Ehemaliger Islamist Sven Lau im Interview„Liebesprediger würde keiner ernst nehmen“

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Das Interview mit Sven Lau (l.) führte Sascha Bisley im nüchternen Ambiente einer alten Fabrikhalle in der Nähe von Dortmund.

Das Interview mit Sven Lau (l.) führte Sascha Bisley im nüchternen Ambiente einer alten Fabrikhalle in der Nähe von Dortmund.

  • Unter dem Namen „Abu Adam“ wurde Hassprediger Sven Lau einst bekannt.
  • Nach mehreren Syrien-Besuchen und Hasspredigten wurde der Mönchengladbacher 2017 zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt.
  • Mittlerweile ist er auf Bewährung frei. Im Interview mit dem Filmproduzenten Sascha Bisley spricht er über seinen Aufstieg zum beachteten Salafisten.
  • Und er erklärt, warum er sich im Gefängnis vom Islamismus distanzierte.

Düsseldorf – Der Bart ist gestutzt, die Haare zurückgegelt. Sven Lau trägt ein weißes Hemd, Jeans und Turnschuhe beim Interview in der alten Fabrikhalle. Der 39-Jährige wirkt wie ein normaler Familienvater. Lau scheint eine radikale Wandlung hinter sich zu haben. Früher war der Konvertit ein Fanatiker und Helfer der IS-Kämpfer in Syrien. Im Gefängnis hat er dem Salafismus abgeschworen. Lau nimmt an einem Aussteigerprogramm des NRW-Innenministeriums teil. Wie kam es zu der 180-Grad-Wende?

Lau wollte sich von Sascha Bisley befragen lassen

Erstmals äußert sich der frühere Hassprediger dazu in einem Interview. Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ konnte sich das Gespräch vorab ansehen. Lau wollte sich nicht von einem Journalisten befragen lassen, sondern von einem Mann seines Vertrauens.

Der Filmproduzent Sascha Bisley hat selbst eine krasse Wandlung durchlebt. „Zurück aus der Hölle. Vom Gewalttäter zum Sozialarbeiter“, lautet das Buch, das Lau schon während seiner Haftzeit gelesen hatte. Er bat darum, mit dem Autor in Kontakt treten zu dürfen. „Bevor ich Sven Lau im Gefängnis begegnet bin, dachte ich, ich würde eine Art Monster treffen. Einen selbstsicheren Typen, der mit sich im Reinen ist“, sagt Bisley im Gespräch mit unserer Zeitung. „Aber das Gegenteil war der Fall. Lau war offensichtlich ziemlich am Ende. Die Inhaftierung hatte ihm schwer zugesetzt“, erinnert sich der 46-Jährige.

Experten halten Laus Aussagen für authentisch

Das Interview dauert 90 Minuten. Mitarbeiter des NRW-Verfassungsschutzes halten seine Aussagen für authentisch und unverstellt. Er spricht wie ein typischer Niederrheiner. „Ich bin Sven Lau, 39, fünffacher Familienvater, man kennt mich durch nichts Positives. Ich bin als Terrorhelfer und Hassprediger durch die Medien gegangen und zu fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt worden diesbezüglich“, sagt er etwa hölzern, als er sich selber vorstellt.

Sascha Bisley

Sascha Bisley gehörte bis zu seinem 19. Lebensjahr der rechtsextremistischen Szene an. Nachdem er in einem Gewaltexzess zusammen mit einem Mittäter einen Obdachlosen so schwer verletzt hatte, dass dieser Monate danach an den Spätfolgen des Angriffs starb, stieg Bisley aus der Szene aus.

Während der Gerichtsverhandlung hatte das Opfer den Angreifern vergeben, die Täter zeigten Reue und kamen mit einer Bewährungsstrafe davon. Heute ist er seit 26 Jahren straffrei. Sein Buch „Zurück aus der Hölle“ (Econ-Verlag) dient im Aussteigerprogramm als Arbeitsmaterial. Bisley arbeitet mit seinen Dokumentationen über die Randbereiche der Gesellschaft. (red)

Lau stammt aus einem katholischen Elternhaus. „Ich bin ohne Vater groß geworden, aber würde nicht sagen, dass ich eine völlig verkorkste Kindheit hatte“, berichtet der Mann aus Mönchengladbach. „Ich hatte nie religiöse Hintergründe, sondern mich eher darüber belustigt. Im Religionsunterricht habe ich nur Faxen gemacht und den Klassenclown abgegeben. Das hat sich alles wie ein verrücktes Märchen angehört, damit konnte man mich nicht erreichen.“

„Beim Islam habe ich meinen Frieden gefunden“

Dennoch habe er sich oft die Frage nach dem Sinn des Lebens gestellt. „Im ersten Lehrjahr bin ich auf einen türkischen Arbeitskollegen gestoßen. Der war religiös. Die Art und Weise, wie er gesprochen hat, hat mich in den Bann gezogen. Der hat jeden Tag geteilt, mir was von seiner Pizza und von seinem Börek abgegeben.“ Lau wird nachdenklich, beginnt, in der Bibel zu lesen.

Doch mit dem christlichen Glauben kommt er nicht klar. „Die Dreifaltigkeit habe ich einfach nicht verstanden. Beim Islam habe ich meinen Frieden gefunden. Aber das hat mich auch direkt voll überfordert. 18 Jahre lang hatte ich mit Religion nichts an der Mütze, dann habe ich versucht, alles minuziös richtig zu machen.“

„Heftig, das hat mir sehr imponiert“

Lau berichtet, er habe nicht von Beginn an radikale Thesen verfolgt. Erst durch die Schließung seiner Moschee sei er immer tiefer in den Salafismus getrieben worden. „Als Vorsitzender einer Gemeinde hatte ich noch Verantwortung. Da habe ich sogar noch auf Kleinigkeiten geachtet, zum Beispiel wer wo parkt, damit wir keinen Ärger mit den Nachbarn bekommen. Du willst das am Anfang alles gar nicht Aber wenn du nichts mehr hast, was bleibt dir denn noch?“

Prediger mit Bart und Mütze: Sven Lau im Jahr 2012 bei einem Auftritt in Köln.

Prediger mit Bart und Mütze: Sven Lau im Jahr 2012 bei einem Auftritt in Köln.

Eine sehr bequeme Sichtweise. Lau verweist darauf, er habe die falschen Leute kennengelernt. Zur Gründung der „Scharia-Polizei“ in Wuppertal sei er von einem „Bruder“ bedrängt worden, der „nicht locker gelassen“ habe. Seine Besuche in den syrischen Kampfgebieten seien rein humanitär gewesen. Schließlich habe er dort einen alten Freund wiedergetroffen, der zum Kämpfer geworden war. „Ich dachte, boah, was ist denn mit dem los? Der ist zehn Jahre jünger, der hat auf einmal voll den Mut. Heftig, das hat mir sehr imponiert.“

Der Aufstieg zum beachteten Salafisten

Lau erklärt seine Radikalisierung mit einer Charakterschwäche. „Ich habe ein Problem, Nein zu sagen, wenn ich mit gewissen Leuten zusammen bin, das ich mich schnell fangen lasse“. Der Aufstieg vom Feuerwehrmann zum bundesweit beachteten Salafisten habe ihm geschmeichelt: „Liebesprediger würde keiner ernst nehmen. Hassprediger klingt interessant.“

Sven Lau

Sven Lau war als Hassprediger unter dem Namen „Abu Adam“ bekannt. An der Seite des Konvertiten Pierre Vogel verbreitete er seine Botschaften auf Kundgebungen und in Youtube-Videos. Das Magazin Focus bezeichnete Lau 2014 als „Staatsfeind Nummer eins.“ Damals hatte er in Wuppertal durch die Gründung der „Scharia-Polizei“ bundesweit für Aufsehen gesorgt. Nach mehreren Besuchen in Syrien wurde der Mönchengladbacher verhaftet und 2017 wegen Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt.

Im Mai 2019 wurde Lau nach dem Verbüßen von zwei Dritteln der Strafe vorzeitig aus der Haft entlassen. Nach Auffassung des Gerichts hatte er sich vom Salafismus distanziert. (red)

Im Gefängnis setzt schließlich ein Umdenken ein. Ihm fehlt der Halt, die Familie, und seine Mitbrüder. Als ihm seine Frau berichtet, die Kinder würden wegen ihres Vaters von den Mitschülern verprügelt, ist er am Boden zerstört. Auch die Haftsituation habe ihn „zerschmettert“, berichtet Lau.

Dort wurde er offenbar von zwei Seiten angefeindet. Nazis schmierten Hakenkreuze an die Flurwände, unter denen „,Lau, wir kriegen Dich“ stand. „Und dann gab es da die Islamisten, die gerochen haben, dass er nicht mehr an ihrer Seite stand“, berichtet Sascha Bisley. Die Gefängnis-Bediensteten hätten wenig getan, um ihn zu schützen. „Die haben sich wohl gedacht: Warum sollen wir dem Typen hier das Leben leicht machen?“ Im Mai wurde er schließlich auf Bewährung vorzeitig entlassen.

Lau: „Ich möchte Jugendliche davor bewahren“

Lau war die Galionsfigur der Salafisten in Deutschland. Als er sich für das Aussteigerprogramm gemeldet hat, dürften beim Verfassungsschutz die Sektkorken geknallt haben. Zumal Lau nun selbst in der Prävention aktiv werden will: „Ich habe Leute angeleitet, Falsches zu tun. Deswegen möchte ich gerne genau das Gegenteil tun und Jugendliche vor derartigen Dingen bewahren.“

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Ob es tatsächlich so kommt, bleibt abzuwarten. Lau lebt mit seiner Familie unter seinem alten Namen in einer Sozialwohnung, arbeitet vier Tage in der Woche in einer gemeinnützigen Einrichtung. Der Verfassungsschutz behält ihn genau im Auge. Sollte Lau mit seinen alten Weggefährten Kontakt aufnehmen, muss er ins Gefängnis zurück.

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