Interview zu Woelkis AuszeitKölner Laienvertreter: „Erste Seifenblase schon geplatzt“

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Woelki gebeugt

Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki

  • Der oberste Kölner Laienvertreter erklärt, warum er die „Seifenblase“ der Erneuerung in Kardinal Woelkis Auszeit schon für geplatzt hält.

Köln – Herr Kurzbach, Kardinal Woelkis „Auszeit“ hat begonnen. Wie werden Sie sie gestalten?

Tim-O. Kurzbach: Ich habe gehört, dass der Kardinal diese Frage an die Menschen im Erzbistum gerichtet hat. Nun, auch ich bin Christenmensch genug, um auf das Wort Gottes zu hören und das Gespräch mit Gott zu suchen. Ich weiß aber auch, dass das allein keine Lösung ist für den eklatanten Abbruch von Vertrauen und auch von Kommunikation im Erzbistum. Und in diesem Fall halte ich es ganz mit dem Kölner Stadtdechanten Robert Kleine, der die Gegenfrage gestellt hat: Stehen jetzt wirklich die Gläubigen als erste in der Reihe derer, die in sich gehen müssen? Oder sind es nicht vielmehr die Verantwortlichen, die uns in die Krise gestürzt haben?

Wie geht es denn jetzt weiter mit der Zusammenarbeit zwischen der Bistumsleitung und der Laienvertretung?

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Weihbischof Puff, der als Bischofsvikar für den Diözesanrat zuständig ist, hat sich bei uns gemeldet, wir werden in den nächsten Tagen auch das Gespräch suchen. Aber wir möchten schon die Vorstellungen des Bistumsverwalters Rolf Steinhäuser kennen, damit wir wissen: Ist das wirklich etwas Neues, oder ist es nur das alte Denken in einem anderen Kopf?

Was glauben Sie?

Von einer Idee, wie er die kommenden Monate angehen will, habe ich noch nichts gehört. Am Rande des Synodalen Wegs in Frankfurt habe ich den Apostolischen Administrator von mir aus angesprochen, und er teilt mein Ansinnen, dass wir miteinander reden sollten. Er hat jetzt sicher Einiges zu organisieren. Also, warten wir“s ab! Ich gestehe allerdings, dass mich die ersten Signale skeptisch stimmen.

Wieso?

Weil sich offenkundig gar nichts ändert. Bestes Beispiel: Woelkis Generalvikar Markus Hofmann bleibt mit anderem Titel einfach im Amt. Dabei hätte gerade das „Alter Ego“ des Erzbischofs eine Auszeit mindestens so nötig gehabt wie dieser selbst. Ich wüsste gern einmal, wie groß allein der wirtschaftliche Schaden ist, den Hofmann mit verantwortet – inklusive all der Kosten für Gutachter, Anwälte, Krisen- und PR-Berater. Die Zahlen wurden bisher nie transparent gemacht. Aber die Befugnis des Generalvikars ist völlig unstrittig. Und genau jener Mann, der auch mit seiner eigenen Kommunikation das ganze Desaster mit verursacht hat, ist vom Apostolischen Administrator sofort und ohne Umschweife im Amt bestätigt worden. Da ist die erste Seifenblase von „Erneuerung“ doch im Grunde schon geplatzt. Wofür ist die „Auszeit“ denn überhaupt da, wenn das Ergebnis in organisatorischen Fragen – und das sind Machtfragen - schon vorweggenommen wird?

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Aber sollten Sie Steinhäuser nicht wenigstens eine Chance geben? Vier Monate hat er ja.

Tatsächlich kann diese Zeit eine Chance sein, wenn er seine Rolle tatsächlich als Apostolischer Administrator wahrnimmt, als Verwalter im Auftrag des Papstes. Allerdings hat er öffentlich erklärt, keine Änderungen zu veranlassen, da Erzbischof Woelki ja in jedem Fall weiter im Amt ist und ebenso klar wiederkommen soll. Das erinnert mich als Rheinländer dann doch eher an den Bläck-Fööss-Song „Ich wör 'su jään ens Weihbischof“: Immer schön leutselig und nett schunkeln. Schon das zeigt, dass es mit echter Krisenbewältigung nicht so weit her sein wird. Stattdessen wird nur verwaltet und über alles dann doch fromme Soße gekippt - bis zum Tag von Woelkis Wiederkunft.

Gönnen Sie ihm bis dahin eigentlich die vollen Bezüge?

Ehrlich, das ist nicht mein Thema. Aber es passt perfekt zu dem Eindruck, dass sich aus Sicht der Bistumsleitung eigentlich nichts ändern soll.

Nun ist die katholische Kirche hierarchisch verfasst. Der Papst ganz oben hat entschieden, Woelki im Amt gelassen und die Kölner Weihbischöfe Puff und Dominikus Schwaderlapp rehabilitiert. Muss man das dann nicht irgendwann auch mal akzeptieren?

Gegenfrage: Was hat der Papst denn entschieden? Zum ersten hat er sich – völlig untypisch – auf eine rechtliche Beurteilung festgelegt und alle noch amtierenden Kölner Akteure im Missbrauchsskandal faktisch freigesprochen. Das ist nun schon sehr, sehr merkwürdig. Ist uns nicht immer gesagt worden, das Rechtsgutachten von Herrn Gercke sei das Nonplusultra der Missbrauchsaufarbeitung, scharf und unerbittlich wie kein zweites? Nun hat aber genau dieses Gutachten verschiedenen Funktionsträgern des Bistums, Bischöfe eingeschlossen, Rechtsverstöße und Pflichtverletzungen nachgewiesen. Und was sind die Konsequenzen? Null und nichts. Damit hat Rom eine erste Riesenchance vertan.

Inwiefern?

Was soll die Kirche Missbrauchsopfern denn künftig noch sagen? Selbst wenn sie dem bestellten Gutachten des Herrn Gercke getraut hätten, müssten sie jetzt erkennen: Es bleibt alles ohne Folgen.

Und die zweite vertane Chance?

Wenn der Papst schon einen Administrator einsetzt, dann hätte es die Logik einer echten Zäsur und einer erneuernden Aufarbeitung zwingend geboten, jemanden von außen zu nehmen. Stattdessen hat Franziskus eine rein interne Lösung bevorzugt. Typisch kölsch, auch wenn es in Rom entschieden wurde. Weitermachen, als wäre nichts gewesen - und am Ende ist es doch immer jot jejange. Aber ich sage Ihnen: Die Menschen sind sehr klug. Sie haben längst erkannt, was hier gespielt wird. Zu neuem Vertrauen kann das nicht führen. Ich glaube feste daran, der Heilige Geist in uns allen wird sich so nicht aussperren lassen.

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