Kein Geld für FamilienwerkErzbistum Köln dreht „Maria in der Aue“ den Geldhahn zu

Lesezeit 5 Minuten
IMG_3868

Das Tagungshotel „Maria in der Aue“ muss Ende des Jahres schließen. 

Wermelskirchen/Köln – Normalerweise würde gerade im Hotel Maria in der Aue reges Treiben herrschen, sagt Geschäftsführer Wilfried Rodenbach. Es ist 16.30 Uhr – Gäste würden Kaffee bestellen und den Blick ins Bergische Land genießen, Kinder würden zwischen den Beinen von Personal und Gästen umherwuseln. Stattdessen steht das ehemalige Schloss Haniel leer, seit November haben hier keine Gäste mehr übernachtet. Im Winter ist dann endgültig Schluss. Erst kam Corona, jetzt stellte das Erzbistum Köln die Förderung ein für das Familien-Ferien-Trägerwerk (FFTW) – am 31. Dezember beendet das Tagungshotel den Betrieb. „Schade“, sagen die Mitarbeiter, „schmerzhaft“, findet der Vorstandsvorsitzende des Vereins. Solche Entscheidungen, kritisiert der Katholikenausschuss, sollten nicht hinter geschlossenen Türen fallen.

Maria in der Aue liegt etwas versteckt im Bergischen Land, umgeben von Hügeln und Wiesen, einige Minuten Autofahrt von Dabringhausen entfernt. Früher war das riesige Gebäude noch unter dem Namen Schloss Haniel bekannt: Unternehmer Karl Haniel ließ es in den 1920er Jahren als Jagdschloss errichten, inklusive Hallenbad, Kegelbahn und Tennisplätzen.

Heute ist das ehemalige Schloss ein Erholungsgebiet und Tagungshotel des FFTW, das deutschlandweit drei Einrichtungen unterhält: Eine im Bergischen, eine in Cuxhaven, eine in Springiersbach, alle finanziert vom Erzbistum Köln. Neben dem kommerziellen Betrieb bietet der Verein Angebote für wirtschaftlich benachteiligte Familien an: Freizeiten für Alleinerziehende, eine Familien-Kurwoche, Kreativ-Angebote und Waldspiele für Kinder. Auch einen Mitmach-Zirkus, sagt Geschäftsführer Rodenbach, habe es in Maria in der Aue schon gegeben. „Wir schließen nicht wegen einem gescheiterten System, sondern weil die Zeiten sich geändert haben“, sagt Rodenbach. „Seit sechs Monaten haben wir keine Gäste. Das ist einfach grausam.“

Alles zum Thema Erzbistum Köln

Novemberhilfen eingeklagt

Mit der Coronakrise begann für ihn auch der Behördenwahnsinn: Am 9. März erhob Rodenbach Klage, weil die Novemberhilfen des Bundesregierung noch immer fehlten. Er gewann den Prozess, Anfang April wurde das Geld überwiesen, die Gerichtskosten muss der Staat tragen. Gleichzeitig habe sich das Finanzamt gemeldet, um eine Umsatzsteuersonderprüfung zu machen. „Mit der Begründung, wir hätten ja keine Umsätze im November, Dezember und Januar gemacht“, sagt Rodenbach kopfschüttelnd. Auf das Kurzarbeitergeld für März wartete er Anfang Mai immer noch.

Der Verein hat keine Rücklagen, um derartige Ausfälle zu bezahlen. Also sprang das Erzbistum ein: 2020 zahlte es eine Million Euro Corona-Hilfszahlungen an das FFTW. „Ohne die Hilfe des Erzbistums hätte ich schon letztes Jahr Insolvenz anmelden können“, sagt Rodenbach. Doch die Hilfe kam mit einer schlechten Nachricht im Gepäck: Man werde die Förderung von einer Million Euro pro Jahr kurz- oder mittelfristig einstellen. Im Februar schickte das Bistum eine Mitteilung an den Verein: Die letzte Förderung würde 2022 überwiesen, dann sei Schluss.

Erzbistum spricht von sinkenden Kirchensteuereinnahmen

„Natürlich ist das schmerzhaft“, sagt Jörg von Lonski, Vorstandsvorsitzender des FFTW. „Aber man muss auch irgendwo Realist sein.“ Freizeiten finden eher in den Schulzeiten statt, den Rest der Zeit betreibt das Hotel kommerziellen Betrieb – es ist also keine rein karitative Einrichtung. In den nächsten Jahren stehen zudem Sanierungen in Höhe von 20 Millionen Euro an.

Das könnte Sie auch interessieren:

Die wirtschaftliche Situation der Häuser des FFTW, schreibt das Erzbistum Köln auf eine Presseanfrage, habe sich im vergangenen Jahr drastisch verschlechtert. „Gerade weil das Erzbistum Köln trotz deutlich sinkender Kirchensteuereinnahmen seine caritativen Aufgaben auch künftig erfüllen will, muss es sein umfassendes Engagement neu justieren“, so das Bistum. Wenn möglich solle das Programm der FFTW in anderen Häusern des Erzbistums Köln fortgesetzt werden.

Krise sei hausgemacht

Ärmere Familien nun für die wegbrechenden  Kirchensteuereinnahmen durch die massenhaften Austritte  zu bestrafen, lässt Maria Mesrian den Kopf schütteln. Schließlich sei die Krise „allein der unglaubwürdigen Aufklärungsarbeit der Bistumsleitung zu verdanken“, so die Theologin und Sprecherin der Initiative Maria 2.0. Es sei traurig, dass das Bistum „als eine der reichsten Diözesen der Welt ausgerechnet hier den Geldhahn zudreht.“ Für eine katholische Hochschule als Konkurrenz zur missliebigen Bonner Uni habe Woelki viele Millionen übrig. „Aber nicht für ein Haus, in dem vom Leben gebeutelte Familien mal ausspannen und zur Ruhe kommen können?“

Katholikenausschuss kritisiert Art der Entscheidung

„Es tut mir sehr leid um diese tolle Einrichtung“, sagt Gregor Stiels, Vorsitzender des Katholikenausschusses in Köln. Allerings: In Altenberg gebe es eine gute Einrichtung, in der einige Projekte aus Maria in der Aue weitergeführt werden können. Ihn stört eher die Art und Weise, wie das Erzbistum über Schließungen wie diese entscheidet: Über Kürzungen der Bistumsgelder erfahre man meist erst über Ankündigungen auf der Webseite oder Pressemitteilungen. Die Entscheidungen werden gefällt, danach teilt man sie den Menschen mit.

„Wir sollten als Kirche schon den Anspruch haben, mit den Menschen im Gespräch zu sein und anschließend Entscheidungen zu treffen“, sagt Stiels. Entscheiden würde in der Kirche stets nur eine Person. „Alle anderen werden mehr oder weniger gehört. In diesem Bistum eher weniger.“ Stiels plädiert außerdem dafür, dass in einem Gesamtkonzept über die Zukunft der kirchlichen Einrichtungen entschieden wird und Diskussionen darüber stattfinden, was auf der Streichungsliste steht. Hierbei, sagt Stiels, solle man jedoch „die Weisheit der Masse nutzen“ und gemeinsam überlegen.

Rodenbach hofft auf eine gute letzte Sommersaison

Während die FFTW-Einrichtung in Cuxhaven noch bis Ende 2022 weiterlaufen soll, sieht Rodenbach dafür bei Maria in der Aue keine Möglichkeit. „Wir wissen gar nicht, welche Veranstaltungen wir weiter durchführen können“, sagt Rodenbach. Deshalb habe er sich entschlossen, sozialverträglich zu schließen. „Wir gehen nicht in Insolvenz, sondern machen geplant zu und suchen nach Investoren, die das Haus weiter betreiben.“

Als der Vereinsvorstand die Mitarbeitenden über die Schließung informierte, habe sie sich erst erschrocken, sagt eine Mitarbeiterin, die anonym bleiben möchte. „Ich dachte nicht, dass die Pandemie auch dieses große Haus so trifft.“ Sie will noch bis Ende des Jahres bleiben und sich anschließend, zum neuen Jahr, einen neuen Job suchen. „Für mich persönlich ist es schade. Ich arbeite gerne hier“, sagt sie.

„Jetzt hoffen wir, dass wir noch ein gutes Jahr 2021 hinbekommen“, sagt Rodenbach. Ab Ende Juni sollen in dem Tagungshotel wieder Projekte und Freizeiten starten. „Ich wünsche mir ein volles Haus, tolles Wetter und eine volle Terrasse mit vielen Gästen“, sagt der 63-Jährige. „Damit wir schön Abschied feiern können.“ 

KStA abonnieren