Jens Spahn im Interview zur Homo-Ehe„Ich bin schwul geboren worden“

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CDU-Vorstandsmitglied Jens Spahn

CDU-Vorstandsmitglied Jens Spahn

Berlin – Herr Spahn, die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer hat davor gewarnt, wenn man die Ehe für Homosexuelle öffne, dann werde irgendwann vielleicht auch die Ehe für Verwandte oder die Vielehe folgen. Sie haben sie gegen Kritik verteidigt. Warum?

Ich sehe das in der Sache anders, zumal sowohl die Verwandten- als auch die Vielehe im breiten gesellschaftlichen Konsens ausdrücklich gesetzlich verboten sind. Aber ich werbe für eine offene und ehrliche Debatte, nur so dringen wir zum Kern vor und nehmen die Menschen mit. Und wer Toleranz und Respekt für sich einfordert, muss sie auch anderen und deren Positionen entgegenbringen. Der Debattenraum in Deutschland verengt sich immer mehr: Wer wie ich ein Problem mit der Burka hat, gilt gleich als islamophob, wer auf objektive Probleme bei der Integration hinweist, ist ausländerfeindlich, und für wen die Ehe aus seinem bisherigen Verständnis eine Verbindung von Mann und Frau ist, der ist homophob. Wer Menschen mit ihren Fragen so abstempelt, darf sich nicht wundern, wenn die irgendwann zumachen.

Spahn empfiehlt mehr Gelassenheit

Sie als Homosexueller sagen, die Öffnung der Ehe für Schwule und Lesben sei nicht der Untergang des Abendlandes. Wie passt das zusammen?

Ich empfehle einfach beiden Seiten, mal abzurüsten. Für die Gleichberechtigung von Schwulen und Lesben wurde in den letzten Jahren viel erreicht. Und ich bin denen, die dafür unter schweren Bedingungen gekämpft haben, wirklich dankbar. Aber jetzt empfehle ich mal etwas mehr Gelassenheit. Und die andere Seite frage ich: Glaubt wirklich jemand, dass auch nur eine Ehe zwischen Mann und Frau weniger geschlossen und auch nur ein Kind weniger geboren wird, wenn Schwule und Lesben heiraten dürfen? Wer das glaubt, der glaubt auch, dass Schwulsein eine bewusste Entscheidung ist. Und dem kann ich nur sagen: Ich habe es mir nicht ausgesucht, ich wurde so geboren. Da wird der liebe Gott sich wohl was bei gedacht haben...

Vor 20 Jahren war es in bestimmten sozialen Milieus schwierig, um Verständnis und Rechte von Homosexuellen zu werben. Jetzt ist es teilweise umgekehrt. Erleben Sie das eigentlich auch so?

Ja, ich erlebe Szenefunktionäre, die nun ihrerseits die eigene Realität für die einzig wahre halten. Aber da gibt es ein weiteres Paradox: Wir haben als CDU eigentlich den Kulturkampf gewonnen und merken es nicht. Heute kämpft eine eher linke Szene für die gute alte bürgerliche Ehe – und mancher bei uns sieht das als Bedrohung, anstatt sich darüber zu freuen. Wenn Schwule und Lesben sich rechtlich verbindlich dauerhaft binden wollen, leben sie genau die Werte, die uns wichtig sind. Das ist modern gedachtes Bürgertum.

Erleben Sie da einen Unterschied zwischen Berlin und anderen Großstädten und dem traditionellen Münsterland, aus dem Sie kommen?

Im Münsterland, ja in Deutschland insgesamt ist in den letzten zehn, 15 Jahren wahnsinnig viel passiert. Es gibt heute eine ganz andere Offenheit und Gelassenheit im Umgang mit gesellschaftlichen Prozessen. Schwule und Lesben leben heute im Münsterland genau so selbstverständlich ihre Leben wie in Berlin oder Köln. Und hier hat die CDU eine integrative Aufgabe, die sie auch annehmen muss. Wir können bei mir daheim auf dem Dorf Menschen erreichen und öffnen, die würden dem Grünen aus Köln erst gar nicht zuhören.

Das Gespräch führte Markus Decker

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