Interview zu Clan-Kriminalität„Wir setzen unsere Razzien in Köln konsequent fort“

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Clan Razzia Essen

Clan-Raz­zia im Essener Norden

  • Wir haben mit Thomas Jungbluth, Leitender Direktor beim Landeskriminalamt (LKA) in Düsseldorf, über Clan-Kriminalität gesprochen.

Herr Jungbluth, vor Kurzem wurde einer der Bosse des berüchtigten kurdisch-libanesischen Miri-Clans in Bremen durch die Bundespolizei nach Beirut abgeschoben, welchen Eindruck hat die aufwändige Aktion in der Szene hinterlassen?

Thomas Jungbluth: Diese Maßnahme wird derzeit intensiv im Clan-Milieu diskutiert. Die Aktion hat eine erhebliche Signalwirkung in die Szene ausgesandt. Das war ja auch so beabsichtigt.

Was heißt das?

Die kriminellen Clanmitglieder fühlen sich eigentlich unangreifbar. Und nun bekommen sie mit, dass ihnen die Polizei durch die ständigen Kontrollen in den Teestuben, in einschlägigen Shisha-Bars, durch die strategische Fahndung, durch eine konsequente Strafverfolgung, ernsthaft auf die Pelle rückt. Und wenn dann noch Fälle dazu kommen, in denen Clanmitglieder abgeschoben werden, macht dies Eindruck. Denn die Clans spüren einmal mehr den polizeilichen Druck.

Haben die Sicherheitsbehörden damit den Schlüssel gefunden, kriminelle Clan-Zweige auszuhebeln?

Im gesamten Werkzeugkasten, den die Sicherheitsbehörden im Kampf gegen die Clankriminalität anwenden können, ist Abschiebung sicherlich ein Thema. Alleine aber wird dies nicht das Problem lösen. Denn der Aufwand, der bei solchen Rücktransfers entsteht, ist enorm groß. Schließlich muss jede Abschiebung auf juristisch sauberen Füßen stehen.

Welche Hürden türmen sich da auf?

Da gibt es verschiedene Problemkreise. Zum einen sind 36 Prozent straffälliger Clanmitglieder deutsche Staatsbürger, die können gar nicht ausgewiesen werden. Gut ein weiteres Drittel kommt aus dem Libanon. Eine Abschiebung dorthin ist normalerweise sehr schwierig. Dasselbe gilt für die 15 Prozent türkischer Clankrimineller. Denn bei vielen Protagonisten, denen wir eine türkische Staatsangehörigkeit zuschreiben, wird es schwierig, diesen Status auch nachzuweisen. Das heißt diese Personen geben an, keine türkischen Passpapiere zu besitzen. Will man diese Menschen abschieben, braucht man Passersatzdokumente.

Und die bekommen Sie nicht.

Genau. Denn um diese Ersatzausweise zu bekommen, muss der Ausreisepflichtige selbst bei der Beschaffung mitwirken. Das ist aber wenig wahrscheinlich, schließlich hat er – so unsere Annahme - seine Papiere weggeworfen, um seinen türkischen Status zu verschleiern. Oft ist es auch so, dass die türkischen Stellen keine entsprechenden Bescheinigungen ausstellen Also auch die Abschiebung in die Türkei gehört nicht gerade zum Standardprogramm.

Laut LKA-Lagebericht sind 13 Prozent der Clanmitglieder in NRW Syrer.

Ja, allerdings sind Abschiebungen nach Syrien wegen der dort herrschenden Sicherheitslage kaum umsetzbar. Fazit: Mit dem Libanon, der Türkei, Syrien und Deutschland haben wir quasi alle relevanten Staatsangehörigkeiten abgedeckt. Dazu kommen noch so genannte Staatenlose, die ebenfalls nicht außer Landes gebracht werden können. Das heißt also die Abschiebung dieser Personen wird extrem schwierig. Dazu kommt auch noch, dass viele von ihnen inzwischen hier geduldet werden, unter anderem weil ein in der Regel unbescholtenes Familienmitglied die deutsche Staatsangehörigkeit erlangt hat.

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Dies erschwert die Abschiebung, weil der Grundgedanke der Familienzusammenführung zu beachten ist und Familien nicht auseinandergerissen werden sollten. Das komplexe deutsche Ausländerrecht, welches humanitären Gesichtspunkten große Bedeutung beimisst, macht aus diesen Gründen eine Abschiebung unserer Klientel schwierig. Das heißt: Nur auf die Karte Abschiebung zu setzen, wird das Clanproblem nicht lösen.

Was muss also geschehen?

Die NRW-Sicherheitsbehörden dürfen nicht aufhören den Clans konsequent durch ständige Kontrollen und eine konsequente Strafverfolgung auf die Füße zu treten. Und zwar durch konzertierte Aktionen mit Hilfe von Steuerfahndung, Zoll, städtischer Gewerbeaufsicht, Ordnungsamt oder Bauaufsicht. Dazu gehören aber auch Überlegungen, wie wir präventiv junge Clanmitglieder aus dem kriminellen Milieu lösen können.

Mit Blick auf die Razzien in den Clanhochburgen im Ruhrgebiet sprachen manche Politiker der Landtagsopposition von Veranstaltungen ohne größeren Nutzwert, wie sehen Sie das?

Als das Innenministerium im vergangenen Sommer die Devise ausgegeben hat, verstärkt gegen kriminelle Clanangehörige vorzugehen, hat die Polizei unter anderem sehr intensiv Sisha-Bars kontrolliert. Die Clans haben die Kontrollen zunächst belächelt. Da hieß es dann immer, das hält die Polizei nicht durch. Und außerdem sei man ja in der Überzahl. Das war ein echter Trugschluss. Denn wir setzen immer noch unsere Razzien und Kontrollaktionen konsequent fort im Ruhrgebiet genauso übrigens wie in Köln.

Aus dem LKA-Lagebild geht hervor, dass Köln auch eine große Rolle im Bereich Clankriminalität spielt, wie macht sich das bemerkbar?

Köln hat eine gewisse Klientel, es gibt viele Shisha-Bars und sonstige milieutypische Gastronomie, da werden sie etliche Besitzer mit Clan-Bezügen finden. Schauen Sie sich etwa den Kölner Großraum an, zum Beispiel den Bereich Jülich, wo vor zwei Jahren Polizeibeamte und Ordnungsamtsmitarbeiter attackiert wurden. Die Täter waren auch Clan-Mitglieder. Allerdings steht die Rheinmetropole im Ranking besonders von Clankriminalität betroffener Städte nicht so weit oben wie das Ruhrgebiet, insbesondere Essen. 

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