Kampf gegen SchleuserSieben Polizisten aus NRW im Einsatz in Griechenland

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Herbert Reul (CDU, M), Innenminister von Nordrhein-Westfalen, steht mit Polizisten im Einsatz für die EU-Grenzschutzorganisation Frontex am Grenzzaun von Griechenland zu Nord-Mazedonien.

  • Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul hält die Zahl der NRW-Polizisten im Frontex-Einsatz für viel zu niedrig.
  • An der griechisch-nordmazedonischen Grenze kommen immer noch Flüchtlinge aus Asien und Afrika an.
  • Schlepperbanden bringen die Migranten zur Grenze.

Idomeni – Vor dem Grenzzaun liegen leere Fischkonserven. Verbogene Zeltstangen, zerrissene Kleidung und zerlumpte Decken erinnern an das Elend, das hier geherrscht hat. „Das sind die Überreste des Flüchtlingslagers Idomeni“, sagt Volker Stahl.

12.000 Menschen haben haben dort gelebt, im Jahr 2016, auf dem Höhepunkt der Zuwanderungswelle. Jetzt ist es ruhig geworden in der grünen Talebene. „Die großen Massen kommen nicht mehr. Aber wir greifen fast jede Nacht Flüchtlinge auf, die sich auf den Weg nach Zentraleuropa machen“, erklärt der Erste Polizeihauptkommissar.

Volker Stahl ist Leiter der Verkehrspolizei in Krefeld. Derzeit macht er einen ganz anderen Job. „European Border and Coast Guard Agency“, steht auf seiner blauen Armbinde mit dem Wappen der EU. Der 59-Jährige gehört zu den Polizisten, die am Frontex-Einsatz der NRW-Polizei an der Grenze zwischen Griechenland und Nord-Mazedonien teilnehmen. „Wir haben die Aufgabe, illegale Grenzübertritte zu verhindern“, sagt Stahl.

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„Wenn es uns gelingt, kriminelle Migranten frühzeitig aufzuhalten, machen wir damit am Ende auch das Leben in NRW etwas sicherer.“ Am „Grenzstein 52“, der auf einen Anhöhe liegt, hat man einen guten Überblick auf das Einsatzgebiet.

Flüchtlinge aus Afghanistan, Irak, Iran, Syrien und Nordafrika starten hier ihren Weg Richtung Norden. „Über Mazedonien, Serbien, Ungarn und Österreich kommen immer noch Flüchtlinge nach Deutschland und nach NRW“, sagt Alexander Rankovic, der normalerweise bei der Autobahnpolizei in Düsseldorf seinen Dienst verrichtet. Schlepperbanden machen den Migranten Hoffnung, sie auch über die geschlossenen Grenzen zu bringen.

Rücksichtslose Schleuser

Sie kassierend Tausende Euro und bringen die Flüchtlinge durch ihr rücksichtsloses Vorgehen oft in Lebensgefahr. Der Kampf gegen der Schleuser gehört zu den Kernaufgaben der Frontex-Mission.

Der Maschendrahtzaun an der EU-Außengrenze ist 2,5 Meter hoch und mit Stacheldraht gesichert. Weil die Flucht mit dem Boot nach Italien immer seltener gelingt, weichen viele Migranten auf die Ostroute aus. Der Ort Idomeni liegt in einem Tal, das von schneebedeckten Gipfeln umgeben ist. Seit dem Mittelalter nutzen Schmuggler die ausgetretenen Pfade entlang des Flüsschens Aixos.

Heute erleichtert eine Bahnlinie und eine Autobahn den Schleppern das Handwerk. „Das ist der Beginn der Balkanroute“, erklärt die Polizistin Muna Mougowaz, die bis 2017 auf dem Motorrad in Köln Streife fuhr. Am Donnerstagmittag sind bei Idomeni zahlreiche Polizeiwagen unterwegs. NRW-Innenminister Herbert Reul ist gekommen, um den Beamten im Frontex-Einsatz einen Besuch abzustatten. „Die Sicherung der EU-Grenzen durch Frontex ist elementar wichtig für die Sicherheit in NRW“ , sagte der CDU-Politiker. „Die Registrierung der Flüchtlinge führt zu einer Verringerung der illegalen Migration und zu einer Reduzierung der Flüchtlingsströme nach Deutschland.“

Sieben Polizisten aus NRW bei Frontex

Derzeit sind sieben Beamte aus NRW an Frontex überstellt. Die Zahl sei natürlich „ein Witz“, sagt Reul, der jetzt plant, den Wert so schnell wie möglich zu verdoppeln. Die EU will die Einheit bis 2027 auf 10 000 Kräfte ausbauen.

Volker Stahl und seine Kollegen gehen jeweils mit einem Frontex-Beamten der Bundespolizei und einem griechischen Kollegen auf Streife. Die Griechen freuen sich darüber, dass die Deutschen ihre Ausrüstung mitbringen.

Stahl sitzt am Steuer eines allradgetrieben VW-Geländewagens mit 270 PS. „So ein Fahrzeug würde ich in Krefeld auch gerne fahren“, sagt der 59-Jährige und schmunzelt.

Die Flüchtlinge, die bei Idomeni aufgegriffen werden, haben fast alle einen weiten Weg hinter sich. Die Nordafrikaner kommen über die Türkei und verlassen das EU-Gebiet in Richtung Nord-Mazedonien wieder. „Viele junge Familien sind fast dankbar, wenn sie aufgegriffen werden“, sagt Muna Mougowaz.

Im Sommer sei die Reise ohne ausreichende Wasservorräte lebensgefährlich. „In den Unterkünften haben sie die Chance, sich ärztlich untersuchen zu lassen“, so die Beamtin.

Im Einsatz für Frontex

Die EU-Grenzschutzagentur Frontex wurde 2004 gegründet, um die Außengrenze der Europäischen Union zu sichern. Die Organisation mit Sitz in Warschau koordinierten 2018 etwa 11.000 Einsatzkräfte und hat einen Etat von insgesamt 335 Millionen Euro.

Die NRW-Polizei unterstützt den Schutz der EU-Außengrenzen derzeit mit sieben Beamten. Insgesamt beteiligt sich die NRW-Polizei mit 27 Beamten an neun Auslandsmissionen weltweit.

Die Frontex-Beamten werden vom Landesamt für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten geschult und müssen einen Englisch- sowie einen Sportkurs absolvieren. Sie erhalten eine Zulage von 82 Euro am Tag. Viele Polizisten bewerben sich mehrfach für einen Auslandseinsatz. (gmv)

Die NRW-Polizei schickt seit 2015 Polizisten an die Frontex-Agentur. In der Regel dauern die Einsätze nur acht Wochen. Der kurze Aufenthalt stößt auf Kritik. „Die NRW-Polizei, vor allem die Ermittler der Kriminalpolizei, können derzeit eigentlich keine Kollegin und keinen Kollegen entbehren“, sagt Sebastian Fiedler, Vorsitzender des Bund Deutscher Kriminalbeamter in NRW.

De facto erfolge direkt nach der Einarbeitung vor Ort schon wieder die Abreise. Auch die Grünen sehen den Frontex-Einsatz kritisch: „Die Grenzschutzagentur ist zunehmend rein auf Abschottung der Europäischen Union ausgerichtet. Keine Rolle spielt dagegen aktuell die Rettung von Flüchtlingen in Seenot. Frontex sollte den gemeinsamen europäischen Werten entsprechend einen Beitrag zur Seenotrettung leisten“, sagt Innenexpertin Verena Schäffer.

SPD kritisiert Reuls Reise

Für die SPD kommt die Ministerreise nach Griechenland zur Unzeit. Sven Wolf, Vize-Fraktionschef im Landtag, kritisiert: „Reul muss selbst wissen, ob der Zeitpunkt seiner Reise nach Griechenland richtig gewählt ist, während im Missbrauchsfall Lügde eins der grausamsten Verbrechen aufgeklärt werden muss. Vielleicht wäre er besser beraten, wenn er seine ganze Aufmerksamkeit diesem dramatischen Fall widmen würde.“

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