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Der Baerbock-BoomNRW-Grüne feiern Mitgliederrekord

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Banaszak und Neubaur

Auf Erfolgskurs: Mona Neubaur und Felix Banaszak, Parteivorsitzende der Grünen in NRW

Düsseldorf – Der Kreisverband Herne zählt gewiss nicht zu den Rennpferden der Grünen in NRW. In einer der letzten SPD-Hochburgen mitten im Ruhrgebiet, in der die Genossen seit 1948 den Oberbürgermeister stellen, erwartet das auch keiner. Doch selbst hier haben die Grünen bei der Kommunalwahl im vergangenen Jahr 15,8 Prozent geholt.

Deshalb muss Herne für einen Vergleich herhalten, mit dem Felix Banaszak den Mitgliederansturm fassbar machen will. Seit dem 19. April, jenem Tag, an dem sich Annalena Baerbock und Robert Habeck geräuschlos über die Kanzlerkandidatenfrage verständigt haben, trete pro Tag ein Kreisverband von der Stärke Hernes in die Partei ein. Sagt Banaszak mit Verweis auf seinen politischen Geschäftsführer Raoul Roßbach, der in Herne geboren ist und deshalb so etwas sagen darf, ohne das grüne Arbeitspferd zu beleidigen.

25.000 Mitglieder, 10.000 mehr als im Jahr 2017

So stark wie noch nie seien die Grünen im bevölkerungsreichsten Bundesland. 23 000 Mitglieder, 10 000 mehr als bei den Landtags- und Bundestagswahlen 2017. Rund 620 Neulinge habe der Baerbock-Boom der Partei allein seit deren Kandidatur beschert. Hunderte Anträge habe man noch gar bearbeiten können.

Alles zum Thema Annalena Baerbock

So stark wie nie in den eigenen Strukturen. So stark wie nie in der öffentlichen Wahrnehmung. Die Parteispitze weiß, dass es mit Demut und Zurückhaltung vorbei sein muss. Man werde bei der Bundestagswahl in NRW ein Rekordergebnis einfahren und mit Annalena Baerbock die erste grüne Kanzlerin stellen. Sagt Banaszak. Die Landesliste der NRW-Grünen für den Bundestag war nie länger. 80 Namen für Berlin.

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Nach der Wahl ist vor der Wahl. Auch wenn die Partei die Bundestagswahl bis September „in aller Kraft beanspruchen wird“, sagt Parteichefin Mona Neubaur, werde man in NRW bereits jetzt mit den Vorbereitungen für das Programm zur Landtagswahl 2022 beginnen, das im Dezember auf einem Parteitag verabschiedet werden soll. In beiden Fällen –im Bund und im Land – gehe es nicht um schwarz-grün, sondern um schwarz oder grün. Da sind sich Partei- und Fraktionsführung einig.

Einen besseren Wahlkämpfer als das Bundesverfassungsgericht hätte sich die Partei nicht wünschen können. Dessen Urteil zum Klimaschutz, das die Freiheitsrechte künftiger Generationen in den Mittelpunkt rückt und von der Bundesregierung konkrete Ziele bis Ende 2022 verlangt, die über das Jahr 2030 hinausreichen, habe auch die Grünen überrascht, gesteht Fraktionschefin Verena Schäffer. Überrascht, aber nicht kalt erwischt.

Klimaschutzurteil hilft im Wahlkampf

Die NRW-Grünen, deren Landtagsfraktion bei der Wahl 2017 ziemlich zusammengeschrumpft ist, sind in einer komfortablen Lage. Sie treffen auf einen Ministerpräsidenten, der parallel zur Pandemie-Bekämpfung einem Bundestagswahlprogramm der CDU Konturen geben soll, sich der vollen Unterstützung aller Landesverbände versichern muss und auf den ein brutaler Wahlkampf mit Nickeligkeiten der Schwesterpartei CSU wartet.

Und jetzt noch der Klimaschutz. Der schwarz-gelbe Regierungsentwurf zu einem NRW-Klimaschutzgesetz ist das Papier nicht mehr wert, auf dem er gedruckt wurde, weil er sich an das vom Verfassungsgericht zerpflückte Bundesgesetz anlehnt.

Natürlich ist der Landesregierung klar, dass von der erst im März getroffenen Leitentscheidung zum Kohle nach dem Klimaurteil nur ein Datum interessiert: das Jahr 2026. Dann muss die Frage beantwortet werden, ob Deutschland nicht viel früher aussteigen kann als 2038.

Das grüne Versprechen: Alle Dörfer bleiben

Wir können nicht, wir müssen. Sagen die Grünen und werden damit in den Landtagswahlkampf ziehen. Mit dem Versprechen, dass die fünf vom Abbaggern bedrohten Braunkohledörfer über 2030 hinaus erhalten bleiben. Und mit dem Anspruch, nach der Bundeskanzlerin im September 2021 sieben Monate später auch den Ministerpräsidenten oder die Ministerpräsidentin in NRW zu stellen. Im Mai 2022. Bis dahin werden sie auch dem kleinen Regierungspartner FDP mit Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart die Widersprüchlichkeit seiner Politik beim Klimaschutz und beim Ausbau der Erneuerbaren Energien vorhalten.

Sollten CDU und FDP ihre Leitentscheidung zur Kohle und zum Erhalt der Dörfer nicht noch in dieser Legislaturperiode korrigieren, gebe es für die Grünen nach der Landtagswahl „keine Grundlage mehr für eine Mehrheitsbeteiligung“, sagt Parteichefin Neubaur. Unter welcher Führung, sagt sie nicht. Dass es unter ihrer sein könnte, ist nicht auszuschließen.

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