhilfen durch Bund und Länder bleibt 2020 noch eine Lücke von 51 Millionen Euro. Durch den monatelangen Lockdown ging die Ertragslage bei städtischen Gesellschaften wie der Messe Essen, bei den Theatern und der Philharmonie teilweise bis auf Null zurück. Verluste, die aus dem Stadtetat beglichen werden müssen. Bei der Ruhrbahn wuchs der Verlust in der Jahresbilanz aufgrund des eingebrochenen Fahrgastaufkommen wegen der Ansteckungsgefahr um knapp elf Millionen Euro auf 73,5 Millionen. Die Mehraufwendungen der Ruhrmetropole durch die Infektionswelle bezifferte eine Sprecherin auf 56,5 Millionen Euro.

In der Landeshauptstadt sieht es kaum besser aus. Die Düsseldorfer Haushaltsplaner schätzen mit Blick auf 2020 den Minderertrag auf knapp 143 Millionen Euro. Trotz allem will der neue Oberbürgermeister Stephan Keller auf Steuererhöhungen verzichten.

Nur Müllabfuhr-Gebühren sind zum Jahresbeginn gestiegen

Einzig die Gebühren für die Müllabfuhr sind zum Jahresbeginn um 2,8 Prozent gestiegen. Weitere Leistungskürzungen sind zudem nicht vorgesehen. Im Gegenteil – Keller will sich in dieser Situation „nicht aus der Krise heraussparen, sondern gerade jetzt investieren – vor allem in Digitalisierung, in Klimaschutz und in die Verkehrswende, aber zum Beispiel auch in die Schulen, in die Sicherheit und Sauberkeit und in die Kultur.“

So euphorisch beurteilt Kölns Kämmerin Dörte Diemert die Situation dann doch nicht. 2020 sei man noch mit „einem blauem Auge davonkommen, wenn es aber keine weiteren Hilfen von Bund und Land für 2021 gibt, schlagen die Mindereinnahmen heftig in den Haushalt durch“. Interne Schätzung gehen von einem Minus bei der Gewerbe- und Einkommenssteuer von 247 Millionen Euro aus.

Unterm Strich müsste der Kölner Etat womöglich auf Einnahmen von bis zu 300 Millionen Euro verzichten – und das in Zeiten wachsender Verschuldung. Ungedeckte Schulden von gut einer Milliarde drücken die Stadt nach Angaben der Kämmerin. Tendenz steigend, denn seit Jahren schreibt die viertgrößte Stadt Deutschlands rote Zahlen. Und das trotz stetig wachsender Einwohnerzahl und einer breit gefächerten Wirtschaftslandschaft.

Pandemie trifft auch städtische Unternehmen hart

Die Infektionswelle wird den Schuldenberg noch erhöhen. „Zeitverzögert machen sich auch die Verluste bei den städtischen Unternehmen bemerkbar“, erklärt die parteilose Juristin. Allein bei den Kölner Verkehrsbetrieben schlagen die zurückgegangenen Fahrgasterlöse mit derzeit mindestens 34 Millionen Euro zu Buche. Ende 2020 haben die Anteilseigner von Bund, Land und Stadt dem Köln/Bonner-Flughafen jeweils eine Finanzspritze von 25 Millionen zukommen lassen.

Der Kölner Zoo wurde mit 1,5 Millionen Euro gefördert. Die städtischen Bäder und andere Einrichtungen müssen ebenfalls alimentiert werden. Das sei eine Klammerbewegung, die Kommunen wie Köln fest im Griff halte, so Dörte Diemert: „Erträge brechen uns weg, zugleich fordert die Pandemie deutliche Mehrausgaben.“

Laut der Analyse von EY denken 60 Prozent aller befragten Städte bundesweit über Steueraufschläge nach. Aus Sicht der Kämmerin für Köln ein „kontraproduktives Signal“. Derzeit hätten allein 2500 Unternehmen in ihrem Zuständigkeitsbereich beantragt, die Abgaben zu stunden. „Das macht 100 Millionen Euro aus, vielen Unternehmen geht es sehr schlecht“, konstatiert die Finanzchefin. Besonders kritisch stehe es um das Hotelier- und Gastgewerbe sowie um den Reise- und Veranstaltungssektor. „Da machen Steuererhöhungen keinen Sinn.“

Gut 80 Kilometer rheinabwärts kann Oberhausens Kämmerer Apostolos Tsalastras nur neidisch zu den rheinischen Metropolen hinüberblicken. Angesichts der finanziellen Not wird die Stadt nach seinen Angaben auch über Steuererhöhungen nachdenken müssen. Zugleich kommt die Rathausspitze nicht daran vorbei, das öffentliche Leistungsangebot zu überprüfen. Kultur, Sport, Jugend – „kein Bereich kann außen vor bleiben“, führt Tsalastras aus, „denn 2021 werden uns durch die Corona-Krise zehn Prozent des Etats fehlen. Da muss man alles zusammenkratzen, was geht.“

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