Diesel-FahrverbotWas bedeutet das Urteil für Aachen, Köln und Deutschland?

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Diesel-Fahrverbot

Die Bezirksregierung Köln wird dazu verpflichtet, schnellstmöglich dafür zu sorgen, dass der Grenzwert für das Dieselabgas-Gift Stickstoffdioxid ab 1. Januar 2019 eingehalten wird. (Symbolbild)

  • Die Kaiserstadt muss Diesel-Fahrverbote vorbereiten.
  • Verwaltungsgericht rüffelt die Bezirksregierung Köln und das Land NRW für ihre auf Verzögerung ausgerichtete Politik.

Aachen – Alle haben es befürchtet, doch keiner hat es gewollt. Die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen nicht, deren Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) sogar damit gedroht hat, selbst Gerichtsurteile nicht zu akzeptieren, weil er Diesel-Fahrverbote grundsätzlich für „unverhältnismäßig“ hält. Doch ausgerechnet in seiner Heimatstadt Aachen werden sie sich wohl nicht mehr verhindern lassen. Das Verwaltungsgericht hat am Freitag entschieden, dass sie zum 1. Januar 2019 faktisch umgesetzt werden müssen und damit einer Klage der Deutschen Umwelthilfe stattgegeben.

Was hat das Verwaltungsgericht entschieden?

Es gibt keine Schonfrist mehr. Die Bezirksregierung Köln wird dazu verpflichtet, schnellstmöglich dafür zu sorgen, dass der Grenzwert für das Dieselabgas-Gift Stickstoffdioxid ab 1. Januar 2019 eingehalten wird. Er liegt bei 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft und wird in Aachen an allen Messstellen regelmäßig und zum Teil deutlich überschritten. Wie die Stadt das regelt, ist ihre Sache. Dem Vorsitzenden Richter Peter Roitzheim ist allerdings klar, „dass dies ohne Diesel-Fahrverbote nicht gelingen wird“. Für Aachen hat das vermutlich besonders heftige Folgen. Weil die Stadt in einem Talkessel liegt, dürften Fahrverbote für einzelne Strecken nicht ausreichen. Es wird also zu einem flächendeckenden Fahrverbot kommen müssen. Das könnte ab Januar 2019 alle Diesel der Euro 4-Norm treffen. Und wenn das nicht reicht, wären ab 1. September 2019 auch Diesel mit Euro 5-Norm ausgesperrt.

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Gibt es wirklich keine Alternativen zum Fahrverbot?

Wohl kaum, sagt das Gericht. Zwar hat die Bezirksregierung Köln für die Stadt Aachen ein Bündel von 30 Maßnahmen im Luftreinhalteplan festgeschrieben, darunter die Anschaffung von 26 Elektrobussen, die Nachrüstung eines Viertels der Dieselbus-Flotte mit modernen Filtern und die Förderung des Fahrradverkehrs durch den Umbau der Hauptverkehrsadern. Doch können weder die Stadt noch die Bezirksregierung sagen, wann sich die Maßnahmen positiv auf die Schadstoffbelastung auswirken.

Im aktuellen Luftreinhalteplan ist vom Jahr 2025 die Rede. Das ist deutlich zu spät. Das Verwaltungsgericht hat die Politik des Landes NRW und der Stadt Aachen heftig kritisiert. Die meisten Vorschläge aus dem Luftreinhalteplan des Jahres 2015 seien nicht umgesetzt worden. So sei beispielsweise das Jobticket für die Mitarbeiter aller Landesbehörden nicht eingeführt worden. Auch habe die Bezirksregierung nicht untersucht, was die Nachrüstung der Dieselbusse mit Filtern konkret für die Verbesserung der Luftqualität bedeutet. Eine Wirkungsanalyse des Maßnahmen-Bündels soll für Aachen noch in diesem Monat vorliegen. „Sie können uns heute kein schlüssiges Alternativkonzept vorlegen“, sagte Richter Roitzheim den Vertretern von Stadt und Bezirksregierung am Freitag. „Deshalb müssen Sie bis Ende des Jahres ein Fahrverbot vorbereiten.“

Warum ist so viel Druck im Kessel?

Weil im Grundsatzurteil des Leipziger Bundesverwaltungsgerichts (BVG) vom 25. Februar 2018 klar geregelt ist, dass von einem Diesel-Fahrverbot nur abgesehen werden kann, wenn es andere Maßnahmen gibt, mit denen der Grenzwert schneller eingehalten wird. „Der rechtliche Rahmen ist klar vorgegeben. Wir müssen uns an diesem Urteil orientieren“, so der Richter. Was sagen das Land NRW und die betroffene Bezirksregierung Köln? Im Prozess haben sie darauf verwiesen, dass es erst seit Anfang des Jahres durch das BVG-Urteil rechtliche Klarheit gibt. Man arbeite mit Hochdruck daran, die Luftreinhaltepläne für die Großstädte in NRW fortzuschreiben. Der Plan für Düsseldorf soll in Kürze vorliegen. „Wir wollen versuchen, einen landeseinheitlichen Ausnahmekatalog zu schaffen.“

Hat das Urteil bundesweite Bedeutung?

Ja. Es ist eindeutig richtungsweisend. Wegen dieser grundsätzlichen Bedeutung hat das Verwaltungsgericht Aachen die Revision aber ausdrücklich zugelassen. Die Deutsche Umwelthilfe klagt bundesweit in 27 weiteren Städten, darunter sind neben Aachen in NRW auch Köln, Bonn, Düsseldorf, Essen und Gelsenkirchen, aber auch die Metropolen Frankfurt/Main, Stuttgart, München und Berlin.

Wie reagiert die Umwelthilfe?

Deren Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch hat die Landesregierungen aufgefordert, „nun unmittelbar für alle Städte und Gemeinden in Deutschland, die wie Aachen unter den Grenzwertüberschreitungen leiden, Diesel-Fahrverbote umzusetzen“. Rechtsanwalt Remo Klinger, der die Umwelthilfe in allen Verfahren vertritt, sagte: „Wir sind keine Fahrverbotsfetischisten. Der Maßstab ist die Einhaltung der Grenzwerte. Wenn es ein Maßnahmenpaket gibt, das dazu führt, dass wir ohne sie auskommen, dann her damit.“

Die Umwelthilfe hält die komplette Nachrüstung aller zehn Millionen Diesel-Pkw der Abgasstufen 5 und 6 mit neuen Katalysatoren für unverzichtbar. Das Urteil sei eine „schallende Ohrfeige für Kanzlerin Angela Merkel. Wann wagt es diese Regierung endlich, Recht und Gesetz auch gegen die in einem kriminellen Kartell zusammengeschlossenen Dieselkonzerne durchzusetzen?“, so DUH-Geschäftsführer Resch. „Merkel muss die Nachrüstung der Betrugsdiesel auf Kosten der Hersteller endlich durchsetzen.“

Was reagiert die Stadt Aachen?

Mit Enttäuschung. Oberbürgermeister Marcel Philipp (CDU) geht davon aus, dass die Maßnahmen zur Luftreinhaltung, die von der Stadt bislang vorgeschlagen wurden, nicht ausreichen werden, um die Grenzwerte zum Jahresende einzuhalten.

Die Kritik des Gerichts, man habe zu lange gezögert, wies er zurück. „Wir haben die Hände seit 2015, als der Luftreinhalteplan verabschiedet wurde, nicht in den Schoß gelegt, sondern ein umfangreiches Bündel von Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität erarbeitet. Streckenbezogene Fahrverbote seien kontraproduktiv. Dadurch werde der Verkehr nur verlagert. Auch Fahrverbotszonen lehne man „angesichts unserer Luftmesswerte, die dem Grenzwert immer näher kommen“ nach wie vor ab. Sie seien unverhältnismäßig. Man werde das schriftliche Urteil abwarten und gemeinsam mit der Bezirksregierung Köln prüfen, „ob wir die zugelassene Berufung einlegen“.

Wie ist bundesweit die Haltung der Kommunen?

„Die Städte wollen keine Fahrverbote“, heißt es beim Deutschen Städtetag. Trotzdem hat vor kurzem Hamburg die ersten Beschränkungen für Diesel in Kraft gesetzt. Auch andere Kommunen denken darüber nach, wie der Städte- und Gemeindebund beobachtet: Im Kern werde es wahrscheinlich auf bis zu 20 hinauslaufen – darunter möglicherweise Düsseldorf, Köln und Stuttgart. Der Städtetag sieht wie die Umwelthilfe den eigentlichen Schlüssel im Kampf für saubere Luft jedoch bei der Autoindustrie und fordert, dass diese von der Bundesregierung zu Hardware-Nachrüstungen verpflichtet wird. Bisher sind nur Software-Updates zugesagt.

Was bedeutet das Aachener Urteil für Köln?

„Ich sehe das nicht so pessimistisch“, sagte Kölns Verkehrsdezernentin Andrea Blome. Die Stadt werde alles tun, um Fahrverbote zu vermeiden. Im Herbst werde der City-Masterplan vorliegen und mit der Bezirksregierung abgestimmt. Sie sei optimistisch, dass es mit der Fortschreibung ihres Luftreinhalteplans gelingt, die Grenzwerte auch ohne generelle Fahrverbote einzuhalten. „Unser Sorgenkind ist der Clevische Ring“, sagte Blome. „Durch die Sanierung der Mülheimer Brücke wird es dort weniger Verkehr geben.“ Kölns Problem sei die hohe Grundbelastung. Das Aviso-Gutachten vom Februar habe gezeigt, dass die Grenzwerte für Stickstoffdioxid selbst bei Einführung einer Blauen Plakette und einem absoluten Fahrverbot für Diesel in der Innenstadt nicht einzuhalten seien.#a

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