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Gesichter der EinheitBundespräsident ehrt deutsche Grenzensprenger

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Bundesverdienstkreuz

Der Bundespräsident hat zum Tag der Deutschen Einheit 25 Frauen und Männer für ihre Verdienste um das Land mit dem Verdienstorden ausgezeichnet.

Berlin – Es sind außergewöhnliche Szenen, die sich nach der diesjährigen Verleihung des Bundesverdienstkreuzes zum Tag der Deutschen Einheit im Schloss Bellevue abspielen. Eine der gerade Geehrten spricht einen der anderen Geehrten schüchtern an, sie sei früher immer ein Fan seiner Platten gewesen und nun sehr stolz, mit ihm hier zu sein. Die Töchter einer weiteren Ausgezeichneten sammeln unter den Mit-Ausgezeichneten Autogramme ins Programmheft mit der schwarz-rot-goldenen Kordel. Und während die Ex-Bürgerrechtler mit dem frisch angehefteten Orden an der Presse vorbei zum Empfang nebenan huschen, lassen die Fernsehteams und Fotografen nicht vom Popstar unter den Ordensträgern ab – der ihnen routiniert die Posen und Sprüche liefert, nach denen sie gieren.

Der Letztgenannte ist Altrocker Udo Lindenberg – geehrt, weil er wie kein anderer gegen die deutsche Teilung angesungen habe. Unter den weiteren neuen Bundesverdienstkreuz-Trägern sind die sozial engagierte Schauspielerin Kati Stüdemann, die aus Magdeburg stammt und dort Fan des DDR-Dissidenten und Liedermachers Stephan Krawczyk war; die Karlsruher Informatik-Pionierin Britta Nestler konnte ihre Töchter unter anderem mit der Anwesenheit des Raumfahrt-Popstars Alexander Gerst aus Köln begeistern – und sie alle verbindet eines, wie Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier an diesem Mittwoch in Berlin erklärte: „Sie alle stehen dafür, dass wir etwas verändern und die Welt von morgen mitgestalten können, im Osten wie im Westen, von den Tiefen der Ozeane bis in die Höhen des Alls.“

Die Verleihung etwas spektakulärer gestalten

Es ist ein großer Bogen, den er und sein Bundespräsidialamt bei der Auswahl der diesjährigen Ehrenträger schlagen. Aber Steinmeier hat nicht nur Halbzeit als Staatsoberhaupt, er war auch lange genug Politiker, um Tausende blutleere Rituale und vom Protokoll zur musealen Langeweile geformten Gedenkstunden erlebt zu haben. Und um eben nun, im 30. Jahr des Mauerfalls und mitten in der hitzigsten Ost-West-Debatte seit Jahrzehnten, die Verleihung der Verdienstkreuze etwas spektakulärer zu gestalten.

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So geht der Orden zwar überwiegend an Persönlichkeiten vor allem aus dem Osten, aber auch einige Komplizen aus dem Westen, die sich um die Friedliche Revolution von 1989 verdient machten: Der ehemalige Berliner Jugendpfarrer Rainer Eppelmann etwa, heute Vorstandschef der Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, dessen Forderung „Frieden schaffen ohne Waffen“ bis heute Mahnung sei, wie es in der Laudatio heißt.

Kathrin Mahler Walther beweist, dass es schon vor „Fridays for Future“ 16-jährige Heldinnen gab: Sie hatte sich in diesem Alter in der DDR-Opposition engagiert und dazu beigetragen, dass die TV-Bilder von der Leipziger Massendemo am 9. Oktober 1989 um die Welt gingen.

Mitbegründer des „Neuen Forums“ erhalten Bundesverdienstkreuz

Den wohl stärksten Applaus erhalten Eva und Jens Reich, Mitbegründer der ersten DDR-Oppositionspartei „Neues Forum“, die als Hoffnungsträger von 1989 bis heute viel Optimismus und Lebensfreude ausstrahlten.

Doch hinzu kamen eben auch ganz andere Persönlichkeiten, die mit Mut und Engagement „Grenzen gesprengt haben“, wie Steinmeier lobt.

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Darunter sind auch der bereits mit 30 Jahren weltberühmte Mathematiker Peter Scholze aus Bonn, die gefeierte klassische Sängerin Tomoko Masur und die Mikrobiologin Emmanuelle Charpentier, Entdeckerin der Gen-Schere. Alle Ordensträger sind bis heute im Dienste der Gesellschaft aktiv, viele davon engagieren sich für Soziales und Demokratie.

„Der Kampf für Freiheit und Demokratie ist ganz offensichtlich nicht ein für alle Mal erledigt“, sagt Steinmeier dazu. „Auch bei uns in Deutschland erleben wir, wie Freiheit und Menschenwürde angefochten werden, wie das Gift des Hasses in die Sprache und die Gesellschaft einsickert, wie Menschen sich abwenden von der Demokratie.“

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