IstanbulErdogan lässt Neubau einer christlichen Kirche zu

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Der türkische President Recep Tayyip Erdogan (Mitte) mit Yusuf Cetin (links), Patriarchalvikar der syrisch-orthodoxen Kirche in Istanbul und Ankara sowie Bartholomäus I., Ökumenischer Patriarch von Konstantinopel. 

Istanbul – Die Sensation ist perfekt: Am Samstag fand in der muslimischen Metropole Istanbul der Spatenstich zum ersten Neubau einer christlichen Kirche seit Gründung der türkischen Republik 1923 statt.

Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan erklärte bei der Veranstaltung, es sei staatliche Pflicht, die religiösen und sonstigen Bedürfnisse der christlichen Assyrer zu befriedigen, denn unter der fast 1000-jährigen türkischen Herrschaft sei die Region „immer ein Zentrum verschiedener Farben, Kulturen, Religionen und Ethnien“ gewesen. Erdogan nutzte die Zeremonie auch zu einem Appell gegen Fremdenfeindlichkeit in der Türkei.

Die meisten Christen verließen das Land

Die syrisch-orthodoxe „Mor-Efrem“-Kirche entsteht für rund 3,5 Millionen Euro im westlichen Istanbuler Stadtteil Yeniköy, in dem ein großer Teil der etwa 25000 christlichen Assyrer oder Aramäer lebt, die es noch in der Türkei gibt.

Sie sind die älteste christliche Gemeinde des Landes, stammen historisch aus dem antiken nördlichen Mesopotamien und siedelten sich später in der heutigen südostanatolischen Provinz Mardin an. Bisher hatten sie in Istanbul nur eine Kirche im zentralen Stadtbezirk Beyoglu oder mussten in den Kirchen anderer orthodoxer Gemeinden beten.

Zwar garantiert die Verfassung der Türkei allen Bürgern Religionsfreiheit. Doch in der Folge des Völkermords an Armeniern und Aramäern im Jahr 1915, des Bevölkerungsaustauschs mit Griechenland in den 1920er Jahren und des antigriechischen Pogroms in Istanbul im Jahr 1955 verließen die meisten Christen das Land. Betrug ihr Anteil an der Bevölkerung im Jahr 1914 noch fast 20 Prozent, so ist er heute mit rund 120000 Gläubigen auf weniger als ein halbes Prozent gesunken.

Neubau wurde  seit 1923 nicht mehr erlaubt

Allerdings bestehen vor allem in Istanbul, dem früheren griechischen Konstantinopel, noch zahlreiche Kirchen der christlichen Minderheiten, die überwiegend den orthodoxen Gemeinschaften der Griechen, Armenier und Assyrer angehören. Auch residiert das Hauptpatriarchat der gesamten östlichen orthodoxen Kirche bis heute am Bosporus. Die christlichen Gemeinden dürfen zahlreiche Sakralbauten für religiöse Zwecke nutzen und auch renovieren – ein Neubau wurde ihnen seit 1923 jedoch nicht mehr erlaubt.

Bis heute leiden sie auch unter Einschränkungen etwa bei der Priesterausbildung; viele bedeutende Kirchenbauten wurden enteignet, zu Moscheen oder Museen umgewidmet wie die weltberühmte Hagia Sophia in Istanbul. Zwar hat die seit 2002 regierende AKP den Orthodoxen einige Gotteshäuser zurückgegeben – aber längst nicht alle. Zudem greift die türkische Regierung regelmäßig in die Auswahl der Kirchenführer ein und erwartet von den Gemeinden unbedingte Loyalität.

Dem setzt Erdogan mit dem Kirchenneubau nun ein Signal der Versöhnung entgegen und nutzte die Gelegenheit, um sich gegen die zunehmende Aggression gegenüber Flüchtlingen aus Syrien und dem Irak, zu denen auch viele Christen zählen, auszusprechen. Er sagte, die Türkei sei weiter für alle Unterdrückten offen: „In unseren Herzen und Köpfen gab es nie und wird es nie Raum für Diskriminierung geben.“

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