Nachfolge von Anne SpiegelDas sind die Grünen-Kandidaten – auch Kölnerin im Gespräch

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Grünen-Kabinett DPA 110421

Die bisherigen Grünen-Bundesministerinnen und -minister.

Berlin/Köln – Nach dem Rücktritt von Bundesfamilienministerin Anne Spiegel (Grüne) steht die Ampel-Koalition vor der nächsten großen Herausforderung nicht mal ein halbes Jahr nach der Unterzeichnung des Koalitionsvertrags. Die sich erst seit wenigen Wochen im Amt befindlichen Vorsitzenden Ricarda Lang und Omid Nouripour müssen eine Nachfolgerin für Spiegel finden – und sich zugleich an die parteiinternen Richtlinien halten.

Die Partei werde „zeitnah“ eine Lösung präsentieren, sagte Lang auf Nachfrage bei einem kurzfristig anberaumten Pressestatement im schleswig-holsteinischen Husum. Dort wollten die Parteivorsitzenden den Bundesvorstand eigentlich auf den anstehenden Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein einschwören, stattdessen war die nun zurückgetretene Anne Spiegel Thema Nummer eins.

Wie die „Bild“-Zeitung berichtete, soll die Parteispitze Spiegel bereits am Sonntagabend um einen Rücktritt gebeten haben, die 41-Jährige wollte aber noch eine Chance haben. Die bekam sie in Form eines verblüffend emotionalen Pressestatements, in dem Sie ihren vierwöchigen Urlaub trotz der Flutkatastrophe mit dem Wohlbefinden ihrer Kinder und ihres gesundheitlich angeschlagenen Mannes begründete.

Anne Spiegel: Fehler in der Flutkatastrophe werden zum Verhängnis

Spiegel, die sich in ihrer Funktion als Vize-Ministerpräsidentin und Umweltministerin von Rheinland-Pfalz während der Aufarbeitung der Katastrophe im Ahrtal zweifelsohne Fehler leistete, blieb auch vor den Fernsehkameras nicht fehlerfrei. Zunächst behauptete sie fälschlicherweise, per Videoschalte bei Kabinettsitzungen dabei gewesen zu sein und ruderte Stunden später zurück. Dann sagte sie, sie müsse das Statement noch „rund abbinden“, ohne zu bemerken, dass die Aussage im Livestream des Interviews klar zu hören war.

Am Montagmittag war sie nicht mehr haltbar. Und es drängt sich die Frage auf, wer künftig Spiegels Ministerium in Berlin führen soll. Dabei liegen zwei Stolpersteine bereits auf dem Feld, bevor die Grünen überhaupt mit der Kandidatensuche begonnen haben.

Grüne: Probleme mit der Proporz- und Paritäts-Regel

Zum einen ist da die Proporzregel, nach der die Grünen ihre Ministerien unter den Parteiflügeln aufteilen wollen. Derzeit gehören drei Ministerien dem Realo-Flügel (Habeck, Baerbock, Özdemir) und zwei dem linken Parteiflügel (Lemke und ehemals Spiegel). Heißt: Für Spiegel muss jemand aus dem linken Parteiflügel nachrücken, wollen die Grünen ihre eigenen Regeln einhalten.

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Selbst wenn sie sich für einen Mann entscheiden würden, würde vermutlich Bundeskanzler Olaf Scholz dazwischen grätschen. Der SPD-Politiker hatte bei seiner Wahl versprochen, sein Kabinett paritätisch zu besetzen, also mit einem möglichst gleichen Anteil an Männern und Frauen. Rechnet man Scholz und Kanzleramtsminister Wolfgang Schmidt raus, dann bestand das Ampel-Kabinett bisher aus je acht Männern und Frauen – Spielraum haben die Grünen in diesem Punkt also ebenfalls nicht.

Rochade im Ampelkabinett: Folgt Kölnerin Dröge auf Spiegel?

Eine mögliche Kabinettsrochade, wie sie am Nachmittag in verschiedenen Medien diskutiert wurde, scheint also unmöglich: In dem Fall wäre Anton Hofreiter Landwirtschaftsminister geworden und Cem Özdemir wäre ins Familienministerium gewechselt. Beide fallen aber aufgrund der Tatsache, dass sie Männer sind, genauso raus wie der Kölner Grünen-Abgeordnete Sven Lehmann. Er ist wie Hofreiter Mitglied des linken Parteiflügels.

Lehmann ist derzeit Staatssekretär im Familienministerium; gemeinsam mit Ekin Deligöz, die als Frau laut Paritätsregel zwar ins Amt passen würde, aber dem Realo-Flügel angehört. Ebenso Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckhardt, immerhin Expertin für Familien- und Sozialpolitik. Sie wäre eine logische Wahl, sollten die Grünen mit ihrer Proporz-Politik brechen.

Katharina Dröge Bundestag

Die Kölnerin Katharina Dröge spricht im Bundestag (Archivbild)

Laut „Bild“ wurde bereits schon während der SMS-Affäre auch Katharina Dröge angefragt. Die Bundestagsabgeordnete aus Köln ist seit Dezember 2021 neben Britta Haßelmann Vorsitzende der Bundestagsfraktion. Dröge ist außerdem Sprecherin für Wirtschaftspolitik der Grünen. Damals habe sie abgesagt, doch nach Spiegels Abgang könnte der Druck auf Dröge steigen. Dröge könnte demnach von Verteidigungsexpertin Agnieszka Brugger ersetzt werden.

Die Grünen brauchen eine Frau aus dem linken Parteiflügel für die eigenen Ansprüche

Wenn es jemand aus dem linken Parteiflügel werden sollte, dann wird das Kandidatenfeld auf Bundesebene dünn. Die Vorsitzende Ricarda Lang sitzt im Familienausschuss des Bundestags, auf Landesebene hätte immerhin die Hamburger Wirtschaftssenatorin Katharina Fegebank Regierungserfahrung. 

Eine Kompromisslösung wäre vielleicht Katharina Schulze, derzeit Oppositionsführerin im bayerischen Landtag und verantwortlich für das beste Grünen-Ergebnis im Freistaat aller Zeiten. Sie gehört formal dem Realo-Flügel an, bekommt aber auch Unterstützung von links. Wer am Ende das Rennen macht, kann derzeit nur spekuliert werden.

Am Dienstag wollen Nouripour und Lang erneut vor die Presse treten, um die Spitzenkandidaten für die Landtagswahl in Schleswig-Holstein vorzustellen: Monika Herold und Aminata Touré. Eine schnelle Lösung für die beiden Vorsitzenden wäre gut. Sonst wird der Wahlkampf-Auftakt zur Fragestunde um das Familienministerium. (shh/mab)

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