Griechisch-türkische GrenzeAuf griechischen Inseln droht „humanitäre Katastrophe“

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Migranten stehen auf den abgebrannten Überresten eines Containerhauses.

  • Die Türkei hatte Ende Februar erklärt, die Grenze zur Europäischen Union sei für Migranten offen.
  • Tausende versuchten über Land und Wasser Griechenland zu erreichen. Griechenland ließ sie jedoch nicht passieren.
  • Die Aktion des türkischen Präsidenten Erdogan, Migranten in die EU zu entlassen, ist offenbar gescheitert.

Athen/Istanbul/Sofia/Wien – Nachdem die Türkei „die Tore geöffnet“ hat, versuchten Tausende Flüchtlinge Griechenland zu erreichen. Griechenland wiederum ließ sie nicht passieren. Die Ereignisse im Newsblog

  • Dienstag, 31. März

Experten alarmiert: Auf griechischen Inseln droht “humanitäre Katastrophe”

11.24 Uhr: Angesichts der Ausbreitung des Coronavirus warnt der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR) vor einer “humanitären Katastrophe” auf den griechischen Inseln. Deutschland und andere europäische Staaten sollten als “Koalition der Willigen” Schutzbedürftige aus Griechenland aufnehmen, fordert der SVR in einem am Dienstag veröffentlichten Positionspapier zur seit Jahren stockenden Reform der europäischen Asylpolitik. Diese drohe “vollständig von der Corona-Pandemie überlagert zu werden”. Die EU-Kommission will ihre neuen Vorschläge nach Ostern präsentieren.

“Nach den Entwicklungen an der griechisch-türkischen Grenze ist zu befürchten, dass die europäische Migrations- und Asylpolitik in absehbarer Zukunft erneut mit Zuspitzungen konfrontiert sein wird, auf die sie strukturell bislang nicht hinreichend vorbereitet ist”, schreibt der SVR. Dort hatten sich in den vergangenen Wochen Migranten gesammelt, nachdem die türkische Regierung erklärt hatte, die Grenze nach Griechenland sei offen. Griechische Sicherheitskräfte wehrten die Menschen teils gewaltsam ab.

  • Freitag, 27. März

11.36 Uhr: Im Lager von Pazarkule an der griechisch-türkischen Grenze sind in der Nacht zum Freitag aus unbekannten Gründen an zahlreichen Stellen Brände ausgebrochen. Sicherheitskräfte von der griechischen Seite wurden in Alarmbereitschaft versetzt.

Zu einem Ansturm auf den Zaun kam es jedoch nicht, wie das griechische Staatsradio und Reporter vor Ort berichteten. Griechische Medien berichteten, der Polizei lägen Informationen vor, dass die türkische Regierung nach und nach die Migranten aus der Grenzregion zurück ins Inland bringe, da die Aktion des türkischen Präsidenten Erdogan, Migranten in die EU zu entlassen, gescheitert sei.

Nur noch wenige Hundert Migranten auf türkischer Seite

Die Türkei hatte Ende Februar erklärt, die Grenze zur Europäischen Union sei für Migranten offen. Daraufhin machten sich Tausende Menschen auf den Weg, um aus der Türkei nach Griechenland und somit in die EU zu gelangen.

Griechenland ließ sie jedoch nicht passieren. Inzwischen befinden sich Schätzungen griechischer Polizeioffiziere nur noch wenige Hundert Migranten auf der türkischen Seite der Grenze.

  • Montag, 23. März 

EU-Parlament fordert Räumung von Flüchtlingslagern in Griechenland

18:26 Uhr: Wegen der drohenden Gefahr durch das Coronavirus hat das Europaparlament die Räumung von Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln gefordert. (hier lesen Sie mehr) In den überfüllten Camps gebe es weder die Chance, sozialen Abstand einzuhalten noch angemessene Hygiene-Bedingungen, schreibt der Vorsitzende des Innenausschusses, Juan Fernando López Aguilar, am Montag in einem Brief an den EU-Kommissar für Krisenmanagement, Janez Lenarcic. Um eine schnelle Ausbreitung von Covid-19 zu verhindern, müssten die Lager möglichst rasch vorsorglich geräumt werden.

  • Montag, 16. März

Kind stirbt bei Brand in Flüchtlingslager

Bei einem Brand in dem stark überfüllten Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos ist am Montag nach Angaben der Behörden ein sechsjähriges Kind gestorben. Bei dem Opfer handele es sich um ein Mädchen, berichtete der Fernsehsender ERT. Das Feuer sei in einem Container ausgebrochen.

Zuletzt waren hunderte Menschen auf dem Seeweg von der Türkei aus auf den griechischen Ägäis-Inseln eingetroffen, wo sich bereits mehr als 37.000 Asylsuchende in Flüchtlingslagern befinden. Diese sind eigentlich nur für die Unterbringung von etwa 6000 Menschen ausgelegt. Der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan hatte Ende Februar die Grenzen seines Landes zur EU für geöffnet erklärt. Daraufhin kam es zu einem starken Flüchtlingsandrang an der türkisch-griechischen Grenze.

Die Lage befeuerte auch den Flüchtlingsstreit zwischen der Türkei und der EU. Wegen der sich zuspitzenden Situation in den überfüllten Flüchtlingslagern will die EU Asylsuchenden finanzielle Anreize zur Rückkehr in ihre Heimat anbieten. Mit dem Programm sollen 5000 Migranten angesprochen werden, die vor dem 1. Januar in Griechenland angekommen sind.

  • Dienstag, 10. März

Treffen Erdogan-Macron-Merkel zu Flüchtlingssituation

Am 17. März soll es zu einem Treffen zwischen Bundeskanzler Angela Merkel, dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron und dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan kommen. „Wir werden einen Vierergipfel haben, wenn Boris Johnson (auch) kommen kann - wenn nicht, haben wir einen Dreiergipfel“, sagte Erdogan laut einem vom präsidialen Presseamt veröffentlichten Transkript eines Gesprächs mit Journalisten auf dem Rückflug aus Brüssel am Vorabend.

Die Türkei hatte nach Gesprächen mit den EU-Spitzen in Brüssel eine Überarbeitung des Flüchtlingspakts von 2016 gefordert. Angesichts der „neuen Umstände“ etwa in Syrien werde man mit der EU besprechen was zusätzlich getan werden könne, sagte der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu. 

EU will Flüchtlingspakt mit der Türkei retten

Trotz der Zuspitzung an der griechisch-türkischen Grenze versucht die Europäische Union, den Flüchtlingspakt mit der Türkei am Leben zu erhalten. Der Pakt von 2016 bleibe gültig, und Differenzen bei der Umsetzung sollten in den nächsten Tagen von beiden Seiten geklärt werden, erklärten EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen und EU-Ratschef Charles Michel nach einem Treffen mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan am Montagabend.

Aus EU-Kreisen hieß es, Erdogan habe in dem Gespräch keine neuen Forderungen gestellt. Es sei ihm nur um die die aus seiner Sicht unvollständige Auszahlung der Hilfsgelder gegangen. Dies könne nun auf Expertenebene geklärt werden. Die EU werte den Verlauf des Treffens als Hinweis, dass Erdogan wieder konstruktiv mit der EU ins Gespräch kommen wolle.

Erdogan fordert von Nato-Partnern „konkrete Unterstützung“ in Syrien

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat „konkrete Unterstützung“ von „allen“ Nato-Verbündeten für den türkischen Militäreinsatz in Nordsyrien gefordert. Es sei „sehr wichtig“, dass die Unterstützung „ohne weitere Verzögerung erfolgt“, sagte Erdogan am Montag nach einem Treffen mit Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg in Brüssel. „Unsere Verbündeten sollten ihre Solidarität mit unserem Land zeigen - ohne Diskriminierung und ohne politische Bedingungen zu stellen.“

Stoltenberg ging nicht direkt auf Erdogans Forderungen ein. Die Nato erkenne an, dass die Türkei „eine schwere Last trägt“, sagte der Norweger. „Sie ist das Bündnisland, das am meisten von dem Chaos in Syrien betroffen ist.“ Deshalb unterstütze die Nato die Türkei bereits, etwa mit Luftabwehrsystemen und militärischer Präsenz im Luftraum und auf See.

  • Montag, 9. März

Deutschland nimmt Flüchtlingskinder auf

Die Berliner Koalitionsrunde hat sich in der Nacht zu Montag darauf geeinigt, besonders schutzbedürftige Kinder und Jugendliche aus den überfüllten Flüchtlingslagern in Griechenland aufzunehmen. Das soll im Rahmen einer europäischen „Koalition der Willigen“ geschehen. Offen ist, wann das geschieht. In einer Erklärung der großen Koalition am frühen Montagmorgen hieß es, es gehe um „einen angemessenen Teil“ von bis zu 1500 Flüchtlingskindern. Es handele sich dabei um Kinder, die entweder wegen einer schweren Erkrankung dringend behandlungsbedürftig oder aber unbegleitet und jünger als 14 Jahre alt sind, die meisten davon Mädchen. 

  • Sonntag, 8. März

Griechenland soll Migranten in andere EU-Länder lassen

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat Griechenland dazu ermuntert, Migranten an der gemeinsamen Grenze in Richtung anderer EU-Länder durchzulassen. „Hey Griechenland, diese Menschen kommen nicht zu dir und bleiben, sie kommen zu dir und gehen in andere Länder Europas. Warum störst du dich daran?“, sagte Erdogan am Sonntag auf einer Veranstaltung anlässlich des Weltfrauentags in Istanbul. „Mach du doch auch die Tore auf“, sagte Erdogan weiter an Griechenland gerichtet. Zugleich kritisierte Erdogan das Nachbarland scharf und warf Griechenland vor, Migranten, die es in die EU geschafft haben, unrechtmäßig in die Türkei zurückzuschicken, zu „schlagen“, zu „töten“ und zu „foltern“. Niemand erhebe die Stimme gegen solch unmenschliche Aktionen, kritisierte Erdogan. Das Gegenteil sei der Fall, Griechenland werde sogar noch unterstützt. Nach türkischen Angaben war am vergangenen Mittwoch ein Migrant von griechischen Sicherheitskräften erschossen worden. Auch vergangenen Montag soll ein Migrant an der türkisch-griechischen Grenze getötet worden sein. Athen wies das entschieden zurück.

  • Samstag, 7. März

Türkei spricht von 143 000, Griechenland von 37 000 Flüchtlingen

Seit der von der Türkei verkündeten Öffnung der Grenzen zur EU sollen nach Darstellung des türkischen Innenministers Süleyman Soylu mehr als 143 000 Menschen Griechenland erreicht haben. Die Zahl werde schon bald stark steigen, sagte er am Samstag vor Journalisten in der osttürkischen Stadt Elazig. „Das ist erst der Anfang. Sie sollten sehen, was als nächstes passieren wird. Was bislang geschehen ist, ist nichts“, ergänzte er.

Die von Soylu genannte Zahl ist nicht zu verifizieren und sehr viel größer als die Angaben aus Griechenland. Eine so große Anzahl Menschen wäre für griechische Medien, die entlang der Grenze berichten, auch kaum zu übersehen gewesen. Auf griechischer Seite war seit dem Wochenende von weniger als 100 Menschen die Rede, die festgenommen wurden, und von rund 37 000 illegalen Grenzübertritten, die in den vergangenen sieben Tagen verhindert worden seien.

Griechischer Minister: Flüchtlinge nutzen finanzielle Unterstützung aus

In Griechenland soll ab Mitte März die finanzielle Unterstützung für Flüchtlinge gekappt werden. „Unser Ziel ist es, Berechtigten innerhalb von zwei bis drei Monaten Asyl zu gewähren und anschließend die Leistungen und die Unterbringung zu streichen, weil all diese Maßnahmen dazu beigetragen haben, dass die Menschen ins Land kommen und diese Leistungen ausnutzen“, sagte der griechische Migrationsminister Notis Mitarakis am Samstag dem griechischen Fernsehsender Skai.

Griechenland werde diese Vorteile beschneiden. „Wer Asyl erhält, ist anschließend selbst für sich verantwortlich“, sagte Mitarakis. Es gebe Integrations- und Unterstützungsprogramme, aber darüber hinaus könne man die Dinge nicht finanzieren. Bisher dauerte es wegen Personalmangels allerdings rund sieben Monate, bis ein Asylverfahren in erster Instanz abgeschlossen wurde - mitunter auch ein Jahr und länger.

Weiter schloss Mitarakis den Bau geschlossener Lager auf unbewohnten griechischen Inseln nicht aus, schränkte aber ein, dass eine solche Lösung nicht leicht umzusetzen wäre. Nach seinen Worten sollen zunächst zwei geschlossene Zentren auf dem Festland errichtet werden, eines in Attika, der Region rund um Athen, und eines in der nordgriechischen Region Serres. Die 2000 Plätze, die dadurch entstünden, sollen die Krise auf den Inseln lindern. 

  • Freitag, 6. März

EU-Außenbeauftragter: „Die Grenze ist nicht offen“

Nach Beginn der Waffenruhe im syrischen Idlib ruft die EU die Türkei und Russland dazu auf, ungehinderten Zugang humanitärer Hilfe zu der Region zu gewährleisten. Zudem müssten alle Beteiligten dafür sorgen, dass die Waffenruhe halte und die Zivilbevölkerung geschützt werde, hieß es am Freitag nach einem Syrien-Krisentreffen der EU-Außenminister in Zagreb. „Es sind dringende Maßnahmen erforderlich, um diese große humanitäre Krise anzugehen“, sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell.

Borrell betonte, zur Versorgung der Flüchtlinge in Syrien müsse der Zugang über die beiden offenen türkisch-syrischen Grenzübergänge gewährleistet und möglicherweise erleichtert werden. 100 schwere Lastwagen müssten die Grenzübergänge täglich passieren. Es sei eine Herausforderung, eine Million Menschen mit Lebensmitteln, Medizin und Unterkünften zu versorgen - „mitten in den Bergen, mitten im Winter, mitten im Krieg“. Für den 29. und 30. Juni kündigte der Spanier eine Syrienkonferenz in Brüssel an. Dann solle weiteres Geld gesammelt und Unterstützung für die UN-Bemühungen für eine politische Lösung des Konflikt gezeigt werden.

Neben dem Syrienkonflikt befassten sich die Minister auch mit der angespannten Situation an der griechisch-türkischen Grenze. Sie betonten ihre Solidarität mit Athen und wiesen das Vorgehen der Türkei scharf zurück. Ankara solle sich an das EU-Türkei-Abkommen von 2016 halten. Dies sieht unter anderem vor, dass die Türkei illegale Migration in Richtung Europa verhindert. Borrell warnte die Migranten: „Geht nicht zur Grenze, die Grenze ist nicht offen.“

Waffenruhe zeigt Wirkung auf Lage um Idlib

Nach dem Beginn einer Waffenruhe in dem heftig umkämpften syrischen Rebellengebiet um die Stadt Idlib hat sich die Lage dort beruhigt. Russische und syrische Jets flogen am Freitag zunächst keine Angriffe, wie die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte meldete. Es herrsche eine „gespannte Ruhe“. Mehrere EU-Staaten begrüßten die Einigung zwischen den Schutzmächten Türkei und Russland. Die Europäische Union rief Moskau und Ankara auf, ungehinderten Zugang zu der Region für humanitäre Hilfe zu gewährleisten.

Zudem müssten alle Beteiligten dafür sorgen, dass die Waffenruhe halte und die Zivilbevölkerung geschützt werde, hieß es am Freitag nach einem Syrien-Krisentreffen der EU-Außenminister in Zagreb. „Es sind dringende Maßnahmen erforderlich, um diese große humanitäre Krise anzugehen“, sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell. Für den 29. und 30. Juni kündigte der Spanier eine Syrienkonferenz in Brüssel an, bei der weiteres Geld gesammelt werden soll.

Außenminister Heiko Maas (SPD) zeigte sich vorsichtig optimistisch: „Beide Seiten haben kein Interesse daran, dass dieser Konflikt ein türkisch-russischer wird“, sagte er im Deutschlandfunk. Österreichs Chefdiplomat Alexander Schallenberg sprach von einem „vorsichtigen Hoffnungszeichen“.

Rechtsradikale aus Deutschland reisen nach Lesbos

Auf der griechischen Insel Lesbos sind nach Augenzeugenberichten Rechtsradikale aus Deutschland und Frankreich eingetroffen. Diese wollten, wie sie sagen, an der Seite der Griechen zur Sicherung der EU-Grenzen gegen illegal einreisende Migranten wirken. Einige von ihnen - alles Deutsche - seien von Reportern des lokalen Nachrichtenportals „sto nisi“ gesichtet und fotografiert worden.

Ein unbekannter und mutmaßlich links eingestellter Mann habe in der Einkaufsmeile der Inselhauptstadt einen der Deutschen angegriffen und am Kopf verletzt, berichtete das Portal und veröffentlichte Fotos. Auch Parolen wie “Wir werden euch genau das antun, was wir euch in Kalavrita angetan haben" sollen gerufen worden sein.

Damit beziehen sich die Identitären wohl auf die Massentötung von Zivilisten am 13. Dezember 1943 durch die nationalsozialistischen Besatzungsmächte im Zweiten Weltkrieg.

Anspannung an griechischer Grenze – Türkei setzt Tränengas ein

An der ostgriechischen Grenze zur Türkei bleibt die Lage angespannt. Am Freitagmorgen lag der Grenzposten Kastanies zwischenzeitlich in Schwaden von Tränengas, das von der türkischen Seite aus über die Grenze geschossen wurde, wie Bilder des griechischen Fernsehsenders Skai zeigten. Griechische Sicherheitskräfte versuchten, die Chemikalien mit Wasser wegzusprühen.

Die Sorge der Griechen gilt derzeit vor allem der Ankündigung des türkischen Innenministers Süleyman Soylu vom Vortag, 1000 Polizisten an die Grenze zu Griechenland zu schicken, um sogenannte „Push-Backs“ von Migranten zu verhindern. Die Türkei hält angesichts der Eskalation in Syrien zudem eine Öffnung ihrer Grenze für Flüchtlinge aus der nordsyrischen Krisenregion Idlib für möglich.

Auch diese Flüchtlinge könnten dann weiter in die EU gelangen, hatte Soylu am Donnerstag gesagt. Nachdem der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan am Samstag verkündet hatte, die Grenzen zur EU seien für Migranten offen, hatten sich Tausende auf den Weg dorthin gemacht. Griechenland hielt die Grenzen jedoch geschlossen. 

  • Donnerstag, 5. März

Deutsche Städte wollen Flüchtlingskinder aufnehmen

Sieben deutsche Großstädte fordern von der Bundesregierung Schritte zur Aufnahme von Kindern aus den griechischen Flüchtlingslagern. „Vor allem den Kindern, deren Eltern in vielen Fällen nicht mehr leben und die alleine in den Flüchtlingslagern untergebracht sind, soll nun sofort geholfen werden“, heißt es in einem Appell der Oberbürgermeister, über den am Donnerstag das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) berichtete. Die gemeinsame Erklärung, die auch von dem niedersächsischen Innenminister Boris Pistorius (SPD) unterstützt werde, solle am Freitag bundesweit veröffentlicht werden.

Die Unterzeichner sind demnach neben Pistorius die Oberbürgermeister von Köln, Düsseldorf, Potsdam, Hannover, Freiburg im Breisgau, Rottenburg am Neckar und Frankfurt (Oder). Die Bundesregierung müsse handeln und es deutschen Städten ermöglichen, auf freiwilliger Basis vor allem unbegleitete minderjährige Flüchtlinge aufzunehmen. Derzeit fehlten noch die rechtlichen Möglichkeiten dafür.

Die Stadtoberhäupter, die SPD, CDU, Grünen, Linken oder keiner Partei angehören, verweisen auch auf das Bündnis „Städte Sicherer Häfen“. Die darin zusammengeschlossenen 140 Städte hätten sich schon bereiterklärt, Flüchtlingen zu helfen. Pistorius sagte dem RND: „Es ist ein starkes Zeichen der Menschlichkeit, dass so viele Kommunen bereit sind, die Schwächsten der Schwachen aufzunehmen.“

„Potenziell tödliche“ Geschosse an griechischer Grenze gefunden

Die griechische Polizei setzt laut einem Medienbericht an der türkischen Grenze offenbar „potenziell tödliche“ Tränengasgeschosse gegen Flüchtlinge und Migranten ein. An der Grenze seien leere Tränengaskartuschen mit scharfer Spitze gefunden worden, berichtete die Investigativ-Website Bellingcat am Donnerstag. Die Website veröffentlichte ein Foto, auf dem offenbar ein behelmter Mann hinter den Reihen der Polizei zu sehen ist, der eine solche Kartusche in ein Tränengasgewehr lädt. „Normale Tränengasgeschosse“ hätten nur eine begrenzte Reichweite und verursachten eher keine schweren Verletzungen, hieß es in dem Bericht. Die gefundenen Geschosse hätten hingegen „deutlich mehr Wucht“. In Kombination mit der scharfen Spitze seien sie „potenziell tödlich“. Durch ähnliche Geschosse seien zahlreiche Demonstranten im Irak schwer verletzt oder getötet worden. 

Türkei schickt 1000 Polizisten an die Grenze

Die Türkei hat 1000 Polizisten an die Grenze zu Griechenland geschickt und will damit nach eigenen Angaben sogenannte „Push-Backs“ von Migranten verhindern. „Um zu verhindern, dass sie zurückgedrängt werden, haben wir heute Morgen 1000 voll ausgestattete Spezialpolizisten an den Fluss Meric geschickt“, sagte Innenminister Süleyman Soylu am Donnerstag vor Journalisten an der türkisch-griechischen Grenze. Der Grenzfluss Evros heißt auf Türkisch Meric.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte am Samstag erklärt, die Grenzen in die EU seien geöffnet. Daraufhin machten sich Tausende Migranten auf den Weg zur griechischen Grenze, wo noch immer viele von ihnen ausharren. Griechenland drängt die Migranten immer wieder auch mit dem Einsatz von Tränengas zurück. Ankara wirft den griechischen Grenzpolizisten zudem vor, Migranten, die es nach Griechenland geschafft haben, unrechtmäßig zurückzuschicken.

Nach türkischen Angaben war am Mittwoch ein Migrant von griechischen Sicherheitskräften erschossen worden. Athen wies das entschieden zurück. Nach Angaben von Soylu wurden zudem 164 Migranten verletzt.  

„Illegale Grenzübertritte werden nicht toleriert“

Die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten haben ihre Entschlossenheit zum Schutz der Außengrenzen bekräftigt. „Illegale Grenzübertritte werden nicht toleriert“, heißt es in einer Erklärung, auf die sich die Innenminister der 27 EU-Länder am Mittwochabend bei einem Sondertreffen in Brüssel einigten. „Dazu werden die EU und ihre Mitgliedstaaten in Übereinstimmung mit europäischem und internationalem Recht alle nötigen Maßnahmen ergreifen.“ Die EU-Innenminister warfen der Türkei vor, „Migrationsdruck“ zu politischen Zwecken einzusetzen.

Für den kroatischen EU-Ratsvorsitz sagte Innenminister Davor Bozinovic, die EU stehe einig hinter Griechenland und werde keine illegalen Grenzübertritte zulassen. „Wir erwarten von den Migranten und Asylbewerbern, unser europäisches Recht zu respektieren“, sagte Bozinovic. „Niemand kann sicher sagen“, ob derzeit alle Maßnahmen an der griechisch-türkischen Grenze internationalem Recht entsprächen, räumte EU-Innenkommissarin Ylva Johansson ein. Sie könne nur dazu aufrufen, dieses Recht einzuhalten: „Ich zähle darauf, dass die griechische Regierung dem folgt.“  

  • Mittwoch, 4. März

Geflüchtete sollen auf Schiff vor Lesbos untergebracht werden

Ein griechisches Marineschiff zur vorläufigen Unterbringung von rund 500 geflüchteten Menschen hat am Mittwoch die Insel Lesbos erreicht. Nach stundenlangem Warten gingen am frühen Abend die ersten 15 Menschen an Bord, wie Reporter der Nachrichtenagentur AFP berichteten. Die Lage im Hafen war am Nachmittag angespannt. Die Einsatzkräfte gingen gegen mehrere der ausharrenden Flüchtlinge sowie Journalisten vor. Mehrere Beamte stießen zwei griechische Fotografen und eine deutsche Journalistin gewaltsam zurück und untersagten ihnen, vor Ort Fotos aufzunehmen. Anschließend versuchten sie, ihre Kameras an sich zu reißen. Rund 500 geflüchtete Menschen, die in den vergangenen Tagen auf der Ägäis-Insel angekommen waren, hatten seit dem Anlegen des Schiffes am Mittwochmorgen im Hafen ausgeharrt. Unter ihnen waren viele Familien mit kleinen Kindern. Sie sollen einem Vertreter des griechischen Verteidigungsministeriums zufolge auf dem Marineschiff untergebracht werden und dort bleiben, bis neue Unterkünfte auf dem Festland bereitstehen. Das Schiff habe eigentlich nur Kapazität für rund 400 Menschen, sagte er weiter. 

Deutschland schickt 20 Polizisten und Hubschrauber nach Griechenland

Deutschland will Griechenland beim Grenzschutz mit 20 zusätzlichen Bundespolizisten und einem seetauglichen Hubschrauber unterstützen. Hintergrund ist die gestiegene Zahl von Flüchtlingen und Migranten, die seit dem Wochenende versuchen, von der Türkei nach Griechenland - und damit in die EU - zu gelangen. Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums erklärte am Mittwoch auf Anfrage, die Bundespolizisten würden der europäischen Grenzschutzagentur Frontex unterstellt. Nach dem Einsatzplan der Griechen sollten diese Beamten nicht auf den Inseln, sondern an der Landgrenze eingesetzt werden.

Athen dementiert Berichte über Toten an griechisch-türkischer Grenze

Türkische Berichte über einen toten Migranten und mehrere Verletzte durch Schüsse griechischer Grenzschützer haben eine neue Kontroverse zwischen Athen und Ankara ausgelöst. Athen dementierte entschieden. „Wo sie vorher von Verletzten sprachen, reden sie nun von Toten. Die fake news haben kein Ende, es gibt keinen solchen Vorfall mit Schüssen von griechischen Beamten“, sagte der griechische Regierungssprecher Stelios Petsas am Mittwoch bei einer Pressekonferenz in Athen. Auch Augenzeugen berichteten von Schüssen im griechisch-türkischen Grenzgebiet, es gibt Bilder von Verletzten aus dem Krankenhaus im türkischen Edirne.

Grenzschützer sollen Flüchtling erschossen haben – Offenbar sechs Verletzte

Griechische Grenzschützer haben nach türkischen Angaben einen Flüchtling beim versuchten Grenzübertritt durch Schüsse getötet. Sechs Flüchtlinge seien durch Schüsse „mit scharfer Munition“ verletzt worden, teilte das Gouverneursamt der türkischen Region Edirne am Mittwoch mit. 

Ein Mann sei seinen Verletzungen an der Brust erlegen. Seit der Öffnung der türkischen Grenze zu Griechenland Ende vergangener Woche versuchen tausende Flüchtlinge, in die EU zu gelangen. 

Polizisten setzen Tränengas ein

Die griechische Polizei setzte Tränengas ein, auch von türkischer Seite wurden solche Geschosse über den Grenzzaun gefeuert. Nach Angaben griechischer Sicherheitskräfte sollen auch Migranten auf der türkischen Seite mit Tränengas ausgestattet sein.

  • Dienstag, 3. März

Polizei verdrängt Hunderte Migranten aus dem Hafen von Mytilini

Die griechische Polizei hat Hunderte Migranten aus dem Hafen von Mytilini, der Hauptstadt der Insel Lesbos, verdrängt. Die Menschen hatten einem Gerücht gelaubt, ein Schiff werde am Dienstagabend kommen und sie alle nach Piräus zum griechischen Festland bringen. Die überwiegend aus Aghanistan und Staaten Afrikas stammenden Menschen skandierten „Freiheit“, wie Reporter vor Ort berichteten.

„Die Lage auf Lesbos ist extrem angespannt“, sagte Boris Cheshirkov, der für das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) auf Lesbos ist, der Deutschen Presse-Agentur. „Eine Erstanlaufstelle, die wir im Norden der Insel errichtet hatten, ist am Wochenende von Randalierern niedergebrannt worden“, sagte Cheshirkov. Auch Mitarbeiter von Hilfsorganisationen und Journalisten seien angegriffen worden. Bei den Vermummten handele es sich allem Anschein nach um Einwohner der Insel. In griechischen Medien war auch von Rechtsradikalen die Rede.

Erdogan telefoniert mit Merkel

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat in einem Telefonat mit Bundeskanzlerin Angela Merkel eine faire Lastenteilung beim Thema Flüchtlinge gefordert. Erdogan habe darauf hingewiesen, dass die Last der Flüchtlinge und die Verantwortung für sie fair geteilt und dass internationale Verpflichtungen eingehalten werden müssten, hieß es in der Nacht zum Dienstag in einer Mitteilung der türkischen Seite. Erdogan hatte der EU zuvor offen mit einem neuen Massenandrang von Flüchtlingen gedroht. 

Montag, 2. März

Baerbock will 5000 Geflüchtete aus Lagern holen

Grünen-Chefin Annalena Baerbock hat gefordert, dass Deutschland zunächst 5000 besonders schutzbedürftige Menschen aus Flüchtlingslagern auf griechischen Inseln aufnimmt. Dazu liege im Bundestag ein Antrag der Grünen vor, der schnell beschlossen werden könne, sagte Baerbock am Montag. Sie erinnerte daran, dass Deutschland 2016 die Aufnahme von 27.000 Schutzsuchenden aus Italien und Griechenland zugesagt hatte. Es seien aber im Rahmen der EU-Vereinbarung nur gut 10.000 aufgenommen worden.

Die EU-Staaten müssten an der griechisch-türkischen Grenze über Frontex und die europäische Asylagentur „für Humanität und Ordnung“ sorgen, sagte Baerbock. „Das ist eine Frage von Recht und Ordnung.“ Die EU-Außengrenze dürfe nicht unkontrolliert geöffnet werden, es müsse aber die Möglichkeit zum geordneten Grenzübertritt geben. Die Menschen an der Grenze müssten versorgt und registriert, die Schutzsuchenden von den griechischen Inseln in Sicherheit gebracht werden.

Baerbock betonte, etliche Städte und Gemeinden in Deutschland hätten angeboten, Flüchtlinge aufzunehmen. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) müsse das ermöglichen. Man dürfe aber die Ursache der derzeitigen Krise nicht vergessen, mahnte sie. In der syrischen Region Idlib brauche es einen Waffenstillstand, die Menschen dort müssten mit Hilfsgütern versorgt werden können.  

Merkel kritisiert Erdogan scharf

Wegen seines Umgangs mit Flüchtlingen hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan harsch kritisiert. „Der türkische Präsident fühlt sich im Augenblick nicht ausreichend unterstützt“, sagte Merkel am Montag in Berlin. Bei allem Verständnis sei es aber „völlig inakzeptabel, dass man das jetzt auf dem Rücken von Flüchtlingen austrägt. Denn die Flüchtlinge sind jetzt in eine Situation gebracht worden, dort an die Grenze zu gehen und im Grunde in einer Sackgasse zu landen“. 

UN entsetzt über fehlende humanitäre Hilfe

Die Vereinten Nationen (UN) haben der internationalen Gemeinschaft in scharfen Worten humanitäres Versagen in Syrien vorgeworfen. Eine UN-Untersuchungskommission stellte die Frage, warum die Welt den rund eine Million Flüchtlingen an der syrisch-türkischen Grenze, darunter Hunderttausenden von Kindern, auch angesichts der winterlichen Temperaturen keine humanitäre Hilfe leiste. „Ich finde es skandalös, dass die internationale Gemeinschaft bisher nicht in der Lage war, mit dieser Situation umzugehen“, sagte der Vorsitzende der Kommission, Paulo Pinheiro, auf einer Pressekonferenz am Montag. 

Von der Leyen reist nach Griechenland

EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen hat die Türkei in der Migrationspolitik zum Umlenken aufgefordert. Sie erkenne an, dass das Land in einer schwierigen Lage sei, erklärte von der Leyen am Montag in Brüssel. „Aber was wir jetzt sehen, kann keine Antwort oder Lösung sein“, sagte sie angesichts der Entwicklung an der türkisch-griechischen Grenze. Von der Leyen will sich zusammen mit EU-Ratspräsident Charles Michel und Europaparlamentspräsident David Sassoli am Dienstag selbst vor Ort ein Bild machen und Solidarität mit Griechenland zeigen.

Frontex will schnell auf Hilferuf reagieren

Die europäische Grenzschutzagentur Frontex will rasch auf das Hilfeersuchen Griechenlands wegen der Vielzahl an Flüchtlingen aus der Türkei reagieren. Das Gesuch der griechischen Regierung um schnelle Intervention an der Außengrenze der EU sei am späten Sonntagabend bei Frontex eingegangen. „Wir schauen uns an, wie wir Griechenland am besten in der möglichst kürzesten Zeit unterstützen können“, teilte die Behörde am Montag bei Twitter mit.

Merz warnt vor Situation wie 2015

Angesichts des Flüchtlingsandrangs an der EU-Außengrenze zur Türkei hat der CDU-Vorsitzkandidat Friedrich Merz vor einer Situation wie 2015 gewarnt. Es müsse ein Signal an die Flüchtlinge geben, dass es „keinen Sinn hat, nach Deutschland zu kommen“, sagte Merz am Montag dem Mitteldeutschen Rundfunk (MDR). „Wir können Euch hier nicht aufnehmen.“

In Deutschland seien sich alle Beteiligten einig, so etwas wie 2015/2016 dürfe sich nicht wiederholen, fügte Merz hinzu. Deutschland müsse natürlich auch die Kontrolle über seine eigenen Grenzen behalten, wenn es eine solche Situation erneut geben sollte. Das Wort „Kontrollverlust“ sei 2015 und 2016 in Deutschland zu Recht verwendet worden; das dürfe sich nicht wiederholen, forderte Merz.

Über die derzeit an der türkisch-griechischen Grenze ankommenden Flüchtlinge sagte Merz, dies sei „eine große humanitäre Katastrophe, was da gegenwärtig auf den griechischen Inseln stattfindet und auch zwischen Griechenland und der Türkei“. Deutschland „sollte helfen und vielleicht auch mehr helfen“ als bisher. 

Kind stirbt vor griechischer Insel Lesbos

Ein Kleinkind ist beim Untergang eines Schlauchbootes vor der Insel Lesbos am Montagvormittag ertrunken. Wie das griechische Fernsehen (ERT) unter Berufung auf die Küstenwache berichtete, war das Opfer an Bord eines Schlauchbootes mit 48 Migranten aus der Türkei gekommen. Als die Migranten ein Patrouillenboot der griechischen Küstenwache sahen, durchlöcherten sie das Schlauchboot, um als Schiffbrüchige gerettet zu werden.

Die Küstenwache ist dann verpflichtet, die Menschen aufzunehmen und sie nach Griechenland zu bringen. Das Boot ging unter. Die Küstenwache habe die Migranten geborgen, hieß es weiter. Für das Kind kam aber jede Hilfe zu spät, berichtete der Staatsrundfunk. 

Griechenland ruft höchste Alarmstufe aus

Griechenland hat angesichts des massiven Andrangs von Flüchtlingen nach der türkischen Grenzöffnung die höchste Alarmstufe ausgerufen. Unter anderem sollen die Patrouillen an Land und zu Wasser im Nordosten des Landes verstärkt werden, wie Regierungschef Kyriakos Mitsotakis am Sonntagabend nach einer Krisensitzung des nationalen Sicherheitsrats in Athen mitteilte. Die EU-Grenzschutzagentur Frontex erwartet unterdessen, dass sich die Lage an der griechisch-türkischen Grenze weiter zuspitzt. 

  • Sonntag, 1. März

Griechische Polizei setzt Wasserwerfer an Grenze zur Türkei ein

Um Migranten vom Übertritt aus der Türkei nach Griechenland zu hindern, hat die griechische Polizei am Sonntag schwere Wasserwerfer und Tränengas eingesetzt. Griechische Medien zeigten ein kurzes Video des Vorgehens an einem Grenzübergang am Fluss Evros, der seit Freitag geschlossen ist.

Die Migranten hatten laut Medienberichten zuvor Steine und andere Gegenstände auf die Bereitschaftspolizei geschleudert. Ein Polizist soll nach Berichten des griechischen Rundfunks verletzt worden sein.

Große Gruppen von Migranten aus zahlreichen Staaten des Nahen Ostens und Afrikas versuchen seit Freitag über den bereits geschlossenen Grenzübergang bei Kastanies/Pazarkule aus der Türkei nach Griechenland zu kommen. Die Regierung in Athen hat wiederholt erklärt, Griechenland werde keine illegalen Grenzübertritte dulden. 

  • Samstag, 29. Februar

Griechenland wehrt Tausende Geflüchtete ab

Griechenland hat nach eigenen Angaben eine organisierte, massenhafte und illegale Grenzverletzung durch Migranten aus der Türkei abgewehrt. „Es wurden mehr als 4000 illegale Grenzüberschreitungen abgewendet“, berichtete Regierungssprecher Stelios Petsas am Samstag im griechischen Staatsfernsehen ERT nach einer Krisensitzung unter Vorsitz von Regierungschef Kyriakos Mitsotakis. Der griechische Außenminister Nikos Dendias beantragte eine Sondersitzung der EU- Außenminister.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan sagte am Samstag in Istanbul: „Wir haben die (Grenz-)Tore gestern geöffnet.“ Seit Freitag seien 18 000 Flüchtlinge über die türkische Grenze in die EU gekommen. Mit Samstag könnten es bis zu 30 000 werden. Die EU habe ihre Versprechen nicht gehalten, kritisierte Erdogan. Die Türkei könne so viele Flüchtlinge nicht versorgen.

Abkommen von 2016 sollte Migration regeln

Die Türkei hat bereits mehr als 3,6 Millionen Flüchtlinge aus Syrien aufgenommen. Ein Flüchtlingspakt mit der EU von 2016 sieht eigentlich vor, dass die Türkei Migranten vom Weg in die EU abhält. Im Gegenzug erhält Ankara unter anderem finanzielle Unterstützung.

Anders als in Griechenland sieht die Lage in Bulgarien aus, das ebenfalls eine EU-Außengrenze zur Türkei hat. „An unserer Grenze (zur Türkei) gibt es null Migration“, sagte Regierungschef Boiko Borissow am Samstag nach einem Bericht des Staatsfernsehens. Grenzpolizei-Chef Swetlan Kitschikow bekräftigte am größten bulgarisch-türkischen Grenzübergang bei Kapitan Andreewo, die Lage unterscheide sich nicht von der der vergangenen Tage. Migranten bewegten sich zwar von Istanbul nach Westen, allerdings nicht in Richtung Bulgariens Grenze. Borissow stellte ein Treffen mit Erdogan und anderen europäischen Führern in Aussicht. „Am Montag werde ich hingehen, um mit (dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip) Erdogan seine Bedingungen zu verhandeln, damit wir diese Entwicklung dauerhaft lösen“, sagte er.

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In Athen sagte Regierungssprecher Petsas weiter: „Wir haben gehalten, und unsere Grenzen, die auch EU-Grenzen sind, beschützt.“ Griechenland sei fest entschlossen, alles zu tun, um seine und damit die EU-Grenze zu schützen. Es seien 66 Migranten festgenommen worden, die es geschafft hätten, auf griechisches Territorium zu kommen. Griechenland verstärke seine Kontrollen auch vor den Inseln im Osten der Ägäis mit mehr als 50 Schiffen der Küstenwache und der Kriegsmarine, sagte der Sprecher.

Aus Regierungskreisen in Athen hieß es, der türkische Präsident instrumentalisiere die Millionen Migranten in seinem Land, um die EU zu zwingen, ihm mehr Geld zu zahlen, damit er seine Politik und Militäraktion in Syrien fortsetzen könne. Griechenland habe mit dem Krieg in Syrien nichts zu tun und werde nicht den Preis dafür bezahlen, hatte Regierungschef Mitsotakis am Vortag erklärt.

Konflikt zwischen Türkei und Syrien eskaliert

Die Türkei hat nach Erdogans Worten in Syrien umfassende Angriffe gestartet. Dabei seien Anlagen zum Bau von Chemiewaffen sowie Luftabwehrsysteme und Landebahnen zerstört worden, sagte er am Samstag. Der Konflikt zwischen Syrien und dem Nato-Mitglied Türkei war am Donnerstag eskaliert, als bei einem Luftangriff in Idlib nach neuesten Angaben 36 türkische Soldaten getötet wurden. Idlib ist das letzte große Rebellengebiet in dem Bürgerkriegsland. Die Türkei unterstützt dort islamistische Rebellen.

Die Situation an der griechisch-türkischen Grenze blieb am Samstag angespannt. Die griechische Bereitschaftspolizei setzte Tränengas und Blendgranaten ein, um große Gruppen von Migranten daran zu hindern, über den bereits geschlossenen Grenzübergang bei Kastanies/Pazarkule zu kommen. Die Migranten schleuderten Steine und einige Brandflaschen auf die Polizei, wie das griechische Fernsehen zeigte.

Ministerpräsident Mitsotakis hatte am Freitag Bundeskanzlerin Angela Merkel telefonisch über das Vorgehen an der Grenze informiert und erklärt, Griechenland werde keinen illegalen Grenzübertritt dulden. Wie es aus Kreisen des Verteidigungsministeriums in Athen am Samstag hieß, werden Armeeeinheiten aus Mittel- und Nordwestgriechenland zur türkischen Grenze gebracht. Auch das Militär auf den Inseln der Ostägäis sei verstärkt worden.

Österreich will gegebenenfalls den Grenzschutz verstärken

Österreich will angesichts der neuen Entwicklungen in der Migrationskrise im Bedarfsfall den Grenzschutz verstärken. „Wenn der Schutz der EU-Außengrenze nicht gelingen sollte, dann wird Österreich seine Grenzen schützen. Eine Situation wie 2015 darf sich keinesfalls wiederholen“, sagte Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Samstag. Österreich sei bereit, die Länder an der EU-Außengrenze mit zusätzlichen Polizisten zu unterstützen. Ziel müsse es sein, die Migranten bereits an der EU-Außengrenze zu stoppen.

Mit Blick auf die wieder zunehmenden Migrationsversuche von der Türkei warnte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags, Norbert Röttgen, vor nationalen Lösungen. „In Abschottung zurückzufallen, wäre rückwärtsgewandt“, schrieb er am Samstag im Kurznachrichtendienst Twitter. „Die Lösung kann nur europäisch, nicht national sein. Wollen wir Sicherheit und Stabilität innerhalb unserer Grenzen haben, muss Europa zu einem Akteur jenseits der europäischen Grenzen werden - dort, wo die Ursachen für die Probleme liegen.“

Der Vizechef der FDP-Bundestagsfraktion, Stephan Thomae, forderte die Bundesregierung auf, Griechenland bei der Verhinderung von Grenzübertritten zu helfen. „Wir befinden uns in einer Eskalationsspirale an der griechisch-türkischen Grenze und erleben dramatische Zustände“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Momentan sei Griechenland auf sich allein gestellt. „Die EU und insbesondere Deutschland sollten sich mit Griechenland solidarisch zeigen und dabei helfen, die massiven illegalen Grenzübertritte einzudämmen.“ (dpa/afp/red)

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