Gefährliche Entdeckung aus ChinaNeue Schweinegrippe mit Pandemie-Potenzial

Lesezeit 4 Minuten
Chinesische Forscher haben einen neuartigen Erreger in Schweinen gefunden. 

Chinesische Forscher haben einen neuartigen Erreger in Schweinen gefunden. 

  • Chinesische Forscher haben eine brisante Entdeckung gemacht: einen neuen Grippe-Erreger mit Pandemie-Potential.
  • Steht der Menschheit also erneut eine Pandemie bevor, die ausgehend von China sich weltweit verbreiten könnte? Lesen Sie hier die Hintergründe.

Die wissenschaftliche Studie wurde bereits Anfang Dezember zur Überprüfung eingereicht, doch nach dem Corona-Ausbruch liest sich die Publikation im US-Fachmagazin „Proceedings of the National Academy of Sciences“ mit einem unbehaglichen Gefühl: 22 chinesische Wissenschaftler, die meisten von der „China Agricultural University“ in Peking, haben innerhalb der Schweinepopulation in zehn Provinzen einen neuen Grippeerreger identifiziert, der all die „Merkmale eines Pandemie-Virus“ in sich trägt. „Das Bekämpfen des Virus bei Schweinen sowie die genaue Überwachung der menschlichen Population, vor allem innerhalb der Schweinefleischindustrie, sollte dringend umgesetzt werden“, raten die Studienautoren. Steht der Menschheit also erneut eine Pandemie bevor, die ausgehend von China sich weltweit verbreiten könnte?

Eine akute Gefahr gehe von dem neuartigen Erreger laut Experten wohl derzeit nicht aus, kommentierte bereits Washingtons Chefepidemiologe im Weißen Haus, Anthony Fauci. Die Situation sollte jedoch genauestens beobachtet werden.

Ableger der Schweinegrippe von 2009

Bei dem neuen Influenza-Virus handelt sich um einen Ableger der Schweinegrippe, die 2009 grassierte und damals etwa 285 000 Menschen tötete, wobei die Sterblichkeitsrate mit 0,02 Prozent sehr gering ausfiel. Mittlerweile ist die Gefahr durch den saisonal herausgegeben Impfstoffe gebannt. „Systematische Überwachung von Influenza-Viren in Schweinen ist essenziell bei der Frühwarnung und dem Vorbereitetsein für die nächste potenzielle Pandemie“, heißt es in der Studie. Und tatsächlich hat die Volksrepublik China ein weitflächiges Überwachungssystem in allen Provinzen installiert, dass nicht nur menschliche, sondern auch Vogel- und Schweinegrippen verfolgt.

Alles zum Thema Corona

Der nun identifizierte Strang kursiert nachweislich seit 2013 in der Schweinepopulation Chinas, seit 2016 in erhöhtem Ausmaß. Bei einer Untersuchung von insgesamt 338 Schweinezuchtarbeiter testete knapp über ein Zehntel positiv auf das Virus. In der Altersgruppe zwischen 18 und 35 Jahren betrug der Wert gar über 20 Prozent. Besonders überraschend: Von 230 getesteten Menschen aus Haushalten nahe Schweinefarmen, die an sich keinen Kontakt zu den Tieren hatten, waren ebenfalls über vier Prozent infiziert.

Das könnte Sie auch interessieren:

Damit ist nachgewiesen, dass das Virus vom Tier auf den Menschen übertragen werden kann. Für eine mögliche Pandemie ist jedoch das entscheidende Kriterium, ob der Erreger auch innerhalb von Menschen weitergegeben werden kann. Dafür gibt es bislang keine Indizien, jedoch sprechen die chinesischen Studienautoren von einer Gefahr durch Virusadaptionen. Gleichzeitig sorgt für Entwarnung, dass die getesteten Schweinefarm-Mitarbeiter in China trotz früherer Infektionen offenbar keinen schweren Krankheitsverlauf durchlitten. „Wissenschaftler in meinem Feld sind wachsam, aber nicht alarmiert. Neue Infektionsstränge der Grippe tauchen immer mal wieder auf und wir müssen bereit sein, darauf wenn notwendig zu reagieren, und besonders genau auf Hinweise für Mensch zu Mensch Übertragungen schauen“, schreibt der Virologe Ian M. Mackay von der University of Queensland in einer ersten Analyse im Wissenschaftsmedium „The Conversation“. Die aktuelle Studie dient zumindest als Erinnerung, dass die Menschheit trotz grassierender Corona-Pandemie weiterhin auf der Hut vor neuen Erregern sein muss; und dass die Gefahr keineswegs nur von exotischen Wildtieren ausgeht, sondern vor allem Zuchttieren der Fleischindustrie.

Hälfte der Schweine-Bestände gekeult

In China grassiert etwa nach wie vor die Afrikanische Schweinepest, die zwar für den Menschen ungefährlich ist, doch für das Tier fast immer tödlich verläuft. Noch bis zum Sommer 2018 wurde de facto die Hälfte aller zum Fleischverzehr gezüchteten Schweine in China infiziert. In der Zwischenzeit mussten fast die Hälfte der gesamten Tierbestände gekeult werden. Lange Zeit war das Ausmaß der Afrikanischen Schweinepest nicht bekannt. Die Volksrepublik China hat zwar ein respektables Influenza-Warnsystem, doch die Medien durften schlicht nicht frei über das Thema berichten. Viele Chinesen wussten also gar nicht, wieso die Preise für Schweinefleisch plötzlich über das Doppelte angestiegen sind.

Zuverlässige Daten lassen sich jedoch aus dem Ausland heranziehen: Das deutsche Schlachterei- und Fleischverarbeitungsgewerbe gab als Grund für seinen Umsatzrekord im Frühjahr 2020 (vor Bekanntwerden der Skandale und Missstände) die rasant gestiegene Ausfuhr von Schweinefleisch nach China an. Diese hätten sich noch im April im Vorjahresvergleich mengenmäßig auf 158 000 Tonnen mehr als verdoppelt.

KStA abonnieren