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Extremisten Grundrechte entziehen?Empörung über Forderung von CDU-Politiker Tauber

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Peter Tauber

Peter Tauber

Berlin – Mit der Forderung, Verfassungsfeinden bestimmte Grundrechte zu entziehen, hat der frühere CDU-Generalsekretär Peter Tauber eine heftige Kontroverse losgetreten. Nur das Strafrecht anzuwenden, genüge nicht im Kampf gegen Rechtsextremismus, schrieb Tauber in einem Gastbeitrag für die „Welt“ mit Blick auf den mutmaßlich rechtsextremistisch motivierten Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke. Bei Twitter löste der Beitrag eine hitzige Debatte aus. Die AfD reagierte entrüstet, andere Oppositionsparteien skeptisch.

„Die Mütter und Väter des Grundgesetzes haben uns ein scharfes Schwert zum Schutz der Verfassung in die Hand gegeben. Es ist Zeit, von ihm Gebrauch zu machen“, schrieb Tauber. Er bezog sich auf Artikel 18 des Grundgesetzes, der noch nie angewendet worden sei. Danach können Grundrechte verwirkt werden, wenn jemand versucht, damit die freiheitliche demokratische Grundordnung zu bekämpfen. Wörtlich heißt es dort: „Wer die Freiheit der Meinungsäußerung, insbesondere die Pressefreiheit (Artikel 5 Abs. 1), die Lehrfreiheit (Artikel 5 Abs. 3), die Versammlungsfreiheit (Artikel 8), die Vereinigungsfreiheit (Artikel 9), das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis (Artikel 10), das Eigentum (Artikel 14) oder das Asylrecht (Artikel 16a) zum Kampfe gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung mißbraucht, verwirkt diese Grundrechte.“ Entscheiden muss darüber das Bundesverfassungsgericht. Die Bundesregierung war in der Vergangenheit mit Versuchen gescheitert, Extremisten in Karlsruhe Grundrechte entziehen zu lassen.

Tauber gibt Erika Steinbach Mitschuld an Tod von Walter Lübcke

„Die politische Rechte kann man nicht integrieren oder einbinden“, schrieb Tauber, der inzwischen Parlamentarischer Staatssekretär im Verteidigungsministerium ist. Die Gewaltbereitschaft von rechts nehme zu, das politische Klima habe sich verändert. „Erika Steinbach, einst eine Dame mit Bildung und Stil, demonstriert diese Selbstradikalisierung jeden Tag auf Twitter“, so Tauber über seine frühere Parteikollegin. „Sie ist ebenso wie die Höckes, Ottes und Weidels durch eine Sprache, die enthemmt und zur Gewalt führt, mitschuldig am Tod Walter Lübckes.“

AfD-Fraktionschefin Alice Weidel entgegnete: „Enthemmt ist offensichtlich Herr Tauber, der einen Mordanschlag dazu nutzt, um den politischen Mitbewerber auf tiefste Art und Weise zu diskreditieren.“ Und: „Wer gegen illegale Masseneinwanderung kämpft, ist kein Helfershelfer von Mördern. Er nimmt nur seine Rechte im demokratischen Meinungskampf wahr.“

AfD-Chef Jörg Meuthen fordert Taubers Rücktritt

AfD-Chef Jörg Meuthen warf Tauber vor, aus dem Mord an Lübcke politisches Kapital zu schlagen, indem er AfD-Politiker für mitschuldig erkläre. „Das ist genauso abstoßend und niederträchtig wie falsch“, sagte er der dpa. Er forderte Taubers Rücktritt als Parlamentarischer Staatssekretär.

Viele Leser machten ihrem Unmut bei Twitter Luft. „#Tauber kann gleich Vorsitzender der Antifa werden!“, schrieb ein Nutzer. „Es ist erstaunlich, in welch totalitäre Richtung sich #Deutschland (wieder) entwickelte“, kommentierte ein anderer.

Die übrigen Oppositionsparteien zeigten sich skeptisch. Nun müsse es vor allem um die Analyse rechtsextremer Netzwerke gehen, sagte die innenpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Irene Mihalic. „Hier haben Bundesregierung und Sicherheitsbehörden jahrelang die Gefahr verkannt und sich stets auf Einzeltäter fokussiert, statt nach Zusammenhängen und Strukturen zu suchen.(...) Mit dieser Ausblendung der Wirklichkeit muss Schluss sein.“

Der FDP-Innenpolitiker Benjamin Strasser warf Tauber Aktionismus vor. „In Deutschland gibt es heute rund 13 000 gewaltbereite Rechtsextremisten. Das hätte die Union, die seit 2005 ununterbrochen den Bundesinnenminister stellt, schon lange anders angehen müssen.“

Die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Ulla Jelpke, erklärte: „Wer so etwas fordert, arbeitet den demokratiefeindlichen Zielen der Naziterroristen geradezu in die Hände.“ Stattdessen müssten die bestehenden Gesetze konsequent angewendet werden. Die „Verharmlosung von Naziseilschaften bei der Polizei und in der Bundeswehr als vermeintliche Einzelfälle“ müsse ein Ende haben. (dpa)

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