Drohende AmtsenthebungDonald Trump sieht Rot

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Donald Trump geht zum Angriff über

  • US-Präsident Donald Trump reagiert aggressiv auf die Vorwürfe des Machtmissbrauchs.
  • Er selbst hat ein eigenes Verständnis davon, was die Justiz in Bezug auf ihn darf und was nicht.
  • Seine Widersacherin Nancy Pelosi hat kühl auf diesen Moment gewartet.

Washington – Er scheint die Nerven zu verlieren. Wie eine Geisel hockt Finnlands Präsident  Sauli Niinistö im Oval Office in einem der Besuchersessel. Ab und zu lächelt er verlegen. Irritiert hebt er die Hand, als Donald Trump ihn auf seinen Oberschenkel klopft. Dieser Trump redet sich in Rage.  Er schlägt ein auf seine Kritiker, auf Journalisten, auf „Spione“ in den eigenen Reihen. Er beleidigt die Demokraten als „Pack“. Trump droht,  Trump  flucht.

In der Welt und in den USA hat er so ziemlich jeden Demokraten gegen sich aufgebracht. Nun soll er des Amtes enthoben werden.  „Er ist eine Art moderner Mussolini“, meinte der weltberühmte Soziologe Richard Sennett in einem Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ nach Trumps Wahl 2016. Und er prophezeite: „Es wird alles so weitergehen, wie man es von ihm kennt“, damit meinte er die  verbalen Ausfälle Trumps und sein chaotisches Verhalten. Er sollte recht behalten.

 Ein Vertrauter Trumps sagte einmal, Trump sei ein Zwölfjähriger im Körper eines Erwachsenen, und sein größter Spaß sei es, Leute aufgrund körperlicher Merkmale herunterzumachen – klein, dick, glatzköpfig, ganz egal.   „Warum schaut er mich so an?“, soll Trump gefragt haben, wenn sein   Vizepräsident Mike Pence  ihn beinahe glückselig anhimmelte. Trump meinte, „er hat wohl allen Grund, mich zu lieben. Aber es heißt, er war der dümmste Mann im Kongress“. Alles um ihn herum muss kleiner sein als er. Er selbst sieht sich als den größten Dealmaker aller Zeiten. Doch nun steht er vor der bislang größten Herausforderung. Und die Nerven, sie scheinen nicht zu halten. Vor laufender Kamera hat er nun China aufgefordert, gegen Joe Biden zu ermitteln und drohte vor laufenden Kameras: „Wenn sie nicht tun, was wir wollen, habe ich enorme Macht.“  Aber die Affäre fing anders an, nämlich mit einem Telefonat mit dem neuen ukrainischen Präsidenten.

Das Telefongespräch

„Ich will sagen“, erklärt Trump gegenüber dem jungen ukrainischen Präsidenten Selenski, „dass wir viel für die Ukraine tun. Wir verwenden darauf viel Mühe und viel Zeit . . . Ich würde nicht sagen, dass es unbedingt auf Gegenseitigkeit beruht, weil Dinge geschehen, die nicht gut sind, aber die Vereinigten Staaten waren sehr, sehr gut zur Ukraine.“ Es folgt seine erste Bitte: „Ich möchte, dass Sie uns einen Gefallen tun“, sagt Trump, „weil unser Land viel durchgemacht hat, und die Ukraine weiß viel darüber. Ich möchte, dass Sie herausfinden, was mit dieser ganzen Situation in der Ukraine passiert ist, es heißt, Crowdstrike . . . Ich vermute, Sie haben einen Ihrer wohlhabenden Leute . . . Der Server, es heißt, die Ukraine habe ihn . . . Ich möchte, dass der Justizminister Sie oder Ihre Leute anruft, und ich möchte, dass Sie dem auf den Grund gehen.“ Es geht Trump um einen Vorgang, nach dem Beamte der vorherigen ukrainischen Regierung versucht hatten, während des Wahlkampfs 2016 Hillary Clinton zu helfen. Selenski erwidert, dass einer seiner Assistenten „erst kürzlich“ mit Giuliani gesprochen habe und dass er ihn treffen wolle, wenn er in die Ukraine komme.

Es folgt Trumps zweite Bitte: „Wie ich gehört habe, hatten Sie einen sehr guten Staatsanwalt, und er wurde ausgeschaltet, und das ist wirklich unfair ... Die andere Sache, es wird viel über Bidens Sohn geredet und dass Biden die Anklage gestoppt hat. Viele Leute wollen mehr darüber herausfinden, also was immer Sie mit dem Justizminister machen können, das wäre großartig. Biden lief herum und prahlte, dass er die Anklage gestoppt hat, also, wenn Sie sich das anschauen können... Für mich hört sich das furchtbar an.“

Was ist der Vorwurf?

Am Beginn der Affäre steht der Vorwurf, dass Trump den ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski in einem Telefonat dazu gedrängt haben soll, Korruptionsermittlungen gegen den demokratischen Präsidentschaftsbewerber Joe Biden und dessen Sohn Hunter aufzunehmen. Doch die Vorwürfe, die durch die Beschwerde eines Whistleblowers an die Öffentlichkeit gelangten, sind noch weitreichender: Es geht um die Frage, ob Trump sein Amt missbraucht hat, um ein anderes Land dazu zu instrumentalisieren, Einfluss auf die Wahl im kommenden Jahr zu nehmen.

Es muss eine Verschwörung sein

Trump hängt seit Jahren seiner exotischen Theorie eines „deep state“ an. Während die Demokraten glauben, dass er einen geheimen Deal mit den Russen habe, glaubte Trump, dass die Obama-Regierung sich mit den Russen abgesprochen hat, um es so aussehen zu lassen, als habe er sich mit den Russen abgesprochen. Nicht anders macht er es nun mit den Vorwürfen wegen seines Telefonats mit Selenski. „Hexenjagd“ nennt er das Verhalten der Demokraten. Als „Hexenjagd“ hatte er schon die Russland-Ermittlungen bezeichnet.

Sein juristisches Verständnis

 Seit Beginn seiner Präsidentschaft hat Trump außergewöhnliche Anstrengungen unternommen, sich vor juristischen Untersuchungen zu schützen, keine Rechenschaft ablegen zu müssen und die offiziellen Gremien untergraben, die seine Taten untersuchten.  Seit Watergate wird die Frage diskutiert, ob man einen Präsidenten überhaupt vor Gericht anklagen kann wie einen gewöhnlichen Bürger. Das Office of Legal Counsel, ein Anhängsel des Justizministeriums, hatte schon vor 45 Jahren die Meinung vertreten, ein amtierender Präsident könne nicht angeklagt werden. Und dies hatte es nach der Bill Clinton/Monika Lewinsky-Affäre noch einmal bestätigt. Allerdings wurde kürzlich ein Gutachten erstellt, das genau das Gegenteil davon besagt.

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Es wurde von dem Team des Sonderermittlers Mueller in Auftrag gegeben, das unter der Voraussetzung stand, dass Trump  erwartbar die Anklage abweisen würde. Es gibt keine gesetzlich verankerte Ausnahme für einen Präsidenten, lautete das Fazit des Gutachtens. Aber Trump lebt in seiner eigenen Welt. Alle Demokraten seien schwach. Er könne sie alle zerstören. Trump gilt unter Druck als panisch, irrational, nur noch um sich selbst kreisend. Schon bald könnte der Druck noch zunehmen.

Trumps Persönlichkeit

Donald Trump sein, heißt, der ungezügelte Donald Trump sein, das sei ihm am wichtigsten, berichtet der Journalist Michael Wolff, der sich über Wochen im Weißen Haus aufgehalten hat. Seine fundamentalste Regel laute: Niemand darf Trump widersprechen. „Stimmt, du hast eine bessere Frisur als ich, aber ich lege mehr Weiber flach als du“, soll er auf der Mailbox des Moderators Tucker Carlson hinterlassen haben.  Und bezogen auf Frauen und Sex soll Trump gesagt haben: „Ich brauche kein Viagra“, prahlte er auf einer Dinnerparty in New York, während sich alle anderen in Grund und Boden geschämt haben sollen. „Ich brauche ein Pille, damit meine Erektion wieder weggeht.“ Peinlich, peinlich, Mr. President.

Wie stehen die Chancen für eine Absetzung?

Bislang unterstützen zwei republikanische Gouverneure ein Amtsenthebungsverfahren, doch ihre Kritik ist eher symbolisch. Und nur eine Handvoll republikanischer Senatoren hat sich besorgt geäußert. Mitt Romney aus Utah etwa zeigte sich „zutiefst beunruhigt“, doch er gilt als ständiger Kritiker Trumps. Der Abgeordnete Mike Turner verurteilte Trumps Telefongespräch mit Selenski: „Ich möchte dem Präsidenten sagen: Das ist nicht in Ordnung.“ Bislang scheint es, als ob sich lediglich Republikaner auflehnen, die wenig zu verlieren haben – wie Joe Walsh, der 2020 gegen Trump als Präsidentschaftskandidat antreten will. „Trump zeigt dem amerikanischen Volk seinen Mittelfinger“, schimpfte er. Ansonsten errichten die Republikaner einen Schutzwall um Trump. „Bislang hat mir niemand darlegen können, dass Trump gegen Gesetze verstoßen hat“, sagte Rick Scott, Senator aus Florida.

Auf wen kommt es an?

Erheblichen Einfluss auf die weiteren Geschehnisse hat der Mehrheitsführer im US-Senat, Mitch McConnell. Solange er zu Trump steht, ist ein Kippen der Reihen eher ausgeschlossen. 

Gab es bereits Versuche für ein Impeachment bei Trump?

Im amerikanischen Repräsentantenhaus war bereits der Versuch eines demokratischen Abgeordneten gescheitert, den Prozess zur Einleitung eines Amtsenthebungsverfahrens gegen Trump auszulösen. Eine Mehrheit der Demokraten stimmte  gemeinsam mit den Republikanern dafür, eine entsprechende Resolution zu verwerfen. 

Wollte Nancy Pelosi  stets solch ein Verfahren?

Im Gegenteil. Es war Pelosi, die sich nach der Veröffentlichung des Berichts von Sonderermittler Robert Mueller, in dem es um eine mögliche Einmischung Russlands in den US-Wahlkampf 2016 und Justizbehinderung durch Trump geht, gegen ein Impeachment aussprach. Damit stellte sie sich gegen  Parteikollegen, die ein solches Verfahren gefordert hatten.

Wer ist überhaupt diese Nancy Pelosi?

Pelosi wurde in eine politische Familie geboren, ihr Vater war Bürgermeister in Baltimore im US-Bundesstaat Maryland. Politisch aktiv wurde sie aber erst spät, mit Mitte 40.   Immer wieder wird sie als brillante Taktikerin beschrieben. 

Und sie genießt sogar bei ihren Feinden Respekt. Steve Bannon, der dunkle und bereits geschasste Berater Trumps, sagte: Pelosi habe die innere Wahrheit erkannt, diese Regierung würde sich von selbst erledigen. Trump würde nicht den komplizierten Tanz beherrschen, um an der Macht zu bleiben. Das sei eine viel größere Herausforderung, als nur die Macht zu erlangen. „Sie blieb völlig gelassen“, sagte Bannon. „Weil sie wusste, dass sie uns in zwei Jahren im Sack hat.“ Nun könnte es soweit sein. Trump muss um sein Amt fürchten.

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