Hohe Belastung, Angst um die FamilieSo arbeiten ukrainische Dolmetscherinnen in NRW

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Viele Informationen für Geflüchtete müssen übersetzt werden. (Symbolbild)

Köln – „Es ist eigentlich egoistisch“, sagt Nadiia K. „Aber ich bin lieber erschöpft, als die ganze Zeit in einem Gedankenkreislauf gefangen zu. Ich kann mich durch die Hilfe ablenken.“ Nadiia unterstützt seit Ausbruch des Krieges in der Ukraine ehrenamtlich den Kölner Verein Blau-Gelbes Kreuz bei Übersetzungsarbeiten. Ihr vollständiger Name ist der Redaktion bekannt, damit sie nicht mit Anfragen überhäuft wird, bat der Verein darum, dass wir in abgekürzter Form berichten.

Dolmetscher, Übersetzerinnen und Freiwillige, die Ukrainisch und Russisch beherrschen, werden in NRW gerade händeringend gesucht. Das führt bei den meist selbst ukrainischstämmigen Übersetzerinnen nicht nur zu einem hohen Arbeitspensum, sondern auch zu mentalen Belastungen.

Stadt Köln sucht nach weiteren Helfenden

Geflüchtete in Empfang nehmen, Behördengänge, Beratung, Informationsvermittlung: Die tausenden Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine benötigen viel Unterstützung und Betreuung. Englisch oder sogar Deutsch sprechen allerdings nur die wenigsten von ihnen. Die Stadt Köln bemüht sich aktuell daher um zusätzliche Helfende und Dolmetscherinnen und Dolmetscher, auch für die Anlaufstelle am Breslauer Platz.

„Bei Vorsprachen in den Dienststellen werden Hilfesuchende häufig von ehrenamtlichen, ukrainisch und deutsch sprechenden Helfenden oder deutschsprachigen Verwandten und Bekannten unterstützt“, so eine Stadtsprecherin. Ein solches Netzwerk hat aber nicht jeder, der hier ankommt. Auch professionelle Übersetzer stoßen daher langsam an ihre Grenzen.

„Man muss psychisch bereit sein, so etwas zu leisten“

So geht es auch Iryna Vereschahina. Sie ist seit 2014 ermächtigte Übersetzerin und beeidigte Dolmetscherin für Ukrainisch und hat ihr Büro in Düsseldorf. Vereschahina stammt aus der westukrainischen Stadt Czernowitz. Dort hat sie im Magister Internationale Beziehungen studiert und wurde dabei auch zur Übersetzerin ausgebildet, in Politikwissenschaften hat sie promoviert. „Ich bin seit zwölf Jahren in Düsseldorf“, sagt sie. „Ich bin mit meinem Mann, der auch Ukrainer ist, hergekommen. Er hat hier studiert und arbeitet als Software-Entwickler.“ Seitdem der Krieg in der Ukraine ausgebrochen ist, arbeitet Vereschahina regelmäßig zwölf Stunden am Tag.

Zur reinen Menge an Anfragen komme eine weitere Beanspruchung: „Man muss auch psychisch bereit sein, so etwas zu leisten. Fachlich ist das kein Problem, aber die Inhalte sind teilweise sehr belastend.“ Sie sei mit vielen Familienangelegenheiten beschäftigt, seit letzter Woche betreue sie einen riesigen Fall von ukrainischen Waisenkindern am Amtsgericht Langenfeld.

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Die persönliche Betroffenheit mit dem Krieg lässt sich da schwer ausblenden. „Meine ganze Verwandtschaft ist noch in der Ukraine“, sagt Vereschahina. „Sie wollen nicht gehen, es ist eine ganz andere Mentalität. Die älteren Menschen können sich gar nicht vorstellen, das Land zu verlassen.“

Freiwillige arbeiten am Limit

Nadiia K., die in Essen Psychologie studiert, fühlt gerade mit allen Ukrainerinnen und Ukrainern mit, wie sie sagt. „Egal wie lange wir schon hier sind, wir leiden alle zusammen“, sagt sie. Nur sei sie vor drei Jahren in einer Traumsituation nach Deutschland gekommen, für ihr Wunschstudium. Jetzt hoffe sie „jeden Tag, bis zum Abend keine noch schlechteren Nachrichten von der Familie zu bekommen.“ Ihre Prüfungen an der Uni zum Semesterende musste sie absagen, sie konnte sich kaum konzentrieren.

Durch die Übersetzungsarbeiten im Verein Blau-Gelbes Kreuz könne sie sich zumindest ein wenig ablenken. Nadiia K. wirkte zum Beispiel auch bei der Übersetzung des Willkommenshefts des „Kölner Stadt-Anzeiger“ für ukrainische Geflüchtete mit, brütete Stunde um Stunde über den Texten.

Lediglich ein paar Stunden Schlaf sind gerade für viele Freiwillige Alltag. „Wenn du so angestrengt bist, kannst du über nichts anderes nachdenken. So geht es vielen“, sagt sie. Zusammen mit dem Verein pendelt Nadiia von Pressetermin zu Pressetermin, übersetzt aber auch konkrete Hilfewünsche der Geflüchteten, beispielsweise, als zusätzliche Kinderwagen gebraucht wurden.

Sobald in den kommenden Wochen aber noch tausende weitere Geflüchtete aus der Ukraine in NRW ankommen, könnte eine so persönliche Betreuung auf der Strecke bleiben. Der möglichst schnelle Zugang zur deutschen Sprache ist für die Ukrainerinnen und Ukrainer daher besonders wichtig. Das Blau-Gelbe Kreuz bittet bereits um Spenden von Wörterbüchern und Bilderbücher in deutscher Sprache für Kinder.

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