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Kanzlerkandidatur der Union„Für Armin Laschet wird es ganz schwer“

Lesezeit 5 Minuten
Laschet Treppe

Aufstiegschance: Armin Laschet im NRW-Landtag

  • Armin Laschet steht mit seiner Bewerbung um die Nachfolge von Kanzlerin Angela Merkel vor einer „Mission impossible“
  • Forsa-Chef Manfred Güllner erklärt, worin die Schwierigkeiten liegen
  • Der Meinungsforscher hat auch eine Erklärung, wie Laschets Erfolgsmodell aussieht und wie er es auch diesmal schaffen könnte

Herr Güllner, fünf Monate sind es noch bis zur Bundestagswahl. Kann der Unionskandidat Armin Laschet das Stimmungstief um seine Person noch drehen? Das ist ganz schwer. Wie ein Vergleich der Kandidatenpräferenzen ein halbes Jahr vor der Wahl mit dem jeweiligen Ergebnis seit 1998 zeigt, pflegen sich die Kräfteverhältnisse nur noch minimal zu verschieben.

Angela Merkel stand 2005 gegenüber Gerhard Schröder auch nicht sonderlich stark da.

Aber lange nicht so desaströs wie Laschet heute. Damals gab es überdies ein Über-Kreuz-Problem: Sympathisanten der Union wollten die CDU ohne Merkel, SPD-Anhänger Schröder ohne die SPD. Vergleichbar ist Laschets Lage im Grunde nur mit der von Helmut Kohl 1998. Bekanntlich endete diese Wahl mit einer Niederlage für die Union. Interessant ist dann auch die Parallele zum damaligen Kandidatenrennen in der SPD: Oskar Lafontaine hatte als Parteichef mit seinen Ambitionen auf die Kanzlerkandidatur ähnlich schlechte Werte wie Laschet und lag weit hinter seinem Konkurrenten Schröder – so wie Laschet hinter Markus Söder. Es war dann eine seltene Größe Lafontaines, dem aussichtsreicheren Bewerber den Weg freizumachen. Wäre Lafontaine angetreten, hätte Kohl noch mindestens vier Jahre fröhlich weiterregiert.

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Schröder und Lafontaine hatten sich 1998 verständigt, die Entscheidung im Licht der Landtagswahl in Niedersachsen zu treffen, wo Schröder Ministerpräsident war.

Genau, ein genialer Schachzug Schröders, seine Wiederwahl in Hannover faktisch zum Plebiszit über die K-Frage zu machen. Die Parteigremien der SPD hätten sich – wie jetzt die CDU – für Lafontaine entschieden. Das hat Schröder ausgehebelt.

Solch einen Rückhalt hat Laschet nicht, wohl aber die noch frische Wahl zum CDU-Vorsitzenden im Januar.

Umso frappierender ist doch, dass er seitdem in der Kandidatenpräferenz zehn Punkte verloren hat, während Markus Söder seinen Wert behaupten konnte. Und ganz aktuell sind ihm in seinem eigenen Parteivorstand innerhalb von nur einer Woche ein Drittel der Mitglieder von der Fahne gegangen. Mich wundert ohnehin, wie beide Parteien – die CDU, aber noch mehr die CSU – es scheinbar kritiklos hinnehmen, dass der Vorstand der einen Partei allein über den gemeinsamen Kanzlerkandidaten entscheidet. Wie kann das sein? Das geht mir nicht den Kopf.

Söder hat dafür doch selbst den Weg freigemacht.

Im allerletzten Moment blieb ihm keine andere Wahl als der geordnete Rückzug. Aber die Konstellation konnte man kommen sehen und hätte nach 15 Jahren Merkel viel Zeit gehabt, sich ein passendes Verfahren für die Kandidatenkür zu überlegen.

Nun ist die Entscheidung gefallen. Können Sympathiewerte sich nicht doch noch ändern?

Man verliert als Politiker sehr schnell an Sympathie, gewinnt sie aber nur langsam zurück. Das ist wie beim Radfahren in steilem Gelände: Bergab geht es leicht, bergauf ist eine Tortur. Was Armin Laschet sich an Zustimmung in NRW aufgebaut hatte, das hat er bereits im ersten Jahr der Pandemie mir nichts, dir nichts wieder verspielt. Und auch ein kleines Zwischenhoch war jetzt in Nullkommanichts wieder perdu. Ob die öffentliche Wahrnehmung eines Lavierens in der Pandemie in der Sache zutreffend ist oder nicht, steht auf einem anderen Blatt. Aber das Gefühl der Menschen ist so, und das hat Laschet so weit nach unten gezogen, dass er jetzt mit dem Regierenden Bürgermeister von Berlin, Michael Müller, um den letzten Platz auf der Beliebtheitsskala der Ministerpräsidentinnen konkurriert. Das ist doch eine irre Situation für einen Politiker, der in einem halben Jahr die Republik regieren will.

Nun sind die Zeiten insgesamt turbulent. In einer Pandemie schwanken vielleicht auch die Stimmungen stärker als in politisch ruhigen Fahrwassern.

Das sehe ich für Laschet nicht. Bedenken Sie: Vom Vertrauensvorschuss der Bürgerinnen und Bürger in die staatlichen Institutionen haben auch die jeweils Handelnden profitiert – mit einer Ausnahme: Armin Laschet.

Sie sagen demnach: Laschet vor einer Mission impossible?

Natürlich kann er noch Kanzler werden, wenn die Union klar stärkste Kraft wird und es für eine Ampel oder ein Linksbündnis unter grüner Führung nicht reicht. Aber mit Annalena Baerbock als Kanzlerkandidatin der Grünen sehe ich Laschets Chancen weiter schwinden. Wenn die Grünen als zweitstärkste Partei die Kanzlerin stellen können, werden sie nicht als Juniorpartner in eine Koalition unter Laschet eintreten, selbst wenn ihnen die schwarz-grüne Option politisch vielleicht lieber wäre. Erst recht nicht, nachdem sie jetzt ihren Anspruch auf das Kanzleramt so massiv formuliert haben.

Und das ganz ohne das Hauen und Stechen in der Union…

Davon haben sie keinen Vorteil. Der „Kandidatenstreit“ wird in seinem Einfluss auf die Sympathiewerte der Parteien wahnsinnig überschätzt.

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Wie kommen Sie denn darauf?

Es ist doch einerseits merkwürdig, dass der stehende Vorwurf einer „Mehltau-Politik“ unter Merkel hinfällig sein soll, nur weil die Grünen sich jetzt als Meister des Mehltaus erweisen. Andererseits aber soll die vielbeschworene Streitkultur auf einmal lebensbedrohlich für die Union sein, nur weil zwei Politiker um die Kanzlerkandidatur konkurriert haben? Das ergibt so keinen Sinn. Nein, ich sage, den Wählerinnen und Wählern ist das völlig schnuppe. Das Problem ist nicht der Streit. Das Problem ist Laschet.

Ob er das auch so sieht? Was würden Sie ihm denn raten?

Ich könnte mir vorstellen, dass Laschet tatsächlich glaubt, es laufe doch alles nach Plan: Im Januar Merz aus dem Weg geschlagen, im April Söder – und im September dann eben die Baerbocks und Scholz‘ dieser Welt. Erklären würde ich mir das bei ihm mit einem eingeübten, gelernten Erfolgsmodell: als Unterschätzter starten und es dann allen zeigen. Das geht natürlich nur, indem man voll auf die eigene Stärke setzt und darauf vertraut, dass auch die anderen es schon rechtzeitig kapieren werden. Wenn das so ist, dann hilft nur ein Ratschlag: Laschet, bleib Laschet!

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