Katja Suding im Interview„Horst Seehofer ist nicht das alleinige Problem“

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Katja Suding

FDP-Vizevorsitzende Katja Suding

Köln – Frau Suding, wenn Sie die Lage der großen Koalition sehen, reut es Sie nicht doch, dass Ihre FDP die Chance für ein Jamaika-Bündnis ausgeschlagen hat?

Im Gegenteil. Jetzt zeigt sich doch für jedermann, dass die Risse in der Union ein stabiles Bündnis unmöglich gemacht hätten. Erst nach der Bundestagswahl haben sich die Schwesterparteien auf eine gemeinsame Position zur Obergrenze für Flüchtlinge einigen können. Jetzt ging es weiter im Streit um die Zurückweisung von Flüchtlingen an der deutschen Grenze. In einem Viererbündnis mit uns und den Grünen wären die Grundspannungen untereinander noch größer gewesen. Ich behaupte, die Union in ihrer desolaten Verfassung hätte Jamaika schon nach weniger als 100 Tagen gesprengt.

Schließen Sie sich den Rufen nach Rücktritt oder Entlassung des Innenministers an?

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Das ist Sache der Union und letztlich der Kanzlerin. Klar ist, Horst Seehofer und die CSU haben die Kanzlerin mit ihren Fristen, Ultimaten und Drohungen in aller Öffentlichkeit erpresst. Es schwächt die deutsche Position entscheidend, wenn die Kanzlerin innenpolitisch für alle erkennbar mit dem Rücken zur Wand in Verhandlungen auf internationaler Ebene gehen muss. Aus meiner Sicht ist aber nicht allein Horst Seehofer das Problem. Die Kanzlerin weigert sich bis heute, Fehler in der Flüchtlingspolitik des Jahres 2015 einzugestehen und sie zu korrigieren. Dieser Starrsinn, gepaart mit dem Kamikaze-Kurs der CSU in einer Regierung – das kann nicht gutgehen. Und dabei bräuchte es gerade in der Flüchtlingspolitik ein Höchstmaß an Besonnenheit und Vernunft.

Worin bestünde die?

Wir wollen, dass Deutschland ein weltoffenes Land bleibt, das sich seiner humanitären Verantwortung bewusst ist. Wir wollen die offenen Binnengrenzen in der EU erhalten. Deshalb müssen die EU-Außengrenzen besser vor illegaler Zuwanderung geschützt werden. Wir brauchen ein gemeinsames europäisches Asylsystem, damit die Verfahren überall in der EU gleich ablaufen und weniger Anreize da sind, in ein Land mit vermeintlich besseren Asylbedingungen zu gehen. Flüchtlinge, die nach Europa kommen, sollen nach einer fairen Quote verteilt werden. Wer sich daran nicht beteiligen will, muss einen finanziellen Ausgleich leisten.

Und wie wollen Sie das erreichen?

Um die Verhandlungsbereitschaft zu erhöhen, ist eine zeitweilige Rückkehr zu den Dublin-III-Regelungen der richtige Weg. Indem wir Asylbewerber aus sicheren Drittstaaten zurückweisen, wollen wir unseren europäischen Nachbarn klarmachen, dass Deutschland nicht länger die Hauptlast der Zuwanderung in die EU tragen kann. In Deutschland brauchen wir endlich ein Einwanderungsgesetz, das Zuwanderung nach klaren Regeln ordnet. Bislang erfolgt die Zuwanderung fast ausschließlich über den Asylparagrafen, ganz gleich, ob es sich tatsächlich um Menschen mit Recht auf Asyl, Flüchtlinge aus Bürgerkriegsländern oder Fachkräfte handelt, die auf dem Arbeitsmarkt Fuß fassen wollen. Damit ist das Asylrecht aber vollkommen überfordert.

Wie sehen Sie das Agieren der AfD im Bundestag?

Was Lösungen betrifft, ist die AfD ein Totalausfall. Das, was sie wirklich gut kann, ist, Ängste zu schüren und Ressentiments zu bedienen. Das funktioniert aber auch nur so lange, wie die Regierung für die Sorgen und Nöte der Menschen nicht die richtigen Antworten findet und lieber streitet, als die politischen Herausforderungen anzunehmen.

Was ist Ihre Strategie?

Wir setzen uns auf inhaltlicher Ebene mit der AfD auseinander und stellen regelmäßig fest: Da sind nur Kartenhäuser, die in sich zusammenfallen, sobald man sie berührt. Wir hätten in Deutschland so viele Herausforderungen zu bewältigen. Aber es passiert nichts. Diese Regierung zeigt sich gut hundert Tage nach ihrem Antritt bereits handlungsunfähig, und ich fürchte, das geht noch drei Jahre so weiter. Denn natürlich hat in der gegenwärtigen Lage keiner der Partner Interesse an Neuwahlen.

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