Gefälschte ImpfpässeStaatsanwaltschaft ermittelt gegen Ärzte aus dem Kölner Raum

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Impfpassfälschern droht eine Geld- oder Freiheitsstrafe.

Köln/Bergisch Gladbach – Manchmal ist die Fälschung geradezu offensichtlich. Etwa im Fall einer Frau, die vor kurzem an einem Samstag die Kauflandapotheke in Bensberg betrat und gleich mehrere Impfpässe auf den Tresen legte. Sie wolle eine Digitalisierung all jener Impfausweise, sagte sie. Die Angestellten lehnten ab – schon alleine, weil Geimpfte mit ihrem Personalausweis die Digitalisierung persönlich abholen müssen. „Da wurde die Dame sehr ausfallend und laut“, erinnert sich Markus Kerckhoff, Inhaber zweier Apotheken in Bensberg und Bergisch Gladbach. „Aber am Ende gab es kein Zertifikat, fertig.“

Knapp 200 Ermittlungsverfahren wegen Impfpassfälschung hat die Staatsanwaltschaft Köln in diesem Jahr eingeleitet, zwei Personen wurden bereits verurteilt. In den letzten Wochen stieg die Zahl der Verfahren – ein Trend, der sich angesichts von 2G und der beschlossenen Impfpflicht für Gesundheitsberufe fortführen könnte. „Jetzt, wo der Druck da ist, wird es erst richtig losgehen mit den Fälschungen“, sagt Kerckhoff.

Ein großes Problem dabei: Einen Impfpass zu fälschen ist gar nicht so schwierig. Die gelbe Blanko-Pässe kann man über Amazon bestellen, obwohl jeder Patient ihn kostenlos vom Arzt bekommt. Ärzte kriegen Impfpässe gestellt. Die Sicherheitsstandards sind niedriger als bei den Impfnachweisen im EU-Ausweis von Hunden, da Besitzer bei Grenzkontrollen einen Nachweis über die Tollwut-Impfung vorzeigen müssen. Gefälschte Impfnachweise über die Corona-Impfung werden meist bei Apotheken entdeckt.

„Als Apotheker hat man ein gutes Gespür für Fälschungen“

Kerckhoff und seine Mitarbeiter weisen mittlerweile ein- bis zweimal die Woche Kunden ab, die ihren Impfpass digitalisieren lassen wollen. „Als Apotheker hat man ein gutes Gespür für Fälschungen“, sagt Kerckhoff. „Es gibt ja auch viele gefälschte Rezepte für verschreibungspflichtige Medikamente. Die Klassiker sind Rezepte, die am Mittwochnachmittag, Freitagnachmittag und Samstag vorgelegt werden, wenn die Arztpraxen zu haben.“

Bei gefälschten Impfpässen passe häufig die Chargennummer nicht zum Impfstoff, manchmal existierte die Charge zum Impfzeitpunkt gar nicht. Oder der Inhaber des Impfpasses wohnt in Frankfurt, wurde aber angeblich im Impfzentrum München geimpft. „In solchen Fällen kann man das Impfzentrum oder den Arzt anrufen“, sagt Kerckhoff. „Wenn die Arztpraxis Herrn Müller aber gar nicht kennt und am Tag der Impfung auch noch geschlossen hatte, haben wir genug Indizien um die Polizei anzurufen.“ Um alle Impfpässe so zu überprüfen, fehle jedoch die Zeit und das Personal.

Immerhin können Apotheker seit vergangenen Donnerstag  über eine Software prüfen, ob eine Chargennummer zu einer in Deutschland verimpften Dosis passt und ob die Impfung tatsächlich zwischen dem Datum der Freigabe und dem Datum des Verfalls stattgefunden hat. Aber das hat sich auch bei potenziellen Impfpass-Fälschern, etwa aus der Querdenker-Szene, bereits herumgesprochen. 

Sicherheitslücke beim Apothekerverband

Kerckhoff spricht von einer Reihe an Versäumnissen, die nun dazu führen, dass Impfnachweise nicht hundertprozentig verifizierbar sind. „Dabei war mit der allerersten Covid-Impfung klar, dass wir irgendwann einen Nachweis brauchen, ob diese Impfung stattgefunden hat.“ Als erste Sicherheitslücke nennt er das Portal des Deutschen Apothekerverbands. Noch im Sommer konnte dort jeder Mensch digitale Impfzertifikate ausdrucken, der den Benutzernamen und das Passwort kannte. „So entstand auch ein digitales Impfzertifikat für Adolf Hitler“, sagt Kerckhoff.

Erst als der Hackerverein Chaos Computer Club auf die Mängel hinwies, seien die Sicherheitsanforderungen angepasst worden: Zertifikate können nun nur über Rechner ausgestellt werden, die direkt mit dem Server der Apotheke verbunden sind.

Trotzdem schaffte es eine pharmazeutisch-technische Assistentin bei München, ihren privaten Rechner über eine Software mit dem Computer der Apotheke zu verbinden. Sie erstellte hunderte Zertifikate, verkaufte sie im Darknet für viel Geld. Nach ihrer Festnahme erklärten die Behörden alle Zertifikate, die über diese Apotheke erstellt wurden, für ungültig – darunter auch Nachweise von tatsächlich Geimpften. „Über diesen Weg können auch heute noch Fälschungen erstellt werden“, sagt Kerckhoff. Seiner Meinung nach sollten die Server außerhalb von Betriebszeiten gesperrt werden.

Eine weitere Sicherheitslücke schloss die Politik erst Ende November: Bis dahin war es gesetzlich nur verboten, einen gefälschten Impfausweis gegenüber Behörden und Versicherungen vorzulegen. Für Apotheken galt dies nicht.

LKA-Chef für höhere Sicherheitsstandards bei Impfpässen

„Jede Apotheke wird zum Detektiv“, sagt Thomas Preis, Vorsitzender des Apothekerverbands Nordrhein. Auch Personen mit einem ordentlichen Impfpass geraten in Verdacht, weil Impfpässe nicht einheitlich sind. Es gäbe keinen Standard, wie ein Impfdokument oder der Stempel eines Impfzentrums auszusehen haben. So manche Rabattgutscheine im Handel, sagt Preis, seien besser vor Fälschungen geschützt als Impfpässe. Preis schlägt deshalb ein „zentrales Impfregister“ vor: Eine Datenbank, in der Fachkreise überprüfen können, ob, wann und wo eine Person mit welcher Charge geimpft wurde. Ein Anruf beim Arzt wäre damit gar nicht mehr nötig.

Auch LKA-Chef Ingo Wünsch sprach sich vergangene Woche im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ für höhere Sicherheitsstandards bei Impfnachweisen aus. Der Impfpass werde in Zukunft so wichtig sein wie ein Personalausweis, sagt Wünsch. „Wie kommen an einem fälschungssicheren Impfzertifikat mit vergleichbaren Sicherheitsmerkmalen wie bei Bargeld und Passpapieren in Zukunft nicht vorbei.“ Weil die Fälschung von Impfpässen so leicht ist, habe das LKA noch keine strukturierte Impfpassfälschungszentrale entdeckt.

Bis zum 1. Dezember erfasste die Behörde 1.041 Impfpass-, Genesenenschein- und Testfälschungen. Das LKA mahnt, keine Fotos von echten Impfpässen in den sozialen Medien zu veröffentlichen: Die Chargennummern könnten Fälscher als Vorlage nutzen. Angebote von gefälschten Impfpässen, so Wünsch, seien umgehend der Polizei zu melden. 

Staatsanwaltschaft Köln ermittelt gegen Ärzte wegen Impfpassfälschung

Bei der Kriminalpolizei Köln geht seit Mai die Ermittlungsgruppe „Stempel“ gegen Coronatest- und Impfpassfälscher vor. Bei den Coronatests liegen die Delikte im einstelligen Bereich, so Pressesprecherin Jessica Kluszczyk. Die Zahl der Impfpassfälschungen sei deutlich höher. Häufig melden Apotheker oder Ärzte Fälschungen bei der Polizei, andere fliegen bei Polizeikontrollen auf, manchmal finden die Polizisten bei einer Durchsuchung einen Stapel gelber Impfbücher.

„Wir bekommen auch Hinweise auf Impfausweise, die über Messenger-Dienste vertrieben werden“, sagt Kluszcyk. Auf Instagram bekamen Nutzer schon gesponserte Werbung für gefälschte Impfpässe. Oft fallen Käufer aber ihrerseits auf Betrüger rein: Viele Online-Bestellungen kommen nie an. Bei manchen Betrogenen ist der Unmut über den fehlenden Impfpass scheinbar so groß, dass sie bei der Polizei Anzeige gegen die Online-Händler erstatten, „obwohl sie selbst sich auch im Straftatbereich befinden“, sagt Kluszczyk. „Natürlich kommt das vor. Dann werden aber auch die Leute angezeigt, die den Betrug anzeigen.“

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Die Staatsanwaltschaft Köln ermittelt nicht nur gegen Impfpassfälscher, sondern auch gegen Ärzte aus dem Kölner Raum. Sie sollen Impfpässe ausgestellt haben, ohne die Patienten tatsächlich geimpft zu haben. Eine Pressesprecherin der Staatsanwaltschaft spricht von „wenigen Verfahren im einstelligen Raum“, Thomas Preis von Fällen, wo man als Apotheker chancenlos ist. „Bei solchen Fälschung ist man machtlos.“

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