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Entscheidung um CDU-VorsitzFür Armin Laschet ist die Fallhöhe am größten

Lesezeit 7 Minuten
Laschet

NRW-Ministerpräsident Armin Laschet

  • Am Samstag verbindet sich mit der Wahl des neuen Vorsitzenden auch eine Vorentscheidung über die Kanzlerkandidatur der Union.
  • Für den NRW-Ministerpräsidenten ist die Fallhöhe am größten.

Berlin/Düsseldorf – Am 18. Februar wird Armin Laschet 60 Jahre alt. Eine große Party ist Corona-bedingt ausgeschlossen. In welcher Grundstimmung der Ministerpräsident von NRW seinen runden Geburtstag feiert, entscheidet sich am Samstag in Berlin. Schafft der Politiker aus Aachen-Burtscheid den Sprung an die Spitze der CDU Deutschlands – und bahnt sich damit den Weg zur Kanzlerschaft? Oder platzt der Traum?

Welchen Kurs schlägt die CDU für das nächste Jahrzehnt ein?

Für Laschet geht es beim CDU-Parteitag um alles oder nichts. In den Berliner Messehallen kommt es zum Showdown im Dreikampf zwischen Laschet, Norbert Röttgen und Friedrich Merz. Nach beinahe 16 Jahren Kanzlerschaft von Angela Merkel steht in der Union eine Richtungsentscheidung an. Geht es – mehr oder weniger – so weiter wie bisher, wofür Laschet steht? Rückt die CDU mit Merz wirtschafts- und gesellschaftspolitisch wieder ein Stück weit nach rechts? Oder setzt sich mit Röttgen der jüngste Bewerber durch, der von sich selbst sagt, er sei auch der modernste? Es geht um den Kurs der CDU für das nächste Jahrzehnt – das macht die Abstimmung so spannend.

Der Wahlkampf fand wegen der Coronapandemie vor allem in digitalen Formaten und in einer Interviewschlacht statt. Keinem der drei Kandidaten auf den Parteivorsitz gelang es, sich deutlich abzusetzen. In der letzten Vorstellungsrunde wirkte Laschet wacher und souveräner als seine Mitbewerber und konnte einen Achtungserfolg verbuchen, der für ihn bitter nötig war.

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Gelingt Laschet die Aufholjagd?

Als Ministerpräsident des bevölkerungsreichsten Bundeslandes war Laschet monatelang mit dem Krisenmanagement in der Corona-Pandemie ausgelastet. Im Vergleich zu seinen Mitbewerbern fehlte ihm oft die Zeit für persönliche Gespräche mit Parteigliederungen und den Delegierten. In Meinungsumfragen rutschte er bisweilen auf Platz drei ab. Die Weihnachtspause versuchte er nun mit digitalen Begegnungsformaten wie „48 Stunden Laschet live“ für eine Aufholjagd zu nutzen. Unter den Laschet-Unterstützern will man seitdem einen Stimmungswechsel feststellen. „Die Dynamik stimmt jetzt“, heißt es.

Der ursprüngliche Malus, als Verantwortungsträger im Dauerfeuer der Kritik zu stehen, könne sich im Endspurt zu einem spielentscheidenden Bonus verwandeln. „Armin hat bewiesen, dass er im Stahlgewitter bestehen kann. Er bläst keine Seifenblasen in die Luft – sondern ist der Einzige, der durch seine Regierungserfahrung einen konkreten Plan davon hat, wie man Ziele in die Praxis umsetzt“, sagt ein Weggefährte. Laschet habe zudem im NRW-Kabinett seine Integrationskraft unter Beweis gestellt. Eine Qualifikation, die an der Spitze der Bundes-CDU dringend benötigt wird.

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Ausgerechnet die Corona-Krise hat Laschet offenbar in seinem Drang nach oben bestärkt. Er habe festgestellt, dass im Bundeskanzleramt „auch nur mit Wasser gekocht wird“, erklärt ein Delegierter. Zwar sei sein Respekt vor Merkel noch einmal gestiegen. Stärker als die Kanzlerin sehe er in der Pandemie aber auch die tiefen Eingriffe in die Freiheitsrechte der Menschen. „Maß und Mitte bleiben richtig“, sagt Laschet, obwohl er weiß, dass der strengere Ansatz, für den der bayrische Ministerpräsident Markus Söder steht, populärer ist.

Während Söder Tatkraft ausstrahlt, scheint sich Laschet etwa mit der misslungenen Umsetzung der 15-Kilometer-Radius-Regel oder dem Hin und Her bei der Schließung der Schulen und Kitas in NRW durch die Krise zu wursteln. Dabei steht NRW in der Pandemiebekämpfung nicht allzu schlecht da – und hat im Verhältnis deutlich weniger Tote zu beklagen als etwa Bayern. „Dass das in weiten Teilen überaus dicht besiedelte NRW im Vergleich bislang so gut durch die Pandemie kommt, dürfte Laschet eher nutzen“, sagt der Bonner Politik-Professor Volker Kronenberg mit Blick auf den Parteitag.

Kandidaten müssen mit digitalem Format zurecht kommen

Unklar ist, wie gut die Kandidaten dort mit den speziellen Bedingungen des digitalen Formats zurechtkommen. Die 1001 Delegierten sitzen Corona-bedingt an ihren Computern und Laptops. Die drei Kandidaten halten ihre Reden ausschließlich in die Kameras, sprechen sozusagen in ein schwarzes Loch. Dann wird digital abgestimmt.

Röttgen, dessen Ambitionen anfangs belächelt wurden, ist mittlerweile zu einem echten Konkurrenten für Laschet geworden. Beide sprechen, anders als Merz, vor allem das liberale Parteilager an. Könnte also ausgerechnet Röttgen, der in der NRW-Landtagswahl 2012 als Spitzenkandidat ein desaströs schlechtes Ergebnis einfuhr, Laschet den Parteivorsitz vermasseln? Röttgen gibt sich unverbraucht und mutiger als Laschet. Mit seiner Ankündigung, er strebe keine Koalition mit der FDP an, setzte er sich jetzt geschickt von Laschet und Merz ab. In den sozialen Medien entfaltete er mehr Strahlkraft als die Mitbewerber.

Merz wiederum gilt als Hoffnungsträger der Konservativen, die sich darüber beklagen, immer mehr an Einfluss verloren zu haben. Der „Anti-Merkel“ war 2018 im Rennen um den CDU-Vorsitz schon einmal – wenn auch nur knapp – gescheitert. Er verlor gegen Annegret Kramp-Karrenbauer nach einer seltsam abgehobenen und akademischen Bewerbungsrede. Daraus hat Merz gelernt. Der Sauerländer nutzte die vergangenen Monate, um in den Landesverbänden und bei den Delegierten für sich und seine Positionen zu werben. Der Wunsch nach einer konservativen Wende ist an der Basis groß. Sein Lager rechnet nach einem Medienbericht damit, schon im ersten Wahlgang 410 der 1001 Delegierten hinter sicher vereinen zu können. Dass Merz in die Stichwahl kommt, halten die meisten Beobachter für sicher. Laschets Lager setzt darauf, dass dieser als Zweitplatzierter im nächsten Wahlgang die Stimmen von Röttgens Leuten bekommt. „Der Weg zu Merz ist für sie jedenfalls weiter als der zu Laschet“, heißt es.

Armin Laschet hat am meisten zu verlieren

Laschet selbst lässt sich keine Nervosität anmerken. Dabei hat er am meisten zu verlieren. Als Regierungschef, den die eigenen Leute nicht als Parteivorsitzenden haben wollen, wäre Laschet politisch angezählt. Seine Fallhöhe ist somit bei weitem größer als bei Röttgen, der vom Vorsitz des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag an die Parteispitze springen will, und erst recht größer als beim politischen Privatier Merz.

Laschet weiß, dass er immer dann stark auftritt, wenn er in sich ruht und gut vorbereitet ist. Das ist aber nicht immer der Fall. In seiner Zeit als Oppositionsführer in NRW wurde er notorisch als chaotischer Luftikus unterschätzt. Bis heute wirkt er manchmal eine Spur zu jovial, zu nonchalant. Dabei agiert Laschet, der aus dem rheinisch-katholischen Milieu stammt, nach festen politischen Prinzipien. Schon früh schlug er sich in seiner Partei auf die Seite der Modernisierer.

„Armin Laschet steht für eine Union, die das Soziale in der Sozialen Markwirtschaft nicht vergessen hat und doch weiß, dass der Wohlstand erst erarbeitet werden muss, bevor er verteilt werden kann“, sagt Volker Kronenberg. Er verkörpere eine CDU, „die den Menschen nicht vorschreiben möchte, wie sie ihr persönliches Leben zu gestalten haben, aber mit einer harten Sicherheitspolitik allen auf die Füße tritt, die Recht und Gesetz verletzen“.

Folgt die Kanzlerkandidatur als Parteichef?

Wird Laschet Parteichef, will er auch nach der Kanzlerkandidatur greifen. Er wird dann allerdings Wege finden müssen, sich des in der Bevölkerung deutlich populäreren Söder und auch der Konkurrenz von Gesundheitsminister Jens Spahn zu erwehren. Laschet war 2020 der Coup gelungen, den Münsterländer in sein Team einzubinden. Dennoch soll Spahn vor Weihnachten an Laschet vorbei seine Chancen in der K-Frage sondiert haben. „Jeder weiß, dass Spahn sich viel zutraut“, sagt ein Strippenzieher. Perspektivisch sei klar: „Jens will an die Spitze“.

Ob Laschet als CDU-Chef Spahn fürs Erste ausbremsen könnte, hängt entscheidend von den eigenen Popularitätswerten ab. Sollten die weiter im Keller dümpeln, dürfte sich eine Diskussion um die Chancen einer Kanzlerkandidatur des NRW-Ministerpräsidenten entwickeln. Auch schwere Schnitzer in der Pandemiebekämpfung könnten Laschets Ambitionen zunichte machen, der erste Kanzler aus dem Rheinland nach Konrad Adenauer zu werden.

Sollte Laschet gar schon in der Wahl zum CDU-Vorsitzenden scheitern, wäre nicht nur er schwer angeschlagen. Es wäre auch eine Niederlage für die CDU-Führung in NRW, die sich vor knapp einem Jahr mit großer Mehrheit hinter ihn gestellt hatte. Eines bliebe ihr dann allerdings erspart: eine Debatte über Laschets Nachfolge für den Fall der Kanzlerschaft. Für das Laschet-Lager wäre das freilich nur ein schwacher Trost.

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